Nach der Ölpest kommt die Klagewelle
Der britische Energiekonzern BP, aber auch einige andere beteiligte Unternehmen müssen sich auf umfangreiche Entschädigungsansprüche vorbereiten. «Die Klagen um die Ölpest könnten sogar noch den Hurrikan ‹Katrina› in den Schatten stellen», sagt die Anwältin Judy Giuce, die eine Kanzlei in Biloxi an der Küste des US-Bundesstaats Mississippi führt. «‹Katrina› war eine Naturkatastrophe, unsere Klienten klagten vor allem gegen die Versicherungen», berichtet Guice. «Die Ölpest aber ist ein von Menschen gemachtes Disaster.» Damit wüchsen sowohl die Klagemöglichkeiten als auch die Erfolgsaussichten.
Juristen machen sich bereit
Auch in der Kanzlei von Anwalt James Gardner stapeln sich bereits die Anfragen. «Ich habe hier einen Berg von Telefonnummern, die ich noch zurückrufen muss», sagt er. Gardners Kanzlei liess in der Lokalpresse Anzeigen schalten und bot Interessenten eine kostenlose Telefonberatung über Klagemöglichkeiten an. Die Telefone liefen heiss. «Die Interessenten reichen vom einfachen Fischer hin bis zu einem Coiffeur, der fürchtet, wegen der Schäden durch die Ölpest werde den Leuten das Geld für Haarschnitte fehlen», berichtet Gardner.
BP will allen «legitimen» Forderungen nachkommen
Der Ölkonzern BP hat bereits angekündigt, für alle «legitimen» Forderungen nach Schadenersatz aufkommen zu wollen. Noch ist freilich völlig unklar, welche Forderungen als «legitim» eingestuft werden. Am Dienstag schätzte BP-Chef Tony Hayward die Umweltschäden zudem in einem Fernsehinterview als «sehr, sehr bescheiden» ein. «BP schuldet uns eine Menge Geld», befindet der Bootsverleiher Jim Young aus Biloxi. Die Touristen bleiben aus, Young findet kaum Kunden für seine Boote. Derzeit stellt er sie auf Kosten von BP für den Rettungseinsatz zur Verfügung, der Konzern zahlt 2000 Dollar pro Tag. Young droht vorsorglich schon mal: «Sollte BP nicht mehr hier mieten, dann gehe ich vor Gericht.»
Jahrelange Verfahren erwartet
Der Anwalt Clyde Gunn aus dem Bundesstaat Mississippi zählt zu den ersten, die eine Klage gegen BP eingereicht haben. Bereits am 30. April, eine Woche nach der Explosion der Förderplattform «Deepwater Horizon», verklagte Gunn den Konzern im Namen eines Fischers, eines Bootsverleihers und dreier Meeresfrüchte-Produzenten wegen «Fahrlässigkeit» auf Schadenersatz. Die Ölpest werde Anwälte und Justiz noch auf lange Zeit beschäftige, prophezeit er: «Es wird Jahre dauern, bis diese Verfahren erledigt sind.» Seinen Klienten empfiehlt Gunn vorsorglich, alle Quittungen und sonstigen Dokumente über ihre Kosten gut aufzubewahren. (awp/mc/ps/15)