Matthias Vonwil, Leiter BusinessReflector GfK Switzerland
von Patrick Gunti
Herr Vonwil, GfK Switzerland untersucht jedes Jahr mit der repräsentativen Studie GfK BusinessReflector den Ruf und das Ansehen der Schweizer Top-Unternehmen. Wie hat sich die Reputation der Schweizer Unternehmen generell entwickelt?
Wir beobachten seit der Finanzkrise mit ihren globalen Verwerfungen einen Trend zur Rückbesinnung auf das Überschaubare. Davon profitieren Firmen mit einem starken Schweiz-Bezug. Firmen mit globaler Ausrichtung haben im Gegenzug Mühe, sich zu profilieren. Insgesamt ist jedoch die Reputation der Schweizer Unternehmen relativ stabil, der Durchschnittswert der 50 führenden Schweizer Firmen hat sich im Vergleich zum letzten Jahr kaum verändert.
Wie und nach welchen Kriterien werden die Unternehmen beurteilt, welche Werte stehen im Fokus?
Der gute Ruf einer Firma setzt sich zusammen aus wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (wirtschaftliche oder funktionale Reputation), der Einhaltung gesellschaftlicher Normen und Werte (soziale Reputation) und Attraktivität (expressive Reputation). Jeder dieser drei Reputationstypen wird mittels mehrerer Fragen untersucht. Beispielsweise wird nach der Qualität von Produkten und Dienstleistungen, nach ökologischer Nachhaltigkeit oder nach Sympathie gefragt.
Platz 1 geht in diesem Jahr an die Migros. Was macht den Detailhandels-Riesen zur Nummer 1?
Migros schafft es momentan offensichtlich am besten, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen und sich gleichzeitig durch ihr einzigartiges Image von anderen Firmen positiv abzuheben. Überraschend kommt dies übrigens nicht. Die Migros hat in den letzten 2- 3 Jahren in verschiedenen Umfragen immer wieder Top-Plätze errungen und war auch im GfK BusinessReflector 2009 auf Platz 3 zu finden.
«Migros schafft es momentan offensichtlich am besten, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen und sich gleichzeitig durch ihr einzigartiges Image von anderen Firmen positiv abzuheben.» Matthias Vonwil, Leiter BusinessReflector GfK Switzerland &
Worin unterscheidet sich die Reputation der Migros von derjenigen des Konkurrenten Coop, der den 7. Platz belegte?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass auch der 7. Platz ein Top-Ergebnis ist. Trotzdem ist der Reputationsvorsprung der Migros deutlich. Den Unterschied macht die expressive Reputation, hier ist die Migros besonders stark. Die Migros schafft es besser, die Sympathien der Bevölkerung für sich zu gewinnen und ein positives Bild zu bewahren, welches sich über Jahre gefestigt hat und nicht zuletzt auch auf den Gründervater Duttweiler zurück geht. Betrachtet man die soziale Reputation und hier besonders die ökologische Nachhaltigkeit, so braucht sich Coop nicht zu verstecken. Die Bemühungen der beiden Detailhändler werden hier von der Bevölkerung fast gleich stark honoriert.
In den Top-10 befinden sich hinter der Migros Vorjahressieger Swatch, Lindt&Sprüngli, Raiffeisen, Synthes, Nestlé, Coop, die Kantonalbanken, Schindler und Rolex ? irgendwelche Überraschungen dabei?
9 dieser 10 Unternehmen waren auch im letzten Jahr unter den Top-10, hier gab es keine Überraschungen. Hingegen hat Synthes mit dem 5. Rang einen grossen Sprung nach vorne geschafft (Vorjahr: 19). Der SMI-Wert profitiert dabei von einer sehr positiven Einschätzung der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Bekanntheit von Synthes in der Schweizer Bevölkerung eher tief ist. Das relativiert diese Top-Rangierung ein wenig. Mit anderen Worten: Wer Synthes kennt, hat eine hohe Meinung von der Firma, aber nur eine Minderheit der Schweizer Bevölkerung weiss tatsächlich, was Synthes tut.
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Swissness, Föderalismus, Uhren, Schokolade: Lassen sich die Top-Klassierungen so zusammenfassen, dass typische Schweizer Werte so gefragt sind wie schon lange nicht mehr?
In der Tat gewinnen traditionelle Schweizer Werte in Zeiten grosser Verunsicherung wieder an Bedeutung. Unternehmen, die sich in ihrem Handeln an solchen Werten orientieren profitieren heute von einer hohen Wertschätzung.
Die rote Laterne trägt weiterhin die UBS, auf tiefem Niveau verbessert hat sich die CS vom 49. auf den 44. Platz. Trotz besserer Zahlen scheint der Ruf der Grossbanken nachhaltig ramponiert, oder täuscht dieser Eindruck?
Man kann davon ausgehen, dass sich die Reputationswerte der Grossbanken nicht so schnell erholen werden, wie sie zusammengebrochen sind. Um das Vertrauen in der Bevölkerung wieder herzustellen werden grosse Bemühungen notwendig sein, die sich nicht auf erste Erfolgsmeldungen und die Kommunikation guter Absichten beschränken können. Der gute Ruf lebt langfristig von der guten Tat und muss sich an gesellschaftlichen Erwartungen orientieren. Es wird sich weisen, wie schnell und wie stark sich die Grossbanken den veränderten Bedingungen anpassen können.
«Man kann davon ausgehen, dass sich die Reputationswerte der Grossbanken nicht so schnell erholen werden, wie sie zusammengebrochen sind.»
Die Kantonalbanken und die Raiffeisenbank haben es in die Top 10 geschafft. Wie stark haben sie dabei vom Imageverlust der Grossbanken profitiert?
Innerhalb der Branchen stellen wir immer wieder solche Dynamiken fest. Verlieren die einen, gewinnen die anderen. Kantonalbanken und Raiffeisenbank konnten vor allem im letzten Jahr profitieren und ihre Stellung in diesem Jahr halten. Der Vertrauensverlust in die Grossbanken führte tatsächlich zu einem Vertrauensgewinn in die kleineren, national ausgerichteten Banken, welche aufgrund ihrer Staatsnähe bzw. genossenschaftlichen Struktur zusätzlich von einem Sicherheitsbonus profitierten.
Verloren haben die SBB und die Post ? weshalb?
Auch die SBB und die Post haben im letzten Jahr von der Finanzmarktkrise profitiert. Im Gegensatz zu anderen Firmen konnten Sie den Reputationsgewinn aber nicht halten und sind auf das Niveau von 2008 zurück gefallen. Beide Unternehmen stehen stark im Fokus der Medienöffentlichkeit und sind immer wieder Teil politischer Kontroversen. Die Themen sind dabei vielfältig, der Reputationsverlust deshalb nicht eindeutig zuzuordnen. In diesem unruhigen Kontext ist es aber besonders schwierig, ein konsistentes und stabiles Bild zu vermitteln und dadurch die Reputation zu halten.
Welche Unternehmen haben die grössten Rangverschiebungen verzeichnet?
Synthes hat mit plus 14 Rängen den grössten Sprung geschafft. OC Oerlikon ist mit minus 9 Rängen auf dem drittletzten Rang gelandet.
Welche Branchen haben im aktuellen BusinessReflector am besten abgeschnitten?
Dauerhafte Konsumgüter (wie Swatch Group, Rolex oder Richemont), Konsumgüter (wie Lindt&Sprüngli, Emmi oder Bell) und der Detailhandel schneiden am besten ab. Alle diese Branchen sind mit je zwei Unternehmen in den Top-10 vertreten.
Eine letzte Frage, die ich Sie bitte, in einem Satz zu beantworten: Was fasziniert Sie an Ihrem Job besonders?
Die Verknüpfung von theoretischem Wissen und empirischer Forschung fasziniert mich. Und die Tatsache, dass die Erkenntnisse daraus von der Praxis nachgefragt und verwendet werden, freut mich.
Herr Vonwil, besten Dank für das Interview.
Zur Person
Matthias Vonwil, lic. phil. Leiter BusinessReflector GfK Switzerland
Matthias Vonwil hat an der Universität Zürich Soziologie studiert. Zu dieser Zeit arbeitete er bereits als Projektleiter am fög – Forschungsinstitut für Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich und hat sich dort breites Wissen und fundierte Kenntnisse in Reputationstheorie und -empirie angeeignet. Seit 2007 ist er Leiter der Qualitativen Marktforschung bei GfK Switzerland und betreut die Reputationsstudie GfK BusinessReflector.&
Zum Unternehmen
GfK Switzerland ist gemäss VSMS Branchenstatistik mit einem Umsatz von 79 Millionen CHF und einem Marktanteil von 37% das grösste Marktforschungsinstitut der Schweiz. Seit über 50 Jahren ist GfK Switzerland mit einer umfassenden Handels- und Konsumentenforschung am Puls des Marktes. 250 Vollzeitbeschäftigte am Hauptsitz in Hergiswil (NW) und in sämtlichen Aussenstellen bieten den Kunden professionellen Service.&GfK Switzerland gehört zur international tätigen GfK-Gruppe mit Hauptsitz in Nürnberg. GfK gehört zu den grössten Marktforschungsinstituten der Welt.