Basel – Migräne betrifft nicht nur Erwachsene, sondern häufig auch Kinder und Jugendliche. Forschende der Universität Basel kommen zum Schluss, dass bei dieser Altersgruppe die vorbeugende medikamentöse Behandlung der Migräne langfristig nicht besser wirkt als Placebos. Die Ergebnisse der Übersichtsstudie, die im Rahmen einer internationalen Kooperation entstanden, sind in der Fachzeitschrift JAMA Pediatrics erschienen.
Migräne wirkt sich bei Kindern und Jugendlichen nicht nur auf ihr Wohlbefinden aus, sondern beeinträchtigt alle Bereiche ihres Lebens. Um Migräneattacken vorzubeugen und die Beschwerden zu mindern, dient die medikamentöse Migräneprophylaxe, für die verschiedene Arzneimittel verwendet werden.
Bisher stützt sich die Behandlung von jungen Patientinnen und Patienten grösstenteils auf Studien mit Erwachsenen. Es ist jedoch fraglich, ob diese prophylaktischen Interventionen für Erwachsene bei Kindern und Jugendlichen eine vergleichbare Wirkung haben. Ausserdem wird vermutet, dass der Placebo-Effekt bei der jüngeren Altersgruppe oftmals stärker ausgeprägt ist.
Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel haben nun in einer internationalen Zusammenarbeit untersucht, welche Arzneimittel für die Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen erfolgreich sind. Bis anhin existierten einzelne Studien, die jeweils ein Medikament einem anderen oder einem Placebo gegenüberstellten. Ziel der systematischen Übersichtsarbeit war es, solche Einzelstudien zusammenzufassen und sie vergleichbar zu machen. Sind eingesetzte Arzneimittel effektiver als Placebos? Und welche Unterschiede bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen gibt es zwischen den Medikamenten?
Keine Langzeitwirkungen im Vergleich zu Placebo
In ihre Netzwerkmetaanalyse bezogen die Forschenden 23 Studien aus dem Zeitraum zwischen 1967 und 2018 mit über 2200 Patientinnen und Patienten ein. Davon erhielt rund ein Viertel ein Placebo, während die andern mit Antiepileptika, Antidepressiva, Calciumkanalblocker, Blutdrucksenker oder Nahrungsergänzungsmitteln behandelt wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass über den Placebo-Effekt hinaus für keine der untersuchten Arzneistoffe eine signifikante Langzeitwirkung (5 bis 6 Monate oder länger) für Kinder und Jugendliche feststellbar war. Einzig für die Wirkstoffe Propranolol und Topiramat konnten kurzfristige Erfolge (weniger als 5 Monate) verzeichnet werden.
«Unsere Studie zeigt also, dass die vorbeugende pharmakologische Behandlung von pädiatrischer Migräne mit all diesen Wirkstoffen kaum effektiver als Placebo ist», sagt Dr. Cosima Locher von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen, dass es weitere Untersuchungen für die Prophylaxe von Migräne bei jungen Patientinnen und Patienten braucht, um Faktoren zu identifizieren, die für die individuelle Wirksamkeit solcher Behandlungen zentral sind. Zudem sollten die Placebo-Effekte spezifisch bei Kindern und Jugendlichen weiter untersucht werden.
Erste Ergebnisse der Basler Forschenden zeigen, dass dies den Weg für innovative Behandlungsmethoden ebnen könnte, unter Berücksichtigung der Erwartungen von Patientinnen und Patienten sowie ihrer Beziehungen zu den Behandelnden. Dies könnte dann die klinische Wirkung medikamentöser Behandlungen verstärken oder solche ohne den Einsatz von Arzneimitteln ermöglichen, so die Forschenden.
Die Studie ist in Zusammenarbeit mit Forschenden der Harvard Medical School, der LMU München und der Technischen Universität München entstanden. (Universität Basel/mc/ps)
Originalbeitrag
Cosima Locher, Joe Kossowsky, Helen Koechlin, Thanh Lan Lam, Johannes Barthel, Charles B Berde, Jens Gaab, Guido Schwarzer, Klaus Linde, & Karin Meissner
Efficacy, Safety and Acceptability of Pharmacological Treatments for Pediatric Migraine Prophylaxis: A Systematic Review and Network Meta-Analysis
JAMA Pediatrics (2020), doi: 10.1001/jamapediatrics.2019.5856
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Weiterführende Links
Editorial: Can We Really Stop Pediatric Migraine?
Klinische Psychologie und Psychotherapie