Was bisher geschah
Aktuell ist die Abschaffung des Eigenmietwertes in der Schweiz in aller Munde. Wie die Medien ausführlich berichteten, nimmt das Parlament einen neuen Anlauf, den Eigenmietwert durch ein neues System der Wohneigentumsbesteuerung abzulösen. Am 21. August präsentierte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Ständerats die Eckdaten hierzu.
Rahmenbedingungen und Ausnahmen
Die genaue Ausgestaltung des Vorschlages der WAK wird erst im Frühjahr 2019 publik werden. Die bisher kommunizierten Eckdaten gestalten sich wie folgt:
- Abschaffung Eigenmietwert für Hauptwohnsitz
Ausnahme: Zweitwohnungen, hier wird der Eigenmietwert beibehalten (den Bergkantonen sollen grosse Steuerausfälle erspart werden) - Abschaffung Abzugsfähigkeit von Kosten für den Liegenschaftenunterhalt
- Abschaffung Abzugsfähigkeit von Kosten für energetische Sanierungen und denkmalpflegerische Arbeiten Ausnahme: Auf kantonaler Ebene sollen diese Abzüge weiterhin möglich sein.
- Abschaffung Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen auf selbstgenutztem Wohneigentum
Ausnahme 1: Renditeobjekte. Hier wird die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen beibehalten, denn der Mietertrag muss auch weiterhin als Einkommen versteuert werden.
Ausnahme 2: Ersterwerber. Hier soll während 5-10 Jahren nach Kauf weiterhin die Möglichkeit bestehen, Schuldzinsen in Abzug zu bringen. Der diesbezügliche Betrag soll gedeckelt werden und über die Jahre stetig sinken.
Ausnahme 3: Vermögenserträge. Steuerpflichtige, die Wertpapiere halten und daraus Vermögenserträge erzielen, könnten Hyposchuldzinsen weiterhin in Abzug bringen. Die WAK wird hier voraussichtlich zwei Varianten von Abzügen (80 und 100% der Vermögenserträge) ins Rennen schicken.
Intakte Erfolgsaussichten
Es ist unschwer zu erkennen: Keine Regel ohne Ausnahme. Und hier liegt wohl auch der grösste Stolperstein des neuerlichen Anlaufs zur Abschaffung des Eigenmietwertes.
Die Chancen, dass die Abschaffung dieses Mal gelingt, beurteilen wir als gut bis sehr gut: Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbandes, frohlockt schon fast über die Ausgewogenheit der von der WAK präsentierten Eckdaten. Er weiss aber auch, dass die Abschaffung ihren Preis haben wird. Und sogar der Mieterverband, der bisher alle diesbezüglichen Initiativen mit Erfolg bekämpfte, ist nun grundsätzlich positiv gestimmt, stellt allerdings die Ausgestaltung in Frage (was ihn dann vermutlich dazu bewegen wird, doch eher eine ablehnende Haltung einzunehmen).
Knacknuss bleibt somit die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen. Davon hängen auch die Einflüsse auf die verschiedenen Personengruppen ab. Wir gehen später noch auf diesen Aspekt ein.
Roadmap zum Systemwechsel
So oder so wird es keinen schnellen Systemwechsel geben. Der Weg zur Abschaffung des Eigenmietwertes könnte wie folgt aussehen:
- Behandlung im National- und Ständerat an der Frühjahrs-Session 2019 (4. bis 22. März). Annahme: Beide Räte stimmen der Abschaffung des Eigenmietwertes zu.
- Sobald der Erlass amtlich veröffentlicht wird (3 Tage nach Entscheid), kann der Beschluss durch ein sogenanntes fakultatives Referendum angefochten werden.
- Damit das Referendum zustande kommt, müssen innerhalb von 100 Tagen 50’000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Die Einreichung müsste also bis ca. Mitte Juni 2019 erfolgen.
- Ausgehend davon, dass dies geschieht, wäre durch die Einreichung des gültigen Referendums eine Volksabstimmung notwendig.
- Erfahrungsgemäss wird die Volksabstimmung einige Monate nach dem Zustandekommen des Referendums angesetzt. Damit könnte die Abstimmung frühestens Ende 2019/Anfangs 2020 angesetzt werden.
- Lehnt das Stimmvolk das Referendum ab, wäre die Einführung des neuen Gesetzes bzw. die Abschaffung des Eigenmietwertes aufgrund von Erfahrungswerten aus anderen Vorlagen frühestens per 1. Januar 2021 möglich.
Auswirkungen
Die nachstehenden Überlegungen basieren auf der Annahme, dass der Eigenmietwert unter den oben beschriebenen Rahmenbedingungen und Ausnahmen abgeschafft wird.
- Immobilienpreise
Wir gehen davon aus, dass sich eine Aufhebung des Eigenmietwertes in einer moderaten Erhöhung (im tiefen einstelligen Prozentbereich) der Immobilienpreise niederschlagen wird. Es gilt hier allerdings festzuhalten, dass die Entwicklung des Immobilienmarktes auch von vielen anderen Faktoren abhängig ist. - Hypothekarvolumen
Kurz- und mittelfristig werden die bestehenden Hypotheken vermehrt (teil-)amortisiert. Dies spüren die Kreditgeber auf dem Hypothekarvolumen in ihren Büchern. Aufgrund der aktuell tiefen Zinsen erachten wir eine Abzahlung der Hypothek gegenwärtig allerdings als mässig attraktiv.
Längerfristig macht die Abschaffung des Eigenmietwertes Wohneigentum attraktiver, es ist also mit einer höheren Wohneigentumsquote und daher mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf zu rechnen. - Bautätigkeit
Viele aufgeschobene oder auf mittlere Frist geplante Renovationen werden noch vor der Abschaffung der Abzugsfähigkeit durchgedrückt. Entsprechend profitiert die Bauindustrie kurzfristig von vermehrten Investitionen in Sanierungsvorhaben. Dadurch verbessert sich die Werthaltigkeit der Liegenschaften. Das befürchtete Ausbleiben von Unterhaltsarbeiten auf die lange Frist erachten wir als wenig realistisch. Wir gehen davon aus, dass Renovationen in ähnlichem Ausmass wie vor der Abschaffung der Abzugsfähigkeit getätigt würden. Energetische Modernisierungen sind auf kantonaler Ebene weiterhin abzugsfähig, was aus ökologischer Sicht nur zu begrüssen ist und schlussendlich zu deutlich tieferen Nebenkosten führt. - Verschuldungsquote Schweizer Privathaushalte
Die tatsächliche Verschuldung der Haushalte wird am Anteil der Hypothek an den gesamthaft verfügbaren Assets (inkl. Gelder der 2. und 3. Säule) gemessen. Im Gegensatz zur blossen Betrachtung der Belehnung wird so nicht nur die Höhe der Hypothek berücksichtigt, sondern es werden die tatsächlichen Vermögenswerte miteinbezogen.
Hypothekarschuldner nehmen im Schnitt eine Hypothek auf, die in etwa dem Doppelten der gesamten aktuellen Vermögenswerte entspricht. Dies allerdings zu einem Zeitpunkt ihres Lebens (um 40 Jahre), an dem ihnen noch jahrzehntelanger Vermögensaufbau bevorsteht. Die Verschuldungsquote der Schweizer Privathaushalte wird daher sinken. - Steuereinnahmen
Die WAK hat den Auftrag, die Revision «haushaltsneutral» zu gestalten. Kurzfristig wird es für die WAK ein Husarenakt werden, die von der EStV geschätzten Mindereinnahmen von rund CHF 700 Mio. in eine Haushaltsneutralität umzuwandeln. Die Vorlage sieht Wegfälle auf der Einkommens- (Eigenmietwert) und Abzugsseite (Unterhalt & Hypozinsen) vor. Sollte sich dies nicht haushaltsneutral ausgestalten lassen, führt für die WAK wohl kaum ein Weg an einer alternativen Lösung vorbei. Eine Erhöhung des Vermögenssteuertarifes könnte eine Möglichkeit sein.
Rechenbeispiele und Handlungsempfehlungen
Um die verschiedenen Personengruppen und deren individuelle Situation visibler zu machen, haben wir vier Rechenbeispiele erstellt.
Familie Wehrli, Wohlen (AG)
Familie Wehrli hat sich in Wohlen (AG) mit einem schmucken und zahlbaren Reiheneckhaus den Traum vom Eigenheim erfüllt. Rolf Wehrli (35) ist Informatiker, Nicole Wehrli (33) arbeitet zwei Tage in der Woche als kaufmännische Angestellte. Ihre beiden Kinder sind im schulpflichtigen Alter. Ein Erbvorbezug hat den Traum von Wohneigentum möglich gemacht.
Bei der Finanzierung entschied sich Familie Wehrli für eine höhere Hypothek und die Verpfändung von Pensionskassen-Geld. Dank der höheren Hypothek hat Familie Wehrli neben dem Erwerbseinkommen zum Leben stets genügend liquide Mittel auf dem Konto. Durch die Verpfändung der Pensionskasse fallen keine Kapitalbezugssteuern an und die Leistungen im Vorsorgefall sind unvermindert. Mit dieser Lösung ist Familie Wehrli sicher und kostengünstig unterwegs.
Durch die Abschaffung des Eigenmietwertes freut sich Familie Wehrli über eine um CHF 1200 tiefere Steuerrechnung.
Empfehlung: Sollte Familie Wehrli Erbschaften erhalten oder grössere Vermögenswerte ansparen, ist eine Teilamortisation der Hypothek zu prüfen. Eine individuelle Vermögens- und Vorsorgeanalyse ist in diesem Zusammenhang unabdingbar.
Familie Lindberg, Kilchberg (ZH)
Familie Lindberg wohnt in Kilchberg (ZH). Lars Lindberg (37) ist als Mitarbeiter eines globalen IT-Konzerns in die Schweiz gekommen. Seine Frau Nadja (35) lernte er in Zürich kennen. Sie arbeitet 80% als Oberärztin im lokalen Spital. Sohn Johan (2) besucht an vier Tagen eine Tagesmutter.
Familie Lindberg hat sich dank der günstigen Hypozinsen für die maximal mögliche Hypothek entschieden. Der Hypozinssatz von 1.6% p.a. wirkt sich nach Steuern aufgrund des hohen Grenzsteuersatzes mit nur 1.1% auf das Budget der Familie Lindberg aus. Das so zusätzlich verfügbare Budget erlaubt es ihnen, sich gegen Erwerbsausfälle abzusichern und durch Pensionskasseneinkäufe für ihr Alter vorzusorgen. Da nicht nur die Hypothekarzinsen, sondern auch Einzahlungen in die zweite und dritte Säule steuerlich abzugsfähig sind, spart Familie Lindberg gleich doppelt.
Mit der Abschaffung des Eigenmietwertes würde Familie Lindbergs Steuerbares Einkommen um rund CHF 7000 sinken, da der Eigenmietwert wegfällt. Familie Lindberg freut sich unter dem Strich über geringere Steuern.
Empfehlung: Familie Lindberg sollte die Hypothek weiterhin hochhalten. Auch falls sie nicht vom geplanten Ersterwerberabzug profitieren könnte und in Zukunft die vollen 1.6% Hypozins aus dem Budget finanzieren sollte, gewinnt sie dank der zweiten und dritten Säule nicht nur Sicherheit, sondern spart auch bares Geld.
Herr García, Schwyz (SZ)
Fernando García (68) hat seinen Malerbetrieb in die Hände seines Nachfolgers gelegt und geniesst nun seinen Ruhestand in den eigenen vier Wänden. Seine finanziellen Verhältnisse erlauben ihm regelmässige Reisen in seine Heimat Südspanien.
Bei der Finanzierung hat sich Herr García mit 65% für die für einen Rentner höchstmögliche Hypothek entschieden, um möglichst viel Hypothekarzinsen vom steuerbaren Einkommen abziehen zu können. Einen Teil seines Vermögens hat er in Wertschriften angelegt, welche sich erfreulich entwickelt haben.
Da Herr García über Wertschriftenerträge verfügt, kann er auch nach Abschaffung des Eigenmietwertes weiterhin Schuldzinsen von den Steuern abziehen.
Er freut sich über eine CHF 2000 (pro Jahr) tiefere Steuerbelastung. Herr García entschliesst sich jedoch, bei der nächsten Hypothekenablösung die Hypothek mehrheitlich zu amortisieren. So bleibt ihm zwar weniger Bargeld auf dem Konto, doch spart er Hypothekarzinsen.
Empfehlung: Herr Garcia sollte bei der Teilamortisation der Hypothek, welche prima vista Sinn macht, nicht vergessen, dass für künftige Renovationen und Unterhaltsarbeiten, beispielsweise ein neues Dach, eine Verschönerung des Gartens oder ein neues Bad, Kapital nötig sein wird. Entweder er bestreitet diese Kosten aus dannzumal noch verfügbarem Wertschriftenvermögen oder Kontoguthaben, oder er fragt sein Hypothekarinstitut für eine Erhöhung der Hypothek an. Erfahrungsgemäss werden Hypothekarerhöhungen an Rentner eher zurückhaltend gewährt. Es empfiehlt sich daher eine umfassende Beratung unter dem Aspekt einer langfristigen Planung.
Frau Schmid und Herr Meissner, Jona (SG)
Claudia Schmid und Frank Meissner (beide 58) haben sich in Jona (SG) ein schmuckes altes Bauernhaus gekauft, welches sie seit 8 Jahren in liebevoller Handarbeit renovieren. Für schwierigere Arbeiten ziehen sie professionelle Handwerker bei.
Um über die Jahre genügend Bargeld für die Sanierungen und Erneuerungen zu haben, entschieden sich Frau Schmid und Herr Meissner für eine Hypothek mit Rahmenvertrag, bei welchem eine Aufstockung der Hypothek zu späterem Zeitpunkt bereits eingeplant und von der Bank geprüft ist. So kommen sie unkompliziert und mit geringem Aufwand an die zusätzlich benötigten Barmittel, ohne zusätzliche grundbuchamtliche Gebühren zahlen zu müssen.
Bisher hatten Frau Schmid und Herr Meissner von verschiedenen Abzügen profitiert: neben dem Hypothekarzins-Abzug und dem Abzug für Unterhaltsarbeiten brachten sie auch energetische Sanierungen und denkmalpflegerische Arbeiten in Abzug. Die Abzüge für Hypothekarzins und Unterhaltsarbeiten würden in Zukunft wegfallen, weshalb sich die steuerbaren Einkommen von Frau Schmid und Herr Meissner erhöhen würden. Nach dem Wegfall des Eigenmietwertes rechnen beide mit einer steuerlichen Mehrbelastung von rund CHF 500 pro Jahr.
Empfehlung: Frau Schmid und Herr Meissner sollten die anstehenden Investitionen genau planen. So viele der werterhaltenden Arbeiten wie möglich sollten vor der Abschaffung des Eigenmietwertes durchgeführt werden. Energetische Sanierungen und denkmalpflegerische Arbeiten bleiben zumindest auf kantonaler Ebene auch künftig abzugsfähig und könnten somit auch noch später durchgeführt werden. Wertvermehrende Investitionen sind vom Systemwechsel zwar nicht betroffen, sollten im Sinne einer optimierten Budgetallokation aber nicht vor der Abschaffung des Eigenmietwertes durchgeführt werden. (MoneyPark/mc/ps)