MSC-zertifizierte Flotten plündern Sprotten
Zürich – Weil die dänische und schwedische industrielle Fischmehl-Fischerei in der Nordsee in grossem Stil die am Kollaps stehenden Bestände der Sprotten plündert, hat der WWF Einspruch gegen ihre erneute MSC-Zertifizierung eingereicht.
Der WWF kritisiert die angekündigte MSC-Zertifizierung einer industriellen Fischmehl-Fischerei in der Nordsee und hat formell Einspruch dagegen eingereicht. Aus Sicht der Naturschutzorganisation offenbaren sich in dem Fall strukturelle Mängel und eine Fehlinterpretation des Nachhaltigkeitsstandards, die sich negativ auf die Biodiversität der Nordsee auswirken können. Die dänisch-schwedische Fischerei auf Sandaal, Sprotte und Stintdorsch war schon einmal unter Auflagen MSC-zertifiziert. Nach fünf Jahren lief die Zertifizierung aus, ohne dass die Auflagen, welche Überfischung verhindern sollen, erfüllt wurden. Nun wird die Fischerei nach zweijähriger Pause mit denselben Auflagen wieder für fünf Jahre in das MSC-Programm aufgenommen.
Zitate Catherine Vogler, Fischerei-Expertin WWF Schweiz:
»Dieses fragwürdige Vorgehen enthüllt grosse Schlupflöcher im MSC-Standard: Die betroffene Fischerei soll das MSC-Label erhalten, obwohl sie Bestände von Sprotten fischen, die in der Zwischenzeit kollabiert sind – und das mit Schleppnetzen, die in Meeresschutzgebieten nichts verloren haben. Zudem haben die Fischereien in den vergangenen sieben Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Diese Kombination hat kein Nachhaltigkeitszertifikat verdient.»
»Es ist nicht nachvollziehbar, dass es im MSC-Standard keine Rolle spielt, ob eine Fischerei in Meeresschutzgebieten operiert, wo besonders hohe Ansprüche an Umweltverträglichkeit gelten müssten. Dieser Widerspruch beschädigt die Glaubwürdigkeit des Labels.»
Im MSC-Standard ist zudem der Schutz von ökologisch wertvollen Schwarmfischarten verankert. Weil der Standard in diesem Fall nicht korrekt angewendet wurde, dürfen viel mehr Sandaal und Sprotte vom Ökosystem entnommen werden als verträglich ist. Als Nahrung für grössere Raubfische wie Kabeljau, aber auch für Schweinswale, Robben und Seevögel sind die kleinen Schwarmfische unersetzlich. Werden Sandaal und Sprotte stark überfischt, wirkt sich das negativ auf die marine Artenvielfalt der Nordsee aus. Die Flotte entnimmt dem Ökosystem der Nordsee 200’000 Tonnen Fisch, mit dem dann auch Zuchtlachs gefüttert wird, der im Supermarkt verkauft wird. So bekommen auch Konsumentinnen in der Schweiz die Folgen dieser Fischerei auf den Teller.
Der WWF fordert den MSC auf, den Schutz der kleinen, ökologisch wichtigen Fischarten nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis sicherzustellen. Zudem muss der MSC den Schutz von Meeresschutzgebieten im Standard verankern. Die betreffenden Fischereien sollen zuerst die vor sieben Jahren erlassenen Auflagen erfüllen, wenn sie das Zertifikat nochmals erhalten möchten. (WWF/mc/hfu)
Wie steht der WWF zum MSC-Label? Der MSC ist aus ökologischer Sicht derzeit das strengste auf dem Markt erhältliche Label für Fisch aus Wildfang. Der WWF sieht jedoch deutliche Mängel beim MSC. Das zeigt auch die steigende Anzahl der vom WWF eingereichten Beanstandungen einzelner MSC-Zertifizierungen sowie die Aufforderungen nach Verbesserungen des Standards. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Weltmeere muss der MSC sicherstellen, dass sein Standard dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und den besten weltweit verfügbaren Methoden entspricht. Es ist wichtig, dass beim MSC-Label genau hingeschaut wird. Der WWF erwartet und setzt sich dafür ein, dass der MSC seine Schwächen behebt, indem er seine Richtlinien strikt umsetzt und wo nötig rasch weiterentwickelt. |