Mini-Steueramnestie: Nationalrat für straflose Selbstanzeige und Erbenamnestie

Obschon es nur um eine Mini-Amnestie ging, die der Ständerat praktisch oppositionslos durchgewinkt hatte, war das Geschäft im Zweitrat stark umstritten. Bevor er die Details regeln konnte, musste der Rat mit 141 zu 23 Stimmen einen Nichteintretensantrag der Grünen abwehren. Die Vorlage widerspreche der Steuergerechtigkeit und sei ein völlig falsches Signal, fand Ruth Genner (ZH). Die SP war zwar für Eintreten, doch gingen ihr die Zugeständnisse viel zu weit. In der Schweiz werde Steuerhinterziehung noch immer als Kavaliersdelikt behandelt, sagte Hildegard Fässler (SG).


Unrecht in Recht verwandeln?
Die FDP, die SVP und die grosse Mehrheit der CVP stellten dem Postulat der Gerechtigkeit das Anliegen gegenüber, dem Staat entgangenes Steuersubstrat wieder zuzuführen. Die allgemeine Steueramnestie von 1969 habe 11,5 Milliarden Franken zutage gefördert, sagte Kommissionssprecher Hans Kaufmann (SVP/ZH).


Kein schönes Kapitel
«Das ist kein schönes Kapitel», räumte Finanzminister Hans-Rudolf Merz ein. Steuerhinterziehung sei aufs Schärfste zu verurteilen. Es brauche nun aber Anreize, «um Unrecht in Recht zu verwandeln». Eine ideale Lösung aus ethischer und fiskalischer Sicht gebe es nicht. Nach lebhafter Debatte folgte die grosse Kammer mit kleinen Differenzen dem Konzept von Bundesrat und Erstrat, wobei die linksgrüne Kommissionsminderheit regelmässig auf der Strecke blieb.


Bussenrabatt für Wiederholungstäter
Nach dem Willen des Parlaments soll einmal im Leben straffrei bleiben, wer eine bisher unerkannte Steuerhinterziehung offenlegt und die Steuerbehörden vorbehaltlos unterstützt. Bezahlen muss er nur die ordentliche Nachsteuer und den Verzugszins für höchstens zehn Jahre. Belohnt wird auch eine wiederholte Selbstanzeige. In diesem Fall wird die Busse von in der Regel hundert Prozent auf ein Fünftel der hinterzogenen Steuer ermässigt. Die Minderheit bekämpfte diesen «rechtsstaatlichen Skandal», scheiterte aber mit 64 zu 101 Stimmen. Auch den Antrag, die Busse nur auf die Hälfte zu senken, lehnte der Rat klar ab. Der Mechanismus der straflosen Selbstanzeige gilt gegen den entschiedenen Widerstand des links-grünen Lagers auch für Unternehmen. Anstifter, Gehilfen oder Mitwirkende einer Steuerhinterziehung sollen davon unter den gleichen Voraussetzungen Gebrauch machen können wie die Steuerpflichtigen.


Erleichterungen für Erben
Die vereinfachte Nachbesteuerung von Erben passierte mit 98 zu 59 Stimmen. Wenn Erben die Steuerhinterziehung Verstorbener deklarieren, sollen sie Nachsteuer und Verzugszins nur noch für die drei letzten Steuerperioden vor dem Todesjahr des Erblassers bezahlen müssen. Heute beträgt der Zeitraum zehn Jahre. Die Minderheit bekämpfte diesen Teil der Vorlage besonders energisch, weil damit die Erben ehrlicher Steuerzahler schlechter führen als solche von Steuerhinterziehern. Sie versuchte es noch mit einer Verlängerung der Nachsteuerperiode auf fünf Jahre, zog aber auch hier den Kürzern.


Grosse Amnestie noch nicht vom Tisch
Die in der Gesamtabstimmung mit 96 zu 57 Stimmen gutgeheissene Vorlage ist das, was von jahrelangen Diskussionen um eine Steueramnestie übrig blieb. Einen allgemeinen Gnadenakt wie in den 40er-Jahren und letztmals 1969 hatte der Bundesrat mit breiter Unterstützung abgelehnt. Ganz liess der Nationalrat die Idee einer allgemeinen Steueramnestie aber nicht fallen. Mit 92 zu 67 Stimmen verlängerte er die Frist für eine Tessiner Standesinitiative und einen Vorstoss der inzwischen ausgeschiedenen Barbara Polla (LPS/GE) um zwei Jahre. Bundesrat und Kommissionsminderheit hatten das Thema ad acta legen wollen. (awp/mc/gh)

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