Michael Jeha, Managing Director Christie’s Middle East

von Gérard Al-Fil


Herr Jeha, was hat Christie?s vor vier Jahren motiviert, eine Niederlassung in Dubai zu eröffnen?

Wir haben an unseren Auktionen in London, Genf, an unseren anderen europäischen Adressen und in den USA über Jahre hinweg eine wachsende Beteiligung nahöstlicher Kunstliebhaber beobachtet. Einige unserer grössten Kunden an unserem Hauptsitz in London kommen aus der arabischen Golfregion. Mit dem Aufstieg Dubais zu einem globalen Hub zwischen Europa und Asien war die Golfmetropole für uns eine natürlich Wahl, als wir in den Mittleren Osten expandierten.

Was ist das Thema Ihrer nächsten Aktion am 27. und 28. Oktober in Dubai?

Dies wird eine besondere Autkion für internationale zeitgenössische Kunst. Wir haben dafür eine aussergewöhnliche Sammlung mit 167 Bildern und Skulpturen aus dem Nahen Osten zusammengestellt, darunter aus den Ländern Libanon, Syrien, Ägypten und Saudiarabien. Diese werden ergänzt durch Werke aus dem Mittleren Osten. Darunter sind Exemplare aus dem Iran, Pakistan und Indien. Zur Krönung des Ganzen wird eine Kollektion wichtiger Exemplare aus der Türkei unter den Hammer kommen. Dies wird die bedeutendste Auktion türkischer Kunst, die im Mittleren Osten bislang stattgefunden hat. Am 28. Oktober werden wir ausschliesslich Juwelen und Luxusuhren versteigern. Wir laden also genauer gesagt zu zwei verschiedenen Auktionen ein.

Wo werden die Auktionen stattfinden?

Beide Auktionen werden wie die bisherigen im Ballsaal Godolphin im Hotel Jumeirah Emirates Towers stattfinden. Wir beobachten indes auch in Dubai ein wachsendes Interesse, Gebote über unseren Bieter-Kanal Christie?s LIVE online und in Echtzeit abzugeben. Wir rechnen mit Verkäufen in einer Spannweite von 8 bis 11 Millionen Dollar. An der Spitze steht das Dyptichon «Erinnerung und Dankbarkeit» des ägyptischen Künstlers Ahmed Moustafa, das im Wert in der Preisspanne zwischen 600,000 und 800,000 Dollar geschätzt wird.


«Die Leute sind hier mehr von ihren Emotionen getrieben. Sie legen beim Bieten eine viel grössere Intenisivität an den Tag.»


Wie kann man sich so eine Versteigerung in Dubai vorstellen? Geht es lauter, mitunter hitziger zu als etwa in London oder Zürich?

Nicht unbedingt lauter, aber man spürt schon mehr Energie, mehr Knistern im Raum. Wir heissen in Dubai in der Regel 400 potenzielle Bieter willkommen. Die Leute sind hier mehr von ihren Emotionen getrieben. Sie legen beim Bieten eine viel grössere Intensität an den Tag.

Wer sind ihre Kunden?

Das Emirat Dubai ist ein Schmelztiegel aus nahezu allen Ländern, wenn man die Geschäftsreisenden und Touristen dazunimmt. Die Wohlhabenden unter den Reisenden planen gerne einen Besuch auf unseren Auktionen ein. Im Schnitt haben wir 60 Prozent Bieter aus nahöstlichen Ländern und 40 Prozent aus dem Westen, auch aus Nordamerika.

Welchen Stellenwert räumen Sie der Partnerschaft mit der Credit Suisse AG ein?

Wir schätzen uns glücklich, die Partnerschaft mit der Credit Suisse AG fortsetzen zu können, die auch im Mittleren Osten Früchte trägt. Die Credit Suisse ist eine starke Marke im globalen Private Banking, im Investment Banking und bei der Vermögensverwaltung. Dank der Zusammenarbeit werden Kunden der Bank auf unsere Auktionen aufmerksam. Umgekehrt können wir über das Sponsoring unsere Kunden auf das Angebot der grössten schweizerischen Bank hinweisen. Seit Christie?s in Dubai eine Niederlassung unterhält, haben wir Exemplare für 125 Millionen Dollar verkauft. Im April 2008 ersteigerte ein Bieter eine Skulptur des iranischen Bildhauers Parviz Tanavoli fur 2,8 Milionen Dollar. Das war der höchste Preis, der bis annhin auf einer Auktion im Mittleren Osten erzielt wurde.


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Können teure Exponate in Krisenzeiten eine sichere Anlage sein? Sehen Sie den Kunstmarkt auf dem Wege der Erholung?

In erster Linie erkaufen Sammler und an Kunst und Kultur interessierte Menschen Gemälde, Skulpturen und Schmuck, weil ihnen des angebotene Exemplar gefällt, weil es ihren Geschmack trifft. Andererseits wird einmal erworbene Kunst, teils beabsichtigt, teils unbewusst, zwangsläufig ein Mosaikstein im Anlage-Portfolio eines «high net worth individuals». Zeitgenössische Kunst, wie sie auf unserer kommenden Versteigerung in Dubai im Zentrum steht, und Juwelen können freilich eine stabile Wertanlage für die Zukunft sein. Aber es gibt keine Garantien.


Was die Finanzkrise betrifft, so hat sich die Lage Mitte 2009 stabilisiert. In Dubai und dem Mittleren Osten hat sich der Kunstmarkt im Vergleich zu anderen Regionen als recht resistent gegen Preiseinbrüche und als sehr dynamisch erwiesen.

Ist die Scène d?Art in Dubai vor allem ereignisgetrieben? Mal gibt es eine Auktion, dann sponsert die Deutsche Bank eine Bauhaus-Ausstellung wie im Dezember 2008, gefolgt von der Art Middle East im vergangenen März. Permanente Auktionen und Ausstellungen wie in London, Zürich oder Genf  sind am Persischen Golf eher selten. Man vermisst die Kontinuität.

In Dubai befindet sich der Markt noch im Anfangsstadium. Aber er ist im Kommen. In der Golfmetropole laden inzwischen 200 Galerien zum kontemplativen Rundgang, zum Diskutieren und Verweilen ein. Dies zeigt, dass wir am Persischen Golf auf dem richtigen Weg sind. 

Es gibt Staaten und Organisationen, die werfen der Kunstszene einer Art von Neokolonialismus vor, weil antike Stücke den Herkunftsändern gehören sollten und nicht Bietern aus dem wohlhabenderen Ausland. Zu Recht?

Das ist eine Frage, die wir über mehrere Wochen diskutieren können. Bei uns in Dubai kommt jedenfalls keine antike Kunst unter den Hammer…

… aber Preziosen und teure Uhren, wie Sie sagen.

Hier hat sich Christie?s verpflichtet, internationale Schemata wie beispielsweise den Kimberly Process, der einen weltweiten Handels- und Verkaufsstopp von Diamanten aus Bürgerkriegsgebieten, zum Ziel hat, einzuhalten.

Herr Jeha, wir möchten Sie zum Schluss anhand von drei Fragen näher kennenlernen. Zum Ersten: für welche Kunst würden Sie nie ein Gebot abegeben?

Ich denke, als Kenner der Szene sollte man nichts kategorisch ausschliessen. Das ist ähnlich wie bei unseren Auktionen. Dort begrüssen wir ab und an Bieter, die z. B. nur Bilder in ihrer Villa hängen haben und dann spontan eine Skulptur erwerben. Hinterher erfahren wir im Gespräch, dass sie sich zuvor schwörten, nur Gemälde besitzen zu wollen. Guter Geschmack kennt eben keine Grenzen.

Zum Zweiten: Welchen Stil schätzen Sie im Kunstgewerbe persönlich?

Ich mag zeitgenössische Kunst, vor allem Bilder mit kräfitgen Farben. Ich lege mich aber sonst nicht auf einen bestimmten Stil fest.

Und zum Dritten: Warum haben Sie dann nicht Öl auf Leinwand mit einer zeitgenössichen Note und mit kräftigen Farben hier in Ihrem Büro im Dubai International Financial Centre (DIFC) hängen?

Tja, …das müssten Sie Christie?s in London fragen, warum man mich nicht besser bezahlt, denn dann könnte ich mir ein geeignetes Exponat auch leisten… Aber im Ernst, ich war bisher einfach zu sehr mit dem Aufbau unserer jungen Niederlassung in Dubai beschäftigt, als dass ich mich um die Dekoration meines Büro hätte kümmern können.

Herr Jeha, vielen Dank für das Gespräch.





Zur Person:
Michael Jeha begann seine Karriere beim renommierten Auktionshaus Christie?s in London Anfang 1999. Nach einem Jahr als Trainnee im Bereich Impressionismus und Möbel wurde er im Jahr 2000 Manager in der Abteilung fur Bewertung. 2004 stieg der in London geborene Libanese in der Funktion eines Associate Director zum Leiter des Bereichs für Bewertungsrichtlinien (Valuations Department) für die weltweiten Auktionen von Christie?s auf. Im April 2005 eröffnete Michael Jeha als Managing Director Christie?s Middle East das neue Büro in Dubai, und er war federführend bei der Organisation und Durchführung der ersten Auktion in dem Golf-Emirat im Mai 2006.

Zum Unternehmen:
Christie?s, gegründet 1766 von James Christie, führt jährlich über 450 Auktionen in etwa 80 Kategorien durch. 2008 erzielte das Unternehmen 5,1 Milliarden Dollar Umsatz. Christie?s unterhält 57 Büros in 32 Ländern und 10 Verkaufsräume weltweit, darunter in London (Hauptsitz), New York, Paris, Genf, Zürich, Dubai und Hongkong. «Go East» lautete der Trend in den letzten Jahren bei Christie?s dank neuer Auktionen in Moskau, Peking und im indischen Mumbai.

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