Was ist Malerei? Was ist ein Bild? Wie werden Bilder wahrgenommen? Gerhard Richter, fraglos einer der bedeutendsten Maler unserer Zeit, formuliert diese Fragen mit jedem seiner Bilder wieder neu.
Vorhang III (hell) | Curtain III (bright), 1965, GR 56, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 200 x 195 cm, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin.
Seine Mittel und Methoden erscheinen paradox – und sind dabei dennoch von bestechender Konsequenz. Vom Fotorealismus bis zur Monochromie, von der Historien- bis zur abstraktenFarbfeldmalerei, von industriell hergestellter Minimal-Konzeptkunst bis zur gestisch-expressiven Malerei hat Richter das gesamte Spektrum der Malerei des 20. Jahrhunderts durchgespielt und dabei dennoch eine unverwechselbar eigene Bildsprache erarbeitet.
Verzicht auf das ureigenste Mittel: Farbe
Ein Phänomen zieht sich wie ein roter – oder besser: grauer! – Faden durch sein Werk: der Verzicht auf das ureigenste Mittel der Malerei – die Farbe. Etwa ein Drittel seines umfangreichen OEuvres kommt ohne Farbe aus bzw. beschränkt sich auf eine Skala von Schwarz-, Weiss- und Grautönen, die gemeinhin als „Nichtfarbe“ gelten. Das museum franz gertsch untersucht erstmals diesen zentralen Aspekt im Werk Gerhard Richters und zeigt mit rund 30 Gemälden einen faszinierenden Querschnitt durch diese Malerei, die im konsequenten Verzicht auf Farbe das Innerste der Malerei freilegt.
Canaletto, GR 727, 1990, Öl auf Leinwand | oil on canvas, 250 x 350 cm, Privatsammlung | Private Collection Berlin.
Geste der Farbverweigerung
Das Spektrum reicht zeitlich von den frühen 60er Jahren bis
in die unmittelbare Gegenwart, thematisch von den figurativen Bildern in den klassischen Genres Stillleben, Landschaft, Porträt und Historienbild über monochrom graue Bilder, abstrakte Vermalungen, Rakel- und Schlierenbilder bis hin zu den grauen Spiegeln. Den Abschluss der Ausstellung bilden schliesslich Richters Farbtafeln, die der Geste der Farbverweigerung die
Farbe als industrielles Rohmaterial des Malers konzeptuell gegenüberstellen. (mfg/mc/th)
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Julia Gelshorn, Elke Kania, Doris Krystof und Reinhrad Spieler im Hatje Cantz Verlag (dt./engl., 104 S., CHF 45,– / 29,80)
Vögel | Birds, GR 21, 1963, Öl auf Leinwand, 150 x 190 cm, Privatsammlung.
Wie es zum Museum kam?
Der grosse Gedanke des Willy Michel, VR, Disetronic Holding AG
Das museum franz gertsch ist ein privat finanziertes Museum, das dem Werk von Franz Gertsch gewidmet ist. Auf gut der Hälfte der Ausstellungsfläche zeigt das Museum daneben auch Wechselausstellungen mit zeitgenössischer Kunst.
Im April 1998 kam es zu einem Treffen zwischen dem Burgdorfer Industriellen Willy Michel, VR-Präsident der Disetronic Holding AG, und dem Künstler Franz Gertsch in seinem Atelier in Rüschegg. Bereits beim ersten Anblick der Arbeiten von Franz Gertsch war Willy Michel fasziniert, und schon bald nach dieser ersten Begegnung fasste er den Entschluss, in Burgdorf auf dem zentral gelegenen Areal der ehemaligen Milka Käserei AG ein Museum für eine zukünftige Gertsch-Sammlung zu errichten.
Fundierte Erfahrung für ein gutes Konzept
von li. nach re.: Reinhard Spieler, Franz Gertsch, Willy Michel
Aus einem schon zuvor für das Areal ausgelobten städtebaulichen Wettbewerb war das Schweizer Architekturbüro Jörg & Sturm als Sieger hervorgegangen. Willy Michel beauftragte das Büro mit dem Museumsprojekt, der Baubeginn erfolgte im Sommer 2000; schon im Oktober 2002 konnte das Museum feierlich eröffnet werden.
Den Grundstock der Museums-Sammlung bildet die im Herbst 2001 gegründete stiftung willy michel. Willy Michel brachte fünf Gemälde und einige Holzschnitte, Franz Gertsch ein weiteres Konvolut an Holzschnitten als Schenkung in die Stiftung ein. In einer einzigartigen Konstellation verfügt das Museum nun über das lückenlose Gesamtwerk des Künstlers im Zeitraum 1987-2002. Ein mit Jean-Christophe Ammann (ehem. Direktor Museum für Moderne Kunst, Frankfurt a.M.), Guido de Werd (Direktor Museum Kurhaus, Kleve), Rainer Michael Mason (Direktor Cabinet des Estampes, Genf), Norberto Gramaccini (Ordinarius am Institut für Kunstgeschichte, Bern), Peter Everts (ehem. CEO des Migros-Konzerns), Willy Michel und Franz Gertsch hochkarätig besetzter Stiftungsrat steht dem Museum in wichtigen Fragen beratend zur Seite.Als dynamischer und innovativer Unternehmer beschreitet Willy Michel auch bei der Finanzierung des Museums neue Wege. In einem Pionier-Modell wurde dem Museum die kommerzielle galerie im park zur Seite gestellt, die unter dem Motto „Kunst für Kunst“ ihre Erträge zu 100 % in das Museumsbudget einbringt und so zur Finanzierung des Museums beiträgt. Jeder Kauf in der Galerie dient so dem Museumsbetrieb. Die galerie im park vertritt Franz Gertsch exklusiv für die Schweiz und zeigt darüber hinaus ein Programm mit junger internationaler Kunst.