Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Moppert, Totgesagte leben länger. Mit Day scheinen Sie so langsam wieder in komfortablere Zonen zu kommen. Welche Faktoren sind für die Erholung entscheidend?
Michael Moppert: Die Erholung basiert auf drei Faktoren: Erstens verfügen wir heute mit unserer Software Communiqué über eines der weltweit besten Produkte zur Bewirtschaftung komplexer Unternehmens-Inhalte. Der zweite Faktor ist unsere ausgezeichnete Kundenbasis. Mit Kunden wie McDonald?s, DaimlerChrysler, Volkswagen oder DHL hat sich Day einen Platz in der ersten Liga erarbeitet. Dass Unternehmen dieser Grösse und Bedeutung unsere Software einsetzen, ist der beste Leistungsausweis für unsere Software und hat eine sehr positive Signalwirkung im Markt. Zum dritten nimmt Day heute eine international führende Rolle in der Content Management Industrie ein: Wir leiten eine globale Expertengruppe, die gemeinsam einen zentralen Standard für unsere Industrie entwickelt. Unternehmen wie IBM, SUN, Oracle oder SAP unterstützen uns dabei. Sie werden diesen Standard selbst nutzen und es ist klar, dass damit unsere Produktepalette, die selbstverständlich nahtlos auf diesem Standard aufsetzt, eine noch grössere Basis erhält.
«Wir sind ein Software-Unternehmen. Es macht keinen Sinn, gleichzeitig auch Dienstleister spielen zu wollen.» Michael Moppert, CEO & Chairman Day
Das Management besteht nebst Ihnen aus David Nüscheler und zwei Amerikanern (Greg Williams und Mark Walsh).
Geschäftlich scheint Amerika aber keine grosse Rolle mehr zu spielen, die meisten neuen Kunden kommen aus Europa und dort häufig aus der Schweiz. Haben Sie sich bei Ihren Expansionsplänen in die USA übernommen? Wo sehen Sie die grössten Wachstumschancen für Day?
Amerika ist für uns ein bedeutender Markt. Mehr als ein Viertel unserer Kunden kommt mittlerweile aus den USA, Tendenz steigend. Auch bezüglich Auftragsvolumen und Lizenzgrössen ist das amerikanische Kundensegment sehr bedeutend. Ich nenne hier nur McDonald?s, DHL oder Best Western, die unsere Software weltweit einsetzen.
Aber auch unsere grossen europäischen Kunden, wie zum Beispiel die Volkswagen-Gruppe, erwarten von uns, dass wir sie in den USA vor Ort unterstützen. Drittens sehen wir in den USA sehr bedeutende Wachstumsmöglichkeiten. Die Expansion in die USA war somit ein strategisch wichtiger und richtiger Entscheid.
Content Management System (CMS) war eines der Schlagworte der vergangenen Jahre. Systemanbieter zuhauf schossen aus dem Boden und deren Aktienkurse in schwindelerregende Höhen. Übrig geblieben sind nur wenige.
Erste Lösungen auf dem Open Source Markt sind praktisch kostenlos erhältlich. Wie beurteilen Sie heute den Markt der CMS-Anbieter?
Es gibt heute zwei verschiedene Märkte: Zum sind dies einfache, schnelle Lösungen mit klar begrenzter Funktionalität. In diesem Segment wird beinahe nur über den Preis entschieden. Zum zweiten gibt es den Enterprise-Markt, in dem die Ansprüche und Komplexität permanent steigen. Hier ist es insbesondere die Leistungsfähigkeit einer Technologie, die zählt. Unsere Kunden haben sehr hohe Anforderungen und suchen nach einer strategischen Software Plattform, die mit ihren Bedürfnissen wachsen kann und nicht in zwei Jahren wieder ersetzt werden muss. Selbstverständlich muss sich das ganze auch rechnen und unsere Software bietet einen sehr guten ROI (Return on Investment). Aber der Investitionsentscheid wird nicht nur über den Faktor Lizenzpreis gesucht. Andere Elemente, wie zum Beispiel die Zukunftsfähigkeit einer solchen Investition, sind da ebenso entscheidend. In diesem Markt ist unsere Software sehr stark.
Content Management Systeme sind für die Anpassungen immer noch mit sehr intensiver Projektarbeit verbunden. Sie haben den Bereich Consulting stark reduziert und setzen auf Umsetzungspartner. Eine richtige Entscheidung in einer Zeit, da die Lizenzpreise durch Open Source Angebote und die .NET Initiative von Microsoft massiv unter Druck kommen?
Wir sind ein Software-Unternehmen. Es macht keinen Sinn, gleichzeitig auch Dienstleister spielen zu wollen. Dazu arbeiten wir mit führenden Spezialisten zusammen. Zum zweiten hat der Druck auf die Preise von Dienstleistern durch das ganze Outsourcing-Thema extrem zugenommen. Deshalb war der Entscheid, das allgemeine Service-Geschäft and Dritte auszulagern, richtig. Was wir heute noch anbieten, sind lediglich ergänzende Leistungen, wie zum Beispiel Ausbildung und Qualitätssicherung. Hier ist der Margendruck auch noch nicht so extrem.
Beim Thema Lizenzpreis sind bei unseren Kunden insbesondere Effizienzgewinne und Prozessverbesserungen, die durch den Einsatz unserer Software erzielt werden können, entscheidend. Wenn eine Lösung über drei Jahre hinweg effizienter ist und damit im Gesamtbild Kosten gesenkt und die Qualität gesteigert werden kann, so wird dafür auch ein vernünftiger Lizenzpreis bezahlt.
In einer von David Nüscheler angeführten Expertengruppe wollen unter anderen Day, IBM, SAP und Oracle einen neuen Java Standard (JSR170) für Content Management definieren. Auf der einen Seite sind solche Standards begrüssenswert, auf der anderen Seite fehlt mit Microsoft einer der wichtigsten Anbieter für Lösungen im Massenmarkt. Was genau möchten Sie mit diesem Standard erreichen und wie schätzen sie die Position von Microsoft auf dem CMS Markt ein?
Heute herrscht in der IT Industrie bezüglich Content ein vollkommenes Chaos: Zum einen explodiert die Menge von digital abgelegten Inhalten. Zum zweiten gibt es keinen einheitlichen Standard, über den Inhalte aus verschiedenen Applikationen ausgetauscht und genutzt werden können. Wenn Sie zum Beispiel wissen wollen, welche Interaktion ein Unternehmen mit einem Kunden in den vergangenen zwei Wochen gehabt hat, so ist das extrem aufwändig: Wer hat wem wann welches email geschickt? Wann ist welche Rechnung gestellt worden? Welches ist der letzte Stand des Projektplans und welches ist die aktuelle Offerte. Welchen Leistungsumfang haben wir in der ersten Präsentation vorgestellt und wo sind die entsprechenden Meeting-Notes?
Diese Informationen sind in ganz unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichen Schnittstellen abgelegt. Eine Vereinheitlichung dieser Schnittstelle wird die Komplexität und die damit verbundenen Kosten massiv senken. Business-Anwender können schneller und leichter auf Informationen zugreifen. IT-Abteilungen profitieren von dem Standard, da die System-Architektur vereinfacht werden kann. Neue Anwendungen lassen sich sehr viel einfacher integrieren, da sie über eine Standard-Schnittstelle eingebunden werden können.
Kurzum: Was heute in der Welt der Datenbanken normal ist, wollen wir auf den gesamten Bereich von unternehmensrelevanten Informationen ausdehnen.
Diese offene Architektur erlaubt es dem Kunden, frei zwischen verschiedenen Anbietern von Content-Applikationen zu wählen. Diese Offenheit wird heute im Enterprise-Markt gewünscht. Inhalte aus Microsoft-Anwendungen werden selbstverständlich in solchen Systemen problemlos verwaltet. Dass Microsoft selbst allerdings den Standard nutzt, ist wenig wahrscheinlich, da das Unternehmen die Offenheit gegenüber IBM, SUN, SAP oder Oracle ? die alle den Standard unterstützen ? eher scheut.
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Sie haben die Höhen und Tiefen der ersten Internet-Welle erlebt. An der Börse startete Ihre Aktie am 4. April 2000 mit 440 CHF und schnellte auf 780 CHF. Heute steht der Kurs bei 30 CHF. Wie beeinflusst das Ihre Sicht auf Ihre Arbeit und das Unternehmen?
In einer Zeit extrem volatiler Märkte ist es umso wichtiger, sich auf den Kern des Geschäftes zu fokussieren: Die Entwicklung effizienter Content-Lösungen für unsere Kunden. Eine allzu starke Ausrichtung auf das kurzfristige Börsengeschehen, also ein «window-dressing», macht keinen Sinn. Ein Unternehmen wird nun mal nicht über Nacht aus dem Boden gestampft. Das braucht Zeit und viel Arbeit. Wir haben es geschafft, aus einem kleinen schweizer Dienstleister ein internationales Software-Unternehmen mit Blue Chip Kunden in Europe, den USA und Asien aufzubauen. Wir sind heute sehr gut positioniert, verfügen über ausgezeichnete Technologie und haben ein gutes Potential, weiter zu wachsen. Diese Faktoren bilden eine gesunde Basis für eine nachhaltige Wertbildung.
Wenn Sie auf die über 10-jährige Geschichte von Day blicken, was würden Sie heute anders machen und wo wurden Sie in Ihren Entscheidungen bestärkt?
Sicher richtig war der klare Fokus auf unsere Technologie und damit die Entwicklung von einem Schweizer IT-Dienstleister hin zum internationalen Software-Unternehmen. Ebenfalls zentral war die Expansion in die USA. Dieser Schritt ist zwar für europäische Unternehmen schwierig. Aber ich bin überzeugt, dass es heute beinahe unmöglich ist, in der Software-Industrie zu bestehen, ohne im grössten Software-Markt der Welt präsent zu sein.
Weniger Gewicht würde ich hingegen auf kurzfristige Kommentare von Börsen- und Businessanalysten legen. Hier herrschte anfangs der Technologie-Rezession noch zu lange die Meinung vor, dass es sich lediglich um eine «Korrektur» handle. Das ganze Ausmass der IT-Krise wurde zu spät erkannt. Mit dem heutigen Wissensstand würden wir die Krisenjahre 2001 und 2002 zurückhaltender angehen.
Content Management Lösungen wie Ihr Communiqué 3.5 werden fast nur in grösseren Unternehmen eingesetzt. Die grosse Zahl der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz tut sich sowohl finanziell als auch organisatorisch schwer mit dem Thema CMS. Wie beurteilen Sie dieses Segment und wie möchten Sie es mit Ihren Lösungen angehen?
Die effiziente Bewirtschaftung von Informationen wird zunehmend zu einem klaren Wettbewerbsvorteil ? gerade auch für KMUs. Wir bieten für dieses Segment sehr schlanke, effiziente Lösungen an, die aufgrund ihrer schnellen Implementierung und den günstigen Gesamtkosten für KMUs sehr attraktiv sind.
Welche technischen Entwicklungen beurteilen Sie in nächster Zeit als relevant für das Thema CMS und an welchen Erweiterungen für Communiqué arbeitet Day zur Zeit?
Die wichtigste neueste technische Entwicklung ist zweifelsohne der Content- Standard, den wir zur Zeit in Zusammenarbeit mit Firmen wie IBM, Oracle, Sun oder SAP entwickeln. Diese Technologie wird das Zusammenwirken von Business-Applikationen und Content grundlegend vereinfachen. Der Standard, genannt JSR 170, wird sicherstellen, dass Konzerne unternehmensweit auf sämtliche geschäftsrelevanten Inhalte zugreifen können – unabhängig von proprietären Herstellersystemen. Das bedeutet eine enorme Vereinfachung von Prozessen und ein massives Einsparungspotential im Bereich der IT-Kosten. Damit entsteht ein vollkommen neuer Markt: Standardisierte Content Infrastruktur. Als Leiterin des Industrie-Gremiums, das diesen Standard gegen Ende des Jahres einführen wird, ist Day in diesem Bereich weltweit führend. Wir werden dazu in kürze eine ganze Reihe neuer Produkte auf den Markt bringen und damit die Basis für weiteres Wachstum schaffen.
Ein anderes wichtiges Thema ist der Wireless-Markt. Hier entwickeln wir mit unserem amerikanischen Partner WireJack eine Content-Plattform für Mobiltelefonie. WireJack entwickelt Lifestyle- und Marketing-Inhalte für Unternehmen wie Verizon, Alltel, US Cellular, Midwest Wireless oder Bell South International. Day liefert dazu die Software. Mit der gemeinsamen Entwicklung einer Content-Management-Lösung für die mobile Welt erschliessen wir einen neuen, interessanten Markt.
Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Für Day wünsche ich mir die schnelle, weltweite Akzeptanz unseres Content-Standards, denn damit schaffen wir eine ausgezeichnete Basis für unser weiteres Wachstum .
Für die Schweiz wünsche ich mir das Entstehen einer starken Software-Industrie – mit vielen jungen Leuten, die den Mut haben, eigene Unternehmen zu gründen. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz dazu ausgezeichnete Bedingungen bietet und kann diesen Weg nur empfehlen.
Der Gesprächspartner
Jahrgang 1963, geboren in Basel.
Studium an der Uni Basel (Geschichte, Wirtschaft und Soziologie). Während seines Studiums begann Moppert, als Journalist zu arbeiten, unter anderem für die Auslandsredaktion der Basler Zeitung.
Nach Abschluss des Studiums arbeitete er als freier Journalist und Kommunikationsberater. Anfangs der 90er Jahre begann Michael Moppert, sich mit interaktiven Medien zu beschäftigen und gründete 1993 mit zwei Partnern die Multimedia-Agentur Bidule.
Mitte der 90er Jahre begann Moppert, Bidule von einer Schweizer Multimedia-Agentur zu einem internationalen Software-Unternehmen umzubauen.
1998 eröffnete das Unternehmen seine U.S. Niederlassung. 1999 erfolgte die Expansion nach Deutschland und England. Bidule wurde in Day Software umbenannt und im Frühjahr 2000 ging das Unternehmen an die Börse.
Moppert ist CEO und Chairman von Day Software, ist verheiratet und lebt in Basel.