Muhammad Yunus: «Die Quelle meines Schaffens waren Frauen in Not»

von Gérard Al-Fil


Am Sonntag begann in Dubai das 15. International Islamic Finance Forum (IIFF). Zum Auftakt berichtete der Gründer und Chairman der bangladischischen Grameen Bank, Prof. Dr. Muhammed Yunus, über die Anfänge der Mikrofinanzkredite an arme Einzelunternehmer und Bettler in seiner Heimat. Der 68-jährige Ökonom, auch unter dem Titel «Bankier der Armen» bekannt, erhielt für sein Lebenswerk im Kampf gegen die Armut im Jahr 2006 den Friedensnobelpreis. Im selben Jahr wurde Yunus in St. Gallen auch der Freiheitspreis der Max-Schmidheiny-Stiftung verliehen.


Professor Muhammed Yunus sagte auf der IIFF-Konferenz in Dubai…


…warum Mikrokredite besser sind als Spenden:
«Mit Spenden lindert man nur kurzfristig Not, weil Spenden die Menschen um ihre Initiative berauben. Kapital wird nur dann produktiv, wenn der Kreditnehmer auch motiviert wird, seine Talente und Resourcen so einzusetzen, dass er davon leben kann.»


…was ihn dazu veranlasste, eine Bank zu gründen:
«Ich bin Bankier aus Zufall. Als ich sah, wie in meinem Land Bangladesch selbständig arbeitende Frauen ausgebeutet werden, beschloss ich, etwas dagegen zu tun. Eine Frau, die mit Bambushandwerk Geld verdiente, muste beispielsweise Kredit bei dem selben Händler aufnehmen, der ihr die Ware abkaufte. Er bestimmte obendrein noch den Preis der Ware. Diese Form der Finanzsklaverei hat mich schockiert. Das war 1976, also Jahre nach dem Krieg zwischen Pakistan und Indien, als Ostpakistan zu Bangladesch wurde. Es brauchte noch drei Jahre, bis man mir eine Bankenlizenz erteilte. Die Quelle meine Schaffens waren von Beginn an Frauen in Not.»


…zur Vergabe von Mikrokrediten:
» Wir haben eine Checkliste mit über 40 Kriterien, um zu prüfen, ob jemand wirklich arm ist. Das bedeutet: die Grameen Bank geht den umgekehrten Weg der konventionellen Banken. Denn sonst vergeben Banken bevorzugt Kredite an Menschen, die schon ein Vermögen besitzen. Wir aber vergeben sogar an Bettler Mikrokredite. Sie selbst entscheiden dann, wann sie den Kreidt abbezahlen. Nur so kommen die Ärmsten der Armen wieder auf die Beine, kann deren Elend gelindert werden. Die Kunden unserer Bank sind sub- sub- sub-prime. Mehr «sub» ist nicht möglich. Deshalb arbeiten wir auch mit Banken aus Staaten wie Somalia oder dem Sudan zusammen, um dort die Idee der Mikrokredite zu verbreiten.»


…über die Rolle der Frauen in der Wirtschaft:
«Frauen denken in der Wirtschaft in partnerschaftlichen Kriterien, weil sie auch privat zuuerst an ihre Kinder denken und dann sich selbst. Männer denken dagegen zuerst an sich selbst und dann lange an nichts. Im Gegensatz zu anderen Banken fragen wir unsere Kundinnen nicht, ob deren Ehemann mit der Kreditaufnahme einverstanden ist. Stattdessen regen wir ein Treffen mit beiden Ehepartnern an und organisieren Rollenspiele, beispielsweise was der Mann mit dem Geld tun würde und ob die Frau die Arbeit verrichten soll und das Finanzmanagement lieber ihrem Mann überlässt und dergleichen mehr. Interessant ist, dass die Männer in Bangladesch das Modell der Mikrokredite zunächst ablehnten, weil es den Frauen zuviel Freiheiten geben würde. Dies hat auch zu Spannungen in einigen Familien geführt. Aber inzwischen wird meine Grameen Bank von der Gesellschaft akzeptiert, weil jeder die Erfolge im Kampf gegen Armut und Hunger mit eigenen Augen sehen kann.»


…über den amerikanischen Ökonomen Jeffrey D. Sachs….
«Herr Sachs hat behauptet, Mikrokredite seien schön und gutaber sie würden die Umweltprobleme in den armen Ländern nicht lösen. Dabei weiss Herr Sachs gar nicht, was ein Mikrokredit ist. In dem wir armen Menschen und sogar Bettlern helfen, die ersten Schritte aus der Armut zu unternehmen, lindern wir gerade auch Umweltprobleme. Denn Armut und ein argloser Umgang mit der Natur gehen oft Hand in Hand.»


Das 15. IIFF, das sich seit 2002 als «Davos rund um Koran und Kapital» etabliert hat, tagt noch bis zu diesem Mittwoch, 17. April, im Jumeirah Beach Hotel in Dubai.

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