Milliarden-Skandal: Société-Générale-Chef Bouton unter Druck
Bouton könne «zur Verantwortung gezogen» werden, sagte Justizministerin Rachida Dati dem Radiosender France Info. Das Geldinstitut sei in einer Krise. Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuvor bereits gesagt, die Affäre könne «nicht ohne Konsequenzen» seitens der Verantwortlichen bleiben. Bouton hat mehrfach seinen Rücktritt angeboten, den der Verwaltungsrat der Bank bislang ablehnt. Der Skandal sollte auch das Gipfeltreffen Grossbritanniens, Deutschlands, Frankreichs und Italiens am Abend in London beschäftigen. Nach Übernahmegerüchten drehte der Kurs der Aktie erstmals kräftig ins Plus.
Verlust von fast 5 Mrd. Franken
Der 31-jährige Aktienhändler Jérôme Kerviel soll der Société Générale mit vertuschten Spekulationen auf den Verlauf der wichtigsten europäischen Aktienindizes einen Verlust von fast fünf Milliarden Euro beschert haben. Mit ausgleichenden Scheinbuchungen schaffte er es monatelang, die Warnsysteme der Bank ausser Kraft zu setzen. Die Ermittler werfen ihm Fälschung, Vertrauensmissbrauch und unerlaubtes Eindringen in Computersysteme vor. Ein Pariser Gericht eröffnete Montagabend ein Verfahren gegen Kerviel, setze ihn aber nach zweitägigem Polizeigewahrsam auf freien Fuss. Die Richter wiesen den Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, wegen versuchten Betruges zu ermitteln. Kerviel habe sich nicht persönlich bereichert, hiess es zur Begründung.
Anzeige wegen des Verdachts auf Insiderhandel
In der Affäre hat daneben ein Anwalt im Namen von rund 100 Kleinanlegern Anzeige wegen des Verdachts auf Insiderhandel erstattet. Im Visier steht Verwaltungsratsmitglied Robert Day, Präsident der US-Investmentfirma Trust Company of the West (TCW). Nach Angaben der französischen Börsenaufsicht AMF hat Day am 9. Januar Société-Générale-Aktien im Wert von fast 86 Millionen Euro und erneut am 18. Januar für fast 41 Millionen Euro verkauft. Die Société Générale hatte seit Anfang vergangener Woche die angehäuften Terminkontrakte Kerviels im Wert von etwa 50 Milliarden Euro in «Notverkäufen» abgestossen, bevor sie am Donnerstag die Affäre bekannt machte. Day habe wie das Bankhaus selbst vorher nichts von den Machenschaften gewusst, erklärte das Institut.
Kerviel kein «Einzeltäter»?
Das Management steht zudem unter Druck, seitdem Staatsanwalt Jean-Claude Marin bekanntgegeben hat, die Bank sei bereits im November 2007 von der Derivatebörse Eurex wegen der Geschäfte Kerviels angesprochen worden. Kerviel habe angegeben, auch andere Händler hätten wie er spekuliert, wenn auch in geringerem Masse, fügte Marin hinzu. Die Bank sieht Kerviel als Alleintäter, was Experten wegen seines hohen Handelsvolumens aber bezweifeln.
Aktienkurs leicht erholt
Die Aktien der Bank drehten am Dienstag erstmals wieder ins Plus. Am Nachmittag lagen die Titel zeitweise bei 78,24 Euro, einem Plus von mehr als 10 Prozent. Im Mai 2007 hatte die Aktie noch 162 Euro gekostet. Die Regierung bekräftigte, das Bankhaus vor einer möglichen feindlichen Übernahme schützen zu wollen. Die Regierung werde dies nicht zulassen, sagte Premierminister François Fillon. Als mögliche Käufer sind die BNP Paribas und die britischen Bankhäuser HSBC und Barclays im Gespräch. Frankreich ist in den vergangenen Jahren mehrfach auf Kritik der EU-Partner, vor allem Deutschlands, gestossen, weil es die Übernahme von Firmen durch ausländische Unternehmen verhindert hat.
Wirtschaftsministerin Christine Lagarde kündigte an, bis Freitag einen Bericht zu der Affäre vorlegen zu wollen. Die Bank steht auch wegen anderer Affären im Blickpunkt. Vom 4. Februar an muss sie sich einem Prozess wegen Geldwäsche stellen. (awp/mc/pg)