Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit stellen vor allem Grossstädte und Ballungsräume in Zukunft vor enorme strukturelle Herausforderungen. Im Jahr 2050 werden nach Prognosen der UNO rund 9,2 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Bereits heute lebt jeder Zweite in einer Stadt. In zehn Jahren werden es in China schon 60% sein. Dort schreitet die Urbanisierung besonders schnell voran: Es gibt bereits 175 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern, davon sogar sieben mit über zehn Millionen.
Negativer Wirtschaftsfaktor
Gleichzeitig entwickeln sich die Folgen der Umweltverschmutzung für die Volksrepublik mit Smog-verseuchten Millionenstädten zu einem deutlich negativen Wirtschaftsfaktor. So hat das bevölkerungsreichste Land der Erde durch den Wirtschaftsboom in den letzten zwei Jahrzehnten seinen CO2-Ausstoss um 150% erhöht. Ein möglicher Ausweg für China aus diesem Wachstums- und Urbanisierungsdilemma ist die konsequente Planung und Entwicklung von umweltschonenden, CO2-neutralen und damit deutlich lebenswerteren Städten.
Nicht umsonst steht die EXPO 2010 in Shanghai unter dem Motto «Better City, Better Life». Es greift den globalen Wunsch nach einem besseren Leben in den Städten der Zukunft auf und fordert Konzepte zur nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung.
Grundvoraussetzung: Massive Investitionen in Green Tech und Infrastruktur
Weltweit müssen in den kommenden 30 Jahren rund 350 Bio. US-Dollar in den Ausbau und Betrieb von konventioneller städtischer Infrastruktur investiert werden, um diese funktionstüchtig zu halten. Das hat die internationale Strategieberatung Booz & Company in einer aktuellen Studie im Auftrag des World Wide Fund For Nature (WWF) errechnet. «Werden im selben Zeitraum aus diesem Gesamtvolumen rund 22 Bio. US-Dollar in energieeffizienten Wohnungsbau, emissionsarme Fahrzeug- und Logistiksysteme und Green ICT investiert, so kann der durch urbane Infrastruktur erzeugte CO2?Ausstoss um bis zu 50% gesenkt werden. Damit besteht eine realistische Chance, die globale Erderwärmung bis 2050 tatsächlich auf unter zwei Grad zu begrenzen», so Gregor Harter, Partner und Green ICT-Experte bei Booz & Company. «Unsere Berechnungen zeigen zudem: Investitionen beispielsweise in grüne ICT-Infrastruktur amortisieren sich meist schnell und verursachen damit kaum Mehrkosten.»
Als besonders wichtig zur Erreichung dieser Ziele stuft die Booz & Company-Studie die Investition in grüne Technologien zur konsequenten Erschliessung regenerativer Energiequellen ein. Eine solche Schlüsseltechnologie sind intelligente Stromnetze. Diese so genannten Smart Grids sind eine zentrale Voraussetzung, um den Anteil regenerativer Energiequellen im Energiemix signifikant zu erhöhen. «Die chinesische Regierung wird alleine in diesem Jahr über 7 Mrd. US-Dollar in den Ausbau von Smart Grid-Modellprojekten investieren. Damit befindet sich China in diesem strategischen Green Tech-Bereich auf Augenhöhe mit den USA», so Gregor Harter.
Zielgerichtete Planung für CO2-neutrale Städte
Um den Trend zur Urbanisierung und das immense wirtschaftliche Wachstum annähernd umweltverträglich zu gestalten, forciert China eine Reihe visionärer Green-City-Pilotprojekte. «Die Herausforderung für diese nachhaltigen Stadtkonzepte liegt darin, den Einwohnern eine Infrastruktur für einen CO2-neutralen Lebensstil zu bieten und gleichzeitig eine Industrie aufzubauen, die wettbewerbsfähige Green Tech-Lösungen für den Weltmarkt produziert», erklärt Gregor Harter. So wurde die Region um die Stadt Baoding in der östlichen Provinz Hebei durch gezielte staatliche Investitionen zum chinesischen «Green Electric Valley» ausgebaut. Von dort aus rollen mittlerweile über 200 hochspezialisierte Unternehmen den Weltmarkt für Solar- und Windenergieanlagen auf. Allein zwischen 2005 und 2008 vervierfachten sich die hier erwirtschafteten «grünen» Umsätze von 700 Mio. US-Dollar auf 3.5 Mrd. US-Dollar.
Greenport Shanghai
Daneben wurde für die EXPO 2010 mitten im Yangtse-Delta auf einer Insel vor der 14-Millionen-Metropole Shanghai auf einer Fläche von 24 Quadratkilometern der so genannte Greenport Shanghai konzipiert ? ein riesiger Agropark mit überdimensionalen Gewächshäusern, Ställen und angeschlossenen Verarbeitungsbetrieben. Die dort möglichst nachhaltig und umweltgerecht produzierten Lebensmittel sollen Shanghai unabhängiger von Importen machen.
Nicht nur in China müssen die Industrie und staatliche Institutionen in den kommenden Jahrzehnten gemeinsam an ambitionierten und ganzheitlichen Ansätzen für CO2-neutrale Städte arbeiten. «Finanzierbare grüne Technologie ist der Schlüssel zur Lösung dieser zentralen ökologischen und ökonomischen Probleme», so das Fazit von Dr. Edward Tse, Senior Partner, Asienexperte bei Booz & Company sowie Autor des gerade erschienenen Wirtschaftsbuches «The China Strategy». «Für Unternehmen mit schlüssigen Lösungen und Produkten in diesem Segment entsteht im Umfeld der grünen Mega-Cities ein riesiger Zukunftsmarkt.» (Booz & Company/mc)