Historische Fotografien legen Zeugnis ab von der Schönheit dieser Prunkbauten, die im ausgehenden 19. Jahrhundert von den ersten europäischen Besuchern mit Bewunderung beschrieben wurden. Zwar sind heute nur noch wenige Paläste aus vorkolonialer Zeit erhalten, dennoch ist der Sitz der Monarchen nach wie vor Mittelpunkt des Dorflebens. Spezialisierte Werkstätten mit professionellen Bildhauern, Töpfern, Gelbgiessern und Schmieden fertigten eine überquellende Fülle von Objekten, um den unermesslichen Reichtum des Hofes sichtbar zu machen.
Kraftvoll und packend
Grandiose Holzskulpturen bilden den Schwerpunkt der Ausstellung. Dazu gehören die häufig mannshohen Thronsessel, deren Rückenlehnen und Sitzflächen mit Schnitzereien von Leoparden, Elefanten, Schlangen oder Portraits verstorbener Fürsten versehen sind. Diese Throne dienen selten als Sitzgelegenheit, sondern primär der Demonstration königlicher Macht. Häufig mit tausenden, für viel Geld importierten Glasperlen bunt verziert, entsprechen diese majestätischen Throne in Grösse und Form dem hierarchischen Rang der Mitglieder der Königsfamilie und der Adligen.
Die Verfassung hockt hinter den Masken
Die Legitimität der Könige basiert auf ihrer Ernennung durch einen direkten Vorfahren und der Anerkennung durch den Geheimbund. Dieser überwacht und kontrolliert die politischen und wirtschaftlichen Handlungen der Könige und setzt damit der scheinbar unlimitierten Machtfülle der Monarchen eine Grenze. Bei schweren Verstössen hat ein Geheimbund sogar die Möglichkeit, einen unfähigen König abzusetzen. Diese Bünde besitzen bedeutende Masken, die das politische und soziale System der Königtümer regulieren und stützen.
Mit Zaubermedizinen wirksam und gefährlich gemacht, werden sie nicht nur von Nichtinitiierten gefürchtet. Die teils in kühnen Proportionen, teils in fast grotesker Weise überzeichneten Masken werden oft als Aufsatzmasken getragen und wirken so äusserst eindrucksvoll.
Von der Schönheit der Königsmütter
Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen Gedenkfiguren, die der Erinnerung verstorbener Könige und Königsmütter dienten. An den Königshöfen des Bangwa-Gebietes entstanden kraftvolle und vitale Formen, die in der afrikanischen Kunst als einzigartig gelten. Ungewöhnlich an diesen Figuren ist ihre raumgreifende Bewegtheit, die die für die afrikanische Kunst übliche statische Strenge durchbricht. Diese äusserst expressiven Skulpturen erregten die Bewunderung der europäischen Avantgarde, allen voran der Künstler-Gruppe «Brücke», die 1905 in Dresden gegründet wurde. Die Kunst des Kameruner Graslandes war eine wichtige Inspirationsquelle für die Entwicklung der «Brücke»-Künstler. Im Werk von Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938) sind nicht wenige Arbeiten zu finden, die durch Masken und Figuren aus dem Grasland direkt beeinflusst wurden. Diesem Thema widmet sich die Kabinett-Ausstellung «Ernst Ludwig Kirchner und die Kunst Kameruns», die zeitgleich mit der Kamerun-Ausstellung gezeigt wird.
Das Museum Rietberg präsentiert mit Leihgaben aus ganz Europa, den USA und Afrika die bisher umfassendste Ausstellung zur Kunst des Kameruner Graslands. Ein grosser Teil der gezeigten Werke stammt aus deutschen Völkerkundemuseen. Da Kamerun im Jahre 1884 bei der Berliner Konferenz zu deutschem Kolonialgebiet erklärt worden war, gelangten bis zum Ende der Kolonialregierung im Jahre 1914 eine grosse Zahl von Objekten nach Deutschland.
Die Ausstellung umfasst über 150 Werke und wird ausschliesslich in Zürich gezeigt. Dank dem Entgegenkommen der vielen Leihgeber präsentiert das Museum Rietberg eine Auswahl der bedeutendsten und qualitativ hochstehendsten Kunstschätze Kameruns.