Professionelles Personalmanagement ist heute ohne den Ausweis messbarer Ziele und ökonomischer Ergebnisse nicht mehr denkbar. Auch Personalexperten sollten somit in der Lage sein, sich in der Sprache der Wirtschaft auszudrücken – in Franken und Rappen. Vor diesem Hintegrund präsentiert der Beitrag von Christian Scholz, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, den wir hier auszugsweise wiedergeben, zehn Mehrwerte einer ökonomisch-monetären Bewertung des Humankapitals, wie sie mit Hilfe der Saarbrücker Formel möglich ist.
Nutzen 1: Kapital erhalten
Zur Bewertung von Personalmassnahmen werden gegenwärtig Instrumente wie Gemeinkostenwertanalyse, Rentabilitätsanalysen, Wertschöpfungsvergleiche und Deckungsbeitragsrechnungen eingesetzt. Bei allen ihren Stärken haben diese Ansätze eines gemeinsam: sie fokussieren stark auf Personalkosten und haben damit eine eingebaute Automatik zum Personalabbau. Nebenwirkungen auf Motivation, Akquisition und Bindung von Mitarbeitern geraten dabei zwangsläufig in den Hintergrund.
Anders verhält es sich bei der ökonomischen Bewertung des Humankapitals: Hier geht es um den Wert des Humankapitals als positiv anzusehende Bestandsgrösse und um seine Bedeutung als Investition. Die Bewertung des Humankapitals verdeutlicht, wo eine ausschliessliche Kostenfaktorbetrachtung des Personals zu Fehlentwicklungen führt beziehungsweise wie diese unter Betonung der Kapitalerhaltung zu vermeiden sind.
Nutzen 2: Risiken lokalisieren
Das zum 1. Mai 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verpflichtet Kapitalgesellschaften in Deutschland zu einem expliziten Risikomanagement. Auch in der HR-Due-Dilligence bedarf die Prüfung der personellen Situation von Unternehmen im Mergers & Acquisitions-Prozess (M&A) einer Abschätzung personalwirtschaftlicher Risiken mit der erforderlichen Sorgfalt. Auch wenn dies oft übersehen wird: sowohl beim KonTraG wie bei M&A sind gerade personelle Risiken zentrale Fragestellungen – die gravierende Haftungsrisiken beinhalten.
Eine ökonomische Bewertung des Humankapitals dient vor diesem Hintergrund als wichtiges und aus Sorgfaltserwägungen unverzichtbares Frühwarninstrument: da sie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, beantwortet sie die Frage, inwieweit Unternehmen dauerhaft mit dem vorhandenen Humankapital rechnen können. Hierzu gehört unter anderem das Halten der Mitarbeiter (Retention) als Wertbeitrag einer dauerhaften Verfügbarkeit des Humankapitals. Umgekehrt weisen negative Werteinflüsse im Bereich der Personalbindung auf drohende Risiken hin.
Nutzen 3: Wissen managen
Wissensmanagement ist in aller Munde. Doch bei allen Verdiensten: oft sind Wissensbilanzen nichts anderes als Datensammlungen zur Personalstruktur, zur Anzahl der männlichen und weiblichen Mitarbeiter oder zum Prozentsatz der Akademiker. Geht es aber tatsächlich um den ökonomischen Wert des Mitarbeiterwissens, so ist ein Mehrwert nur zu erkennen, wenn die monetären Dimensionen von Wissensverlust, technologischem Wandel oder Wissensauffrischungen der Belegschaft abgebildet werden.
Deshalb setzt die ökonomische Humankapitalbewertung der Saarbrücker Formel ausdrücklich auf die Wissensrelevanzzeit. Wenn dadurch bestehende Wissensmanagementaktivitäten und Wissensbilanzierungen anschlussfähig an eine ökonomische Humankapitalbewertung sind, wird auch deren konkreter Nutzen für ein Managen des Wissens erkennbar.
Nutzen 4: Transparenz erhöhen
Ein Nutzen der ökonomischen Humankapitalbewertung besteht darin, zu verstehen und zu kommunizieren, aus welchen Grössen sich das komplexe Gebilde «Human Capital» überhaupt zusammensetzt und wie diese Komponenten zu bewerten sind. Auf diese Weise wird die wertmässige Grundstruktur des Humankapitals nicht nur transparent, sondern auch kommunizierbar und differenziert steuerbar.
Nutzen 5: Konsequenzen bewerten
Häufig wird lediglich die Kostendimension der Personalarbeit gesehen. Die positiven Wirkungen personalwirtschaftlicher Aktivitäten hingegen können Personalverantwortliche allenfalls intuitiv abschätzen. Mit einer Humankapitalbewertung lassen sich dagegen unmittelbar die ökonomischen Konsequenzen geplanter und realisierter Massnahmen ablesen.
Nutzen 6: Resultate kontrollieren
Mit einer ökonomischen Humankapitalbewertung sind Veränderungen des Humankapitals in einzelnen Beschäftigtengruppen und Unternehmensbereichen untereinander sowie im Zeitablauf vergleichbar. Damit ist es möglich, unternehmensinterne Best Practices zu identifizieren, die den Weg in eine erfolgreiche Personalarbeit weisen.
Gleiches ist im unternehmensübergreifenden Vergleich möglich, wenn die eigenen Humankapital-Kennzahlen zu denen der Wettbewerber in Relation gesetzt werden. Sind die Spielregeln eines solchen ökonomischen Human-Capital-Managements bekannt, so führt dies zu mehr Wettbewerb. Ein Verstecken hinter konsequenzenlosen Phrasen wie «Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital!» ist dann nicht mehr möglich, da Resultate konkret kontrollierbar werden.
Nutzen 7: Personalfunktion legitimieren
Als «Verursacher von Kosten» ohne direkt auf sie zurechenbare Erfolge krankt die Personalfunktion häufig daran, ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen zu müssen. In Zeiten von Rationalisierungsdruck und Outsourcing sind daher Kennzahlen zu den wertmässigen Ergebniswirkungen – etwa von Personalentwicklung oder Motivation der Belegschaft – gesucht. Nur wenn die Personalfunktion tatsächlich «zuständig für das zentrale Kapital» ist und auch in Euro und Cent nachweisen kann, wie es sich (möglichst zum Positiven hin) verändert, schafft dies Akzeptanz und Glaubwürdigkeit.
Vielfach wird gefordert, die Personalabteilung habe sich als strategischer Business-Partner zu etablieren. Dazu ist die Bewertung von Humankapital eine zentrale Voraussetzung, die letztlich bis zu testierfähigen Wertansätzen für Personal reichen wird. Auf diesem Wege wird dann nicht bloss die Existenzberechtigung, sondern weitergehend die strategische Bedeutung der Personalfunktion unter Beweis gestellt. Im Ergebnis erhöht dies ihre Legitimation in vielfältigen Aktivitätsfeldern.
Nutzen 8: Strategiebezug verbessern
Personalstrategien kranken oft daran, dass sie kaum mehr als eine Ansammlung wohlklingender Lippenbekenntnisse sind. Dies wird spätestens dann deutlich, wenn man selbstkritisch überprüft, wer im Unternehmen die strategischen Ziele wirklich kennt. Den konkreten Handlungsbezug und eine explizite ökonomische Ausrichtung sucht man ohnehin meist vergebens.
Die konsequente Bewertung des Humankapitals bietet eine Chance zu vollkommen neuen, erfolgssteigernden Personalstrategien. So lässt sich eine vage Aussage wie «das Identifizieren, Halten und Qualifizieren der Leistungsträger» in Euro-Werte übersetzen und Handlungsdruck unmittelbar offen legen. Aus der unverbindlichverbalen Personalstrategie werden konkrete Ziele sichtbar wie Reduktion des Fluktuationsrisikos, Erhöhung des Commitments oder der
vollständige Ausgleich des (wertmässigen) Wissensverlustes, die es zu erreichen gilt. Derartige Kennzahlengerüste sind dann umso angemessener, je konkreter ihr unmittelbarer Strategiebezug ist.
Nutzen 9: Banken-Rating verbessern
Zur Beurteilung des Kreditrisikos nehmen Banken verstärkt Ratings vor: Vor allem wegen Basel II, das Ende 2006 in Kraft getreten ist, müssen Firmenkunden deutlich umfangreichere und aktuelle Informationen über sich und ihre Geschäftsaktivitäten vorlegen, wenn sie Kredite zu vernünftigen Konditionen erhalten wollen.
Bei dieser Prüfung kann der Nachweis des ökonomischen Humankapitalwertes eine wichtige Rolle spielen: Unternehmen signalisieren durch aktives Human-Capital-Management nicht nur, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und innovative Themen angehen. Vielmehr können sie ihre Ausgangssituation bei Verhandlungen um Kredite sowie ihre Rating-Ergebnisse verbessern, wenn sie auch den Wert ihrer Intangible Assets belegen und den Wert des Humankapitals rechnerisch nachweisen.
Nutzen 10: Personalarbeit professionalisieren
Gegenwärtig wird richtigerweise viel über die Professionalisierung des Personalmanagements geschrieben. Doch schön gefärbte Selbsteinschätzung hilft hier nur wenig – zumal wenn gelegentlich dubiose Methoden zum Nachweis einer angeblichen Professionalisierung zum Einsatz kommen.
Ein wesentlich härteres Kriterium für Professionalisierung ist die jedoch Fähigkeit, den Wert des Humankapitals richtig zu erfassen und in der betriebswirtschaftlich anerkannten Dimension, in Euro, auszudrücken. Professionalisierung bedeutet daher nicht, den Mitarbeiter auf seinen Euro-Wert zu reduzieren. Professionalisierung bedeutet vielmehr, sich auf die Ökonomisierung im Sinne einer solchen Bestimmung des betriebswirtschaftlichen Wertes einzulassen. (saarbruecker-formel.net/mc/ps)
Mehr zum Thema:
Scholz, Ch.; Stein, V.; Bechtel, R.:
Human Capital Management. Wege aus der Unverbindlichkeit,
Luchterhand 2004.
Saarbrücker Formel-Netzwerk
Im Saarbrücker Formel-Netzwerk werden vielfältige Aktivitäten rund um die ökonomische Bewertung des Humankapitals initiiert.
– In Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller Pecaso (Heidelberg) wird an einer SAP-Anbindung der Saarbrücker Formel gearbeitet.
– Für den interessierten Mittelstand existiert «zum Einstieg» eine webbasierte Online-Version der Saarbrücker Formel.
– Zusammen mit PricewaterhouseCoopers (München) läuft zurzeit ein Pilotprojekt mit DAX-30-Unternehmen und es wird die Prüfungstauglichkeit einer Berichterstattung über das Humankapital untersucht.
– Mit ADP (Neu-Isenburg) wird gegenwärtig eine Kooperation zur Umsetzung der Saarbrücker Formel im Peoplesoft-Umfeld vorbereitet.
Weitere Informationen gibt Stefanie Müller, Telefon: +49 681 302 41 20, sm@orga.uni-sb.de .