Es war die Stunde der Linken und Grünen, die es schon immer gesagt hatten: Wieder und wieder warfen sie den Bürgerlichen in der Aussprache zur Wirtschaftskrise vor, alle Warnungen in den Wind geschlagen zu haben. In politische Siege, in mehr Ausgaben und höhere Staatsschulden vermochten sie diese späte Genugtuung aber nicht umzumünzen. Die Ratsmehrheit lehnte es ab, die von links als «Gift in der Krise» gegeisselte Schuldenbremse zu lösen. Alle Anträge für Ausgaben über dieses Limit hinaus scheiterten. Chancenlos war auch die Idee eines mit 1 Milliarde CHF alimentierten Fonds für ökologische Wirtschaftsinitiativen.
Ideologische Debatte
Nicht nur war die bürgerliche Mehrheit taub für die linke Forderung nach zusätzlicher Staatsverschuldung. Über tiefe ideologische Gräben hinweg feuerte die SVP zurück und zog die Wirksamkeit staatlicher Konjunkturmassnahmen grundsätzlich in Zweifel. Bruno Zuppiger (SVP/ZH) bezeichnete das zweite Konjunkturpaket des Bundesrats als «Jekami»-Übung und forderte Rückweisung. Damit rette er keinen Arbeitsplatz und helfe keinem Gewerbe, hielt ihm Bundesrätin Doris Leuthard entgegen.
Vorlage praktisch unverändert genehmigt
Auch die Mehrheit des Rats setzte auf rasch konjunkturwirksame Massnahmen und lehnte Zuppigers Antrag deutlich ab. In diesem ideologischen Patt ging die Vorlage des Bundesrats praktisch unverändert mit 156 zu 36 Stimmen glatt durch. Die mit dem Nachtragskredit beschlossenen Zusatzausgaben fliessen in Infrastruktur von Strasse und Schiene, die neue Regionalpolitik, Forschung, Umwelt und Energie sowie in die Sanierungen von Bundesbauten und in Tourismuswerbung.
Für alle etwas
Der Löwenanteil von 390 Mio CHF geht an die Verkehrsinfrastruktur. In Eisenbahnanlagen sollen zusätzliche 250 Mio CHF investiert werden. Mit dem Geld werden insbesondere Unterhalt und Sanierung von Bahnhöfen und Anlagen vorangetrieben. Mit weiteren gut 140 Mio CHF werden nach dem Willen des Nationalrats Engpässe im Nationalstrassennetz beseitigt, etwa auf den Strecken Härkingen-Wiggertal in den Kantonen Solothurn und Aargau und Blegi-Rütihof im Kanton Zug. Ein weiterer grosser Brocken ist die neue Regionalpolitik: Der Bund soll für die Periode 2010 bis 2015 geplante Ausgaben teilweise vorziehen und bereits 2009 zusätzliche 100 Mio CHF investieren. Mit 20 Mio CHF werden Photovoltaik-Anlagen gefördert – diesen Betrag hatte der Rat verdoppelt.
Holzheizungen und Superrechner
30 Mio fliessen in Fernwärmeprojekte, 10 Mio in den Ersatz von Elektroheizungen. Landschafts- und Naturschutzprojekte lässt sich der Bund zusätzliche 20 Mio CHF kosten. Der Nationalfonds erhält 10 Mio CHF mehr, das Zentrum für Hochleistungsrechnen in Manno TI 10 Mio CHF. Mit 37 Mio CHF werden ETH-Bauten saniert, mit zusätzlichen 12 Mio CHF Gebäude der Armee in Stand gehalten. Auch das Budget für Tourismuswerbung wird um 12 Mio CHF aufgestockt. Insgesamt umfasst die Liste der Zusatzausgaben 28 Punkte.
SERV befristet angepasst
Zur Stützung der Wirtschaft stimmte der Nationalrat ferner mit 163 zu 9 Stimmen der befristeten Anpassung der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) zu. Damit sollen die Finanzierungskosten des Exporteurs reduziert und der Zugang zu Exportfinanzierungen erleichtert werden. Allfällige Nachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz sollen damit ausgeglichen werden. Eine links-grüne Minderheit hatte erfolglos versucht, die Zugeständnisse an die Exportwirtschaft mit der Verpflichtung zu verbinden, die Grundsätze der Schweizer Friedenspolitik, der Menschenrechte und der Umweltpolitik einzuhalten.
Grundverbilligungsvorschüsse
Einen positiven Effekt auf die Wirtschaft erhofft sich der Nationalrat auch von der Änderung des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes (WEG). Der Nichteintretensantrag der SVP scheiterte, die Vorlage wurde mit 121 zu 54 angenommen. Sie ermöglicht einen vorzeitigen Erlass von Grundverbilligungsvorschüssen, was zusätzliche Sanierungen auslösen soll. Auf die Rückforderung von Vorschüssen für ältere Mietwohnungen soll bis Ende 2012 verzichtet werden. (awp/mc/ps/25)