Auch im Nebeneinander von zwei Sätzen sieht der von Finanzminister Hans-Rudolf Merz eingesetzte Experte «keinen Sündenfall». «Das Schlagwort von der idealen MWST müssen wir aus dem Vokabular streichen», sagte der Steuerfachmann Peter Spori am Dienstag in Bern bei der Präsentation seines Schlussberichts. Das Ziel könne nur eine optimale MWST sein: «Nicht die Idealroute, sondern eine Kombinationsroute führt zum Gipfel der Einfachheit.»
Annäherung an eine MWST ohne Ausnahmen
Die Annäherung an eine MWST ohne Ausnahmen und mit nur einem Satz hatte Merz vor Augen, als er Spori den «Explorationsauftrag» gab. Auch das Parlament will eine Vereinfachung der MWST, die mit 25 Ausnahmen und drei Sätzen (normal 7,6, reduziert 2,4, Hotellerie 3,6%) zum bürokratischen Dschungel geworden ist. Mit weniger Ausnahmen können nicht nur Abgrenzungsprobleme, sondern auch Verzerrungen beseitigt werden. Die von der MWST ausgenommenen Bereiche sind nämlich nur «unecht befreit», weil sie die Vorsteuer auf ihren Einkäufen nicht abziehen können. Bei einem Steueraufkommen von 18 Milliarden macht allein diese Taxe occulte rund 6 Milliarden aus. Für die meisten heutigen Ausnahmen sei eine Unterstellung möglich, sagte Spori. Systematisch richtig wäre sie vorab für konsumnahe Leistungen wie Gesundheits- und Sozialwesen, Bildung, Erziehung, Kultur und Sport. Dies brächte Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden zur Finanzierung eines tiefen Einheitssatzes. Allein das Gesundheits- und Sozialwesen würde aber um 900 Millionen belastet.
«Technisch schlicht nicht möglich»
Das Verhältnis zwischen Mehreinnahmen und Erhebungsaufwand wäre laut Spori bei dieser Operation freilich nicht optimal, zumal die betroffenen Bereiche teilweise in erheblichem Umfang staatlich finanziert sind. Unvermeidlich wären zudem einmalige Fiskalausgaben von rund 2,3 Milliarden wegen des Vorsteuerabzugs. Als «technisch schlicht nicht möglich» bezeichnete Spori die Unterstellung der mit einer Schattensteuer von 1,5 Milliarden belasteten Banken- und Versicherungsleistungen. Für den Geld- und Kreditverkehr gebe es weltweit kein praktikables MWST-Modell. Zudem brächte eine Unterstellung kaum Mehreinnahmen.
MWST auf Mietzinsen und Immobilienverkäufen
Auch von einer MWST auf Mietzinsen und Immobilienverkäufen (Taxe occulte 1,2 Milliarden) rät Spori ab, obschon diese 2 Milliarden einbrächte. Er befürchtet vor allem Erhebungsprobleme. Neu müsse aber die freiwillige Unterstellung uneingeschränkt möglich sein. Die Urproduktion soll ebenfalls ausgenommen bleiben. Als systemfremd abgelehnt wird zudem eine Besteuerung der Subventionen.
«Nullsatzbesteuerung»
Bei den verbleibenden Ausnahmen wäre nach Ansicht des Experten eine «Nullsatzbesteuerung» mit vollem Vorsteuerabzug «rein steuersystematisch» richtig. Vor allem fiskalische Gründe könnten aber für den politischen Entscheid sprechen, hier die Taxe occulte weiterhin in Kauf zu nehmen.
Vorsteuerabzug von Grund auf neu regeln
Der Vorsteuerabzug soll von Grund auf neu geregelt werden. Sodann listet der Bericht rund zwei Dutzend Revisionspunkte auf, mit denen vorab die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) entlastet werden sollen. Dazu gehört neben einem erweiterten Meldeverfahren und dem Abbau von Formalismus auch ein verbesserter Rechtsschutz.
Totalrevision
Wie die Totalrevision ausfalle, hänge letztlich von der politischen Würdigung ab, sagte Spori. Dies gilt auch für den angestrebten Einheitssatz. Laut Spori käme dieser trotz der begrenzten Weiterführung der Taxe occulte voraussichtlich nicht unter 6% zu liegen. Obschon der Einheitssatz zweifellos eine Vereinfachung brächte, sieht Spori im Nebeneneinander mehrerer Sätze «keinen systematischen Sündenfall». Seiner Ansicht nach sollte es aber im Interesse der Geschlossenheit des Systems neben dem Nullsatz für Exporte höchstens noch zwei Sätze geben. Der Bericht Sporis dient der Steuerverwaltung und Finanzminister Merz nur Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage. Die Konsulation zur Totalrevision des MWST-Gesetzes soll noch in diesem Winter eröffnet werden. (awp/mc/gh)