Merz kritisiert Fokus auf Steuerhinterzieher

In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise würden alle Staaten mit Mindereinnahmen und Mehrausgaben kämpfen. Einige Staaten würden deshalb glauben, die Wurzel allen Übels in der Steuerunehrlichkeit einiger ihrer Bürger, beziehungsweise im ungenügenden Informationsaustausch einzelner Staaten zu erkennen, sagte Merz im KKL in Luzern. «Eine solche Haltung erfüllt mich mit Sorge», sagte der Bundespräsident. Es sei ein schwerwiegender Fehler, wenn sich die Politik einseitig auf die Minderheit der Steuerhinterzieher konzentriere. «Eine solche Politik vergisst die überwiegende Mehrheit der Steuerzahler, die ihren Beitrag an die Staatsfinanzen gewissenhaft und korrekt leisten.»


Wettbewerb und Gunst und Vertrauen der Bürger
Misstrauen stehe dem Staat schlecht an, sagte Merz. Es gebe nämlich auch einen Wettbewerb um die Gunst und das Vertrauen der Bürger. Er sei stolz darauf, dass die Schweiz auch in diesem Wettbewerb einen Spitzenplatz belege.


Erfolgreiche Autonomie der Kantone
Weiter lüftete Merz in seiner Rede ein Geheimnis – wenn auch ein offenes. Er verriet, weshalb die Schweiz im Steuerwettbewerb erfolgreich ist: Jeder der 26 Kantone in der Schweiz betreibe weitestgehende Autonomie in ihrer Finanz- und Steuerpolitik. Jeder Kanton sei selbst verantwortlich für seine Haushaltspolitik und bestimme auch frei über die Höhe seiner Steuern. So sei für die Schweiz Steuerwettbewerb kein Fremdwort. Im Gegenteil. «Er wurde uns bei der Geburt unserers Bundesstaates in die Wiege gelegt», sagte der Finanzminister. Der Steuerwettbewerb garantiere den Bürgern einen massvollen Staat und schütze vor «ineffizienten Steuerkartellen».


Internationale Anerkennung wichtig
Merz gab auch zu, dass zur Stärkung des Schweizer Wirtschaftsstandorts gehöre, dass deren Steuerpolitik international anerkannt wird. Dabei sprach er die vom Bundesrat im März beschlossene erweiterte Amtshilfepolitik an. «Wir sind bereit, im konkreten, begründeten Einzelfall auf Anfrage, auch bei Steuerhinterziehung international Amtshilfe zu leisten», sagte er. Das Bankgeheimnis im Inland sei davon aber nicht betroffen.


Kein multilaterales Abkommen mit der EU
Die Schweiz setze diese Revision konsequent im Rahmen von bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen um. Ein multilaterales Abkommen mit der EU wolle der Bundesrat nicht. «Der Erfolg hat uns Recht gegeben», lobte Merz. In kürzester Zeit hätten sie über ein Dutzend solcher Abkommen ausgehandelt. Als Belohnung habe die OECD die Schweiz wieder von ihrer «ominösen grauen Liste» gestrichen.


Abgeltungssteuer in interessantes Projekt
Weiterhin kein Thema sei für die Schweiz der Übergang zu einem automatischen Informationsaustausch, wie ihn zahlreiche EU-Staaten praktizieren. Dafür sei die Idee einer so genannten Abgeltungssteuer ein interessantens Projekt im internationalen Kontext. Sein Departement prüfe die Vor- und Nachteile eines solchen Systems.


Keine Verhandlung über DBA mit Italien
Im Anschluss an sein Referat stellte sich Merz einigen Fragen. Dabei bekräftigte er, dass die Schweiz den aktuellen Steuerstreit mit Italien genaustens verfolge. Unter den momentanen Umständen komme es aber nicht in Frage, ein Doppelbesteuerungsabkommen weiter zu verhandeln. Er glaube, dass sich dieses Problem nicht ganz so schnell lösen lasse.


Auf die Gaddafi-Affäre angesprochen, sagte Merz, er habe anfangs auf einen schnellen Erfolg der Verhandlungen gehofft. Manchmal müsse man halt Rückschläge in Kauf nehmen. Aber das Ziel, die zwei Geiseln in Libyen schnellstmöglich zu befreien, werde weiterhin intensiv verfolgt. (awp/mc/pg/34)

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