Die Diskussionen über den Staatsvertrag sind damit aber noch nicht zu Ende: Der Nationalrat will den Vertrag dem fakultativen Referendum unterstellen. Er bekräftigte dies am Dienstag mit 106 zu 80 Stimmen bei 9 Enthaltungen. Damit geht das Geschäft zurück an den Ständerat, der keine Volksabstimmung ermöglichen möchte. Die Räte müssen sich zur Frage des Referendums bis zum Sessionsende am Freitag einigen. Bleibt die Differenzbereinigung erfolglos, wird eine Einigungskonferenz aus Mitgliedern beider Räte eingesetzt, die einen Vorschlag vorlegt.
SVP und die Linke befürworten Volksabstimmung
Am Freitag erfolgt dann die Schlussabstimmung. Theoretisch könnte der Vertrag dann noch abgelehnt werden; damit ist aber nicht zu rechnen. Für die Möglichkeit einer Volksabstimmung machten sich SVP, SP und Grüne stark. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf versuchte vergeblich, sie in diesem Punkt umzustimmen.
SVP sieht ihre Ziele «zu 95 Prozent» erreicht
Das Ja zum Staatsvertrag hatte sich mit dem ersten Votum aus den Reihen der SVP abgezeichnet. Der SVP sei von Beginn weg klar gewesen, dass das Parlament am Ende zustimmen werde, sagte SVP-Fraktionschef Caspar Baader (BL). Der Bundesrat habe die Zustimmung erkaufen wollen, indem er dem Druck der SP nachgegeben und Pläne für die Banken- und Boni-Regulierung angekündigt habe. Deshalb habe die SVP ihrerseits Bedingungen für ein Ja gestellt, erklärte Baader. Das Parlament habe diese teilweise erfüllt, die SVP habe ihre Ziele «zu 95 Prozent» erreicht. Die Mehrheit der Fraktion stimme daher zu. Die meisten SVP-Mitglieder enthielten sich dann allerdings der Stimme, was jedoch für ein Ja reichte.
Mehrere Kehrtwendungen
In den vergangenen Wochen hatte die SVP mehrere Kehrtwenden vollzogen. Zunächst lehnte sie den Staatsvertrag kategorisch ab. Dann stellte sie Bedingungen für eine Zustimmung. Unter anderem sollte sich das Parlament explizit gegen Boni-Steuern aussprechen. Weil sie diese Bedingung nicht erfüllt sah, drohte sie mit einem Nein. Am Ende verhalf die SVP dem Staatsvertrag nun aber zum Durchbruch.
SP gescheitert
Hart blieb die SP. Sie lehnte den Vertrag am Dienstag ab, nachdem sie erneut erfolglos versucht hatte, Bestimmungen zur Banken- und Boni-Regulierung direkt im Beschluss zum Vertrag zu verankern. Ihre Vertreter warnten vergeblich vor dem nächsten «Fall UBS». Die SP wolle nicht nur das kleine Problem «Staatsvertrag» lösen, sondern auch «das grosse, das dahinter stecke», sagte Hans-Jürg Fehr (SP/SH). Die beiden Grossbanken seien eine Gefahr für die Schweiz. «Uns allen muss doch klar sein, dass sich so etwas nicht wiederholen darf.»
Auch Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) warnte davor, die UBS erneut zu retten, ohne Massnahmen zu ergreifen. Dies sei geradezu eine Einladung an die Banken, so weiterzumachen wie bisher. Die Anträge von SP und Grünen blieben aber chancenlos. Nachdem die SVP ein Einlenken angekündigt hatte, waren die anderen bürgerlichen Parteien nicht mehr auf die Stimmen der Linken angewiesen.
Bürgerliche warnen vor «Nein» zum Staatsvertrag
Die Vertreter der FDP, CVP und BDP warnten ihrerseits erneut vor einem Nein zum Staatsvertrag. Auf dem Spiel stehe die Wirtschaft, aber auch die Glaubwürdigkeit der Schweiz, sagte Hans Grunder (BDP/BE). Eine zweite Runde werde es in diesem «Finalspiel» nicht geben, der Rat müsse dem Vertrag jetzt zustimmen. Pirmin Bischof (CVP/SO) stützte sich gar auf die Bibel. «Alles hat seine Zeit», zitierte er aus dem Buch der Prediger. «Der Krieg hat seine Zeit, und der Frieden hat seine Zeit. Das Weinen hat seine Zeit, und das Lachen hat seine Zeit. Ich möchte ergänzen: Das Spielen hat seine Zeit, und das Entscheiden hat seine Zeit.»
Im richtigen Moment aussteigen
Auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf rief die Parteien dazu auf, die Spiele zu beenden. Pokern gehöre zum politischen Geschäft. Bei Pokern brauche es aber das Geschick und Gespür, im richtigen Moment abzubrechen. «Heute ist Gelegenheit, den richtigen Moment noch zu erwischen.» (awp/mc/pg/05)