NASDAQ sucht nach gescheiterter LSE-Offerte andere Möglichkeiten
Die US-Börse hatte 2,7 Milliarden Pfund (vier Mrd Euro) für den Londoner Konkurrenten geboten. Jetzt halte die NASDAQ «nach anderen Möglichkeiten Ausschau, um auf ihrer Position als weltgrösster elektronischer Börse aufzubauen», betonte NASDAQ-Chef Robert Greifeld am Samstag in New York. Er bedauerte den Ausgang, doch bezeichnete er sein jüngstes Angebot als fairen Preis.
Offerierter Preis war zu niedrig
Die NASDAQ hatte bei ihrer Offerte von 1243 Pence je LSE-Aktie nur 0,41 Prozent der Aktien der Londoner Börse offeriert bekommen. Der LSE-Aktienkurs lag aber am Wochenschluss mit 1282 Pence um 3,1 Prozent höher. Die LSE-Aktionäre hatten vergeblich auf ein höheres NASDAQ-Angebot gewartet und waren offensichtlich nicht bereit, sich zu dem offerierten Preis von ihren Anteilen zu trennen. Die LSE hatte in den vergangenen Jahren bereits Übernahmeversuche der Deutsche Börse und der australischen Macquarie Bank abgewehrt. Die europäische Mehrländerbörse Euronext war ebenfalls interessiert.
NASDAQ ist grösster Aktionär der LSE
Die NASDAQ hat allerdings zwischenzeitlich im freien Markt insgesamt 61,3 Millionen LSE-Aktien gekauft und damit einen Anteil von 28,75 Prozent an der 308 Jahre alten Traditionsbörse. Rechnet man die jetzt angebotenen Aktien ein, dann bringt es die NASDAQ auf einen LSE-Anteil von 29,16 Prozent. Sie ist damit der mit Abstand grösste Aktionär.
NASDAQ wird das LSE-Geschäft beobachten
Greifeld liess offen, was er mit dem LSE-Anteil tun will. Nach britischem Recht kann die NASDAQ jetzt ein Jahr lang kein weiteres Angebot machen. Greifeld verwies aber darauf, dass die neuen europäischen Börsenwettbewerbsregeln die Finanzergebnisse der LSE beeinträchtigen könnten. Die NASDAQ werde als grösster LSE-Aktionär «mit Interesse beobachten» wie sich das LSE-Geschäft in Zukunft entwickele.
Bildung eines elektronischen Wertpapiermarktes
Eine Gruppe von acht internationalen Grossbanken bereitet angesichts der Wettbewerbsöffnung unter dem Codenamen «Projekt Türkis» für dieses Jahr die Bildung eines elektronischen Wertpapiermarktes vor, mit dem sie den etablierten europäischen Börsen Konkurrenz machen wollen. Dazu gehören die Deutsche Bank und die New Yorker Investmentbank Goldman Sachs.
NYSE Group zieht vor
Die NASDAQ ist durch den gescheiterten transatlantischen Verbund mit der LSE in Zugzwang geraten. Die New York Stock Exchange NYSE Group, die weltgrösste Börse und der NASDAQ-Hauptkonkurrent, ist auf weltweitem Expansionskurs. NYSE-Chef John A. Thain wird voraussichtlich in den kommenden Wochen den Kauf von Euronext für mehr als 14 Milliarden Dollar (10,8 Mrd Euro) endgültig vollziehen. Die NYSE hatte kürzlich mit der Tokyo Stock Exchange (TSE) eine weit reichende «strategische Allianz» vereinbart. Sie könnte mittelfristig zu gegenseitigen Beteiligungen führen. Ausserdem hatte sich die NYSE an der grössten indischen Börse beteiligt, und Thain hat auch China im Visier. (awp/mc/ab)