Die Ausstellung versammelt Arbeiten verschiedener Generationen, die sich durch eine selbstbewusste, nonkonformistische Position auszeichnen. Die japanische Künstlerin Yoko Ono setzte sich seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeiten in den frühen 1960er Jahren, vor der späteren offiziellen Begriffsprägung des Feminismus, kritisch mit geschlechterspezifischen Rollenmustern auseinander und lehnte sich gegen verstaubte gesellschaftliche, hierarchische und patriarchale Strukturen auf. Dabei mied sie den Begriff des Feminismus ? selbst in seiner Hochblüte in den 1970er Jahren. Sie kämpfte wie viele der gezeigten Künstlerinnen für die Auflösung und Dekonstruktion von Grenzen im künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Bereich und plädierte im Beauvoirschen Sinne für die Akzeptanz vieler Identitäten.
Die Künstlerin Katharina Sieverding (*1944) ist bekannt durch ihre grossformatigen Fotografien wie auch für Arbeiten, die auf dem Gebiet der Body Art, der Performance und des experimentellen Films anzusiedeln sind. Sieverding hat bereits in den 1970er Jahren entgegen der Auffassung vieler KünstlerInnen, welche die Fotografie als reines Dokumentationsmittel von Aktionen und Performances verstanden, diese für sich entdeckt und zum Hauptmedium gemacht. Thematisch komplex und vielschichtig kreisen ihre fotografischen Arbeiten um Fragen der Identität und des Subjekts im Geflecht gesellschaftlicher Strukturen ? auch genährt aus dem Kontext des Feminismus, wenn sie mit Geschlechter- und Rollenverschiebungen experimentiert. Meist im Mittelpunkt ist der selbstreflexive Blick auf ihre eigene Physiognomie. Ihre Arbeiten stehen im Schnittpunkt zwischen Gesellschaft und Individuum und reagieren präzise auf herrschende gesellschaftliche Zustände. Mit provokativen Bildern wie «Deutschland wird deutscher», in dem sie auf rechtsradikale Vorfälle nach dem Mauerfall reagierte, provozierte Sieverding einen politischen und öffentlichen Skandal. Die Arbeit «Transformer» (1973) zeigt in Doppelbelichtung das Konterfei der Künstlerin, das sich mit demjenigen ihres Partners Klaus Mettig überlagert, und kreiert so ein fiktives androgynes Gesicht, welches durch unterschiedliche Belichtungen, Posen und Kontraste kontinuierlich verändert wird. Bei jeder minimalen Veränderung zeigt sich dabei eine neue Facette des Ausdrucks. Das Gesicht erscheint als sphinxartige, gespenstische Maske oder androgyne, unbestimmte Wesenheit, begriffen in unentwegter Transformation wechselnder Identitäten.
1,2,3,…10, wie niet weg is, is gezien, (1999)
Die Künstlerin Mathilde ter Heijne (*1969) arbeitet vor allem mit Video und Installationen und interessiert sich für psychologische und sozialpolitische Themen, kollektive Dramen und Tragödien, in denen im Kernpunkt meist das weibliche Subjekt steht. Das Verknüpfen von Fiktion und realem Dokumentationsmaterial zu einer brüchigen Narration zieht sich strategisch wie ein roter Faden durch das Werk der Künstlerin. Der Titel der Arbeit «Women To Go» (2005) ist wörtlich zu verstehen: Die Besucher können zwischen über 300 Postkartenmotiven wählen und einige Exemplare mit nach Hause nehmen. Die Vorderseiten der Karten zeigen Porträtfotografien anonymer Frauen, die zwischen 1800 und 1900 lebten oder geboren wurden. Auf der Rückseite sind Kurzbiografien von Frauen aus derselben Epoche nachzulesen, deren Leben für die damalige Zeit als aussergewöhnlich bezeichnet werden kann. Die Arbeit wirft die Frage auf, warum Frauen trotz grosser Leistungen in der Geschichtsschreibung keinen angemessenen Platz gefunden haben. Da Bild und Biografie nicht zueinander gehören, wird zusätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um konstruierte Vorbilder für Frauen von heute handelt, die einmal mehr kostenlose Produkte im Warenkreislauf sind.
Mary Beth Edelson (*1933) gehört zu den Künstlerinnen, deren Werk am pointiertesten feministischen Auseinandersetzungen verpflichtet ist. Edelson arbeitet medien- und themenübergreifend; das Untersuchen von nicht traditionellen Repräsentationsformen der Frau und des weiblichen Körper bildet den Hauptgegenstand ihrer künstlerischen Praxis. Edelsons Werke weisen sich aus durch eine sehr persönliche visuelle und textuelle (Meta-)Sprache; sie arbeitet mit Strategien der Aneignung von gefundenem Bildmaterial, welches sie neu gestaltet und dekontextualisiert. Die sie beschäftigenden Inhalte verhandelt sie stets auf einer humorvollen Ebene. Keltische Mythen, Philosophie, spirituelle Themen, europäische Kunstgeschichte, politische und feministische Theorien sowie die Diven des Hollywood-Films finden Eingang in ihre Arbeiten und werden demontiert, dekonstruiert und neu kombiniert. In der berühmten Arbeit «Some Living American Woman Artist / Last Supper» (1972), welches sich als Vorlage Leonardo Da Vincis «Abendmahl» aneignet, schnitt Edelson die Köpfe der männlichen Figuren aus und ersetzte diese durch Köpfe von Künstlerinnen. Damit wird das männliche Heilige deterritorialisiert, die dem Männlichen vorgehaltene Domäne des Göttlichen und des Erhabenen eingenommen und auf reale Zustände institutionalisierter Religion und deren patriarchalische Strukturen aufmerksam gemacht.
Die Schweizer Künstlerin Manon beschäftigt sich seit 1974 mit den Themen der Identität und Selbstdarstellung. Manon (re)präsentiert sich selbst durch und mit Requisiten, Insignien und Environments, die ihren persönlichen Kosmos vermitteln. Die Liberalisierung der Sexualität und die Befreiung von gesellschaftlichen Regeln sind Grundpfeiler ihrer Arbeit. Manon, die sich nebst ihren Environments als eine der ersten Performance-Künstlerinnen der Schweiz einen Platz in der Kunstgeschichte eroberte, nahm oft selbst an ihren Inszenierungen teil oder aber setzte bis zu 60 Statisten und Statistinnen in verschiedenen Rollen ein. «Das lachsfarbene Boudoir», 1974 entstanden, war Manons allererste Kunstaktion und wird erstmals für die Ausstellung im migros museum für gegenwartskunst rekonstruiert. Das Boudoir ist die Nachbildung von Manons (damaligem) Schlafzimmer, welches die Künstlerin öffentlich gemacht hatte. Die Zurschaustellung eines intimen Raumes seitens einer Künstlerin war seinerzeit – in der männlich dominierten Kunstwelt – eine beispiellose Aktion und Provokation, die durch die Bezeichnung des Raumes als «Boudoir» noch überspitzt wurde: Historisch gesehen ist das Boudoir der Inbegriff einer weiblichen Architektur und als private Rückzugsmöglichkeit Pendant zum Herrenzimmer. Das Boudoir, nach der Wende zum 20. Jahrhundert allmählich verschwunden, ist ein Raum, welcher die Intimität des Weiblichen idealisiert und verkörpert und ein Panoptikum einer femininen Topografie aufzeigt. Manons kabinettartiger, üppig ausgekleideter und erotisch aufgeladener Raum zeigt durch die persönlichen Briefe und Fotografien das autobiografische Moment, welches den Raum zur architektonischen Verkörperung von Manon werden lässt.
Cosey Fanni Tutti (*1951), die als Fotomodell für Männermagazine und als professionelle Striptease-Tänzerin gearbeitet hat, schafft aus diesen in der Sexindustrie gemachten Erfahrungen und den damit verbundenen Implikationen heraus ihre künstlerischen Arbeiten. International bekannt wurde die Künstlerin mit Throbbing Gristle, einer Industrial/Noise-Band, wie auch seit den frühen 1970er Jahren als Mitglied der Performance-Gruppe COUM. Die Gruppe provozierte das britische Publikum und die Kunstszene mit politischen und sexuellen Überschreitungen, die 1976 mit der skandalträchtigen und legendären Ausstellung «Prostitution» im Londoner ICA ihren Höhepunkt fanden. Hier zeigte Tutti die als Nacktmodell entstandenen, in Magazinen publizierten Bilder und bezeichnete diese legitimatorisch als «Performance Art». Damit wurden die Bilder einerseits in den Status eines Kunstwerks erhoben, und gleichzeitig wurde Kunstkritik geübt. Tutti, die ihre Arbeit als Pin-up-Modell als Rollenspiel versteht, beschäftigt sich in ihrem Schaffen mit Begrifflichkeiten wie Authentizität und Maskerade und der Konstruktion multipler weiblicher Identitäten. Tuttis Einzelwerk stiess bei der Kritik auf Unverständnis: Von männlichen Kritikern wurde ihre Arbeit marginalisiert ? von feministischen Kritikerinnen für kontraproduktiv befunden. «Life Forms» (1973?79) dokumentiert in jeweils drei Farbfotografien die Arbeitsfelder einer Performerin, die sowohl als Künstlerin wie auch als professionelle Stripperin und Nacktmodell tätig gewesen war. Dazu erläutert Tutti auf Texttafeln ihre Situation in diesen Bereichen, die alle auf je eigene Weise die Institutionalisierung und Objektivierung weiblicher Körper betreiben.
Die multimedial agierende Künstlerin Annie Sprinkle (*1954) wurde bekannt durch ihre Performance «Public Cervix Announcement» bei der sie das Publikum einlud, ihren Gebärmutterhals mittels Spekulum und Taschenlampe zu betrachten um «den weiblichen Körper zu entmystifizieren». Sprinkle, die Kunst und Pornografie miteinander verbindet, arbeitet meist explizit mit ihrem eigenen Körper und vermochte sowohl im subkulturellen Kunstbetrieb als auch in der Mainstream-Szene kontroverseste Diskussionen zu provozieren. Sprinkle erforscht und erkundet Sexualität in all ihren Formen. Ihre Erkenntnisse macht sie in ihren Filmen, fotografischen Arbeiten, Performance-Darbietungen wie auch in Workshops und Lesungen zugänglich. Sprinkle setzte sich ausserdem für die Rechte von Sexarbeiterinnen und deren Gesundheitsvorsorge ein. Auch war sie eine der zentralen Protagonistinnen der feministischen «Sex-Positive»-Bewegung in den 1980er Jahren. In ihrer Kunst setzt sich Annie Sprinkle stets auf einer humorvollen Ebene mit dem Thema der Sexualität auseinander ? gewissermassen dem Dadaismus und der Fluxus-Bewegung verpflichtet, welche sie selbst als Motivation für die Weiterführung ihrer bisherigen Arbeit in der Pornoindustrie in die Kunst angibt. Als Strategie umschreibt sie zum Beispiel ihren Beruf «Hure» als ehrenhaft und kehrt damit die historisch verletzende Konnotation des Begriffs um. In der schwarzweissen Fotoserie «Bosom Ballet» formt Annie Sprinkle mit ihren in schwarze Opernhandschuhen gekleideten Hände ein imaginäres Ballet mit ihren Brüsten. Der manierierte und kunstvolle Umgang mit ihrem Busen verwandelt ihren Oberkörper in einen skulpturalen, ästhetisierten Torso. Die Fotoarbeit ist aus ihrer gleichnamigen Performance-Show heraus entstanden, in der Sprinkle ihre Brüste zu Musik jeweils tanzen liess.
Entlastungen, Pipilottis Fehler (1988)
Pipilotti Rist (*1962), seit Mitte der 1980er Jahre Pionierin auf dem Gebiet der Schweizer Videokunst, ist bekannt durch ihre mittels technischer Effekte farblich und akustisch verfremdeten Filme. Ihre Arbeiten kennzeichnen sich durch die Freude an optischer, akustischer und haptischer Sinnlichkeit. Rist hat in ihrer Videokunst schon früh Themen wie Sexualität, Geschlechterdifferenz und der weibliche Körper aufgegriffen und sich in den feministischen Diskurs eingeordnet. International bekannt wurde sie mit der Video-Arbeit «Pickelporno» (1992) in der das Thema um den weiblichen Körper und dessen Erregung kreist: Die Kamera bewegt sich sehr dicht an den Körpern eines nackten Paares entlang ? die kameratechnische Hummelflug-Ästhetik wurde zum Kennzeichen von Rists filmischem Schaffen. Die Bilder sind solarisiert und in intensive Farben getaucht, sodass die Körperformen in der Seherfahrung des Zuschauers fremd, sinnlich und vieldeutig wirken. Der Film war für Rist ein Ansatz mit einer femininen Pornografie zu experimentieren.
Die japanische Künstlerin Yoko Ono (*1933) veranstaltete bereits in den 1950er Jahren Happenings und Performances und zählte als Avantgardekünstlerin zu einer der treibenden Kräfte der Fluxus-Bewegung. Viele ihrer Arbeiten sind auch in den Zusammenhang von Kunstrichtungen wie der Concept Art und der Body Art zu stellen. Die Diversität ihrer Arbeiten zeigt, wie Ono immer versucht hat klassische Gattungsgrenzen innerhalb der Künste aufzubrechen und neu zu formulieren. Eine ihrer bekanntesten Arbeiten ist die Performance «Cut Piece» (1964/65) in der Yoko Ono emotionslos und passiv in traditioneller japanisch-weiblicher Pose vor das Publikum kniete und dieses aufforderte mit einer Schere ein Stück ihrer Kleidung abzuschneiden, bis sie beinahe nackt war. Damit sicherte sie sich in der Kunstgeschichte der Performance einen Platz und nahm inhaltlich Bezug auf den geschlechterspezifischen Blick. Die Performance wird heute als protofeministischer Konzeptualismus beschrieben. Der Song «Walking On Thin Ice» wurde von Yoko Ono gemeinsam mit John Lennon ? kurz vor seiner Ermordung – 1980 in New York für das Album «Double Fantasy» produziert. 1981 wurde der Song als Single aus dem Album ausgekoppelt und katapultierte sich innerhalb kurzer Zeit in die Top 10 der U.S. Charts und wurde so zu Onos «Pop Masterpiece». Der energetische Song ist eine Mischung aus kühlem «New Wave» und durch den eingängigen Bass- und Rockgitarrenbeat auch aus «Dance». Das Video zeigt Ono im winterlich grauen New York. Immer wieder sind private Aufnahmen der Lennon-Familie hinein montiert. Die intimen, voyeuristischen Bilder aus der Partnerschaft mit Lennon kontrastieren mit dem kühlen Sound des Songs und der tristen Atmosphäre der urbanen Umgebung und schaffen eine emotional geladene Stimmung.
Die Künstlerin Patty Chang (*1972) wurde bekannt für ihre Solo-Performances, in welchen das psychologische Innere und das physische Äussere des Körper im Mittelpunkt stehen. Chang führt in den Performances jeweils alltägliche Tätigkeiten aus, die sie dekontextualisiert und jeweils knapp über die Grenzen des visuell Erträglichen ausdehnt. Der Betrachter oszilliert dabei zwischen Ekel und Voyeurismus. In der Video-Arbeit «Melons (At a Loss)» von 1998 blickt Chang ? gekleidet in einem engen Mieder ? frontal in die Kamera und erzählt von ihrer an Brustkrebs verstorbenen Tante. Mit einem Messer schneidet sie das eine Körbchen des Büstenhalters durch, anstatt eines verstümmelten Busen wird jedoch eine aufgeschnittene Melone sichtbar. Diese beginnt sie geräuschvoll mit einem Löffel auszuhöhlen und isst deren Fleisch, angestrengt weiter sprechend. Die Melonenfrüchte funktionieren als metaphorische Zeichen- und Assoziationsträger, wobei der Körper mit seiner Repräsentation verschränkt ist und die Handlung an sich grotesken Charakter annehmen lässt.