Nationalrat versenkt 11. AHV-Revision
Mit den Beschlüssen des Parlaments war am Ende aber weder die Linke noch die Rechte zufrieden. Wäre die Vorlage nicht in der Schlussabstimmung gescheitert, hätten SP und Gewerkschaften das Referendum ergriffen. Mit der 11. AHV-Revision sollte das Frauenrentenalter von 64 auf 65 Jahre erhöht werden. Damit wären jährlich 800 Mio CHF eingespart worden. Umstritten war die Frage, ob ein Teil davon in die soziale Abfederung von Frühpensionierungen gesteckt werden sollte – und wenn ja, wieviel.
Blockade in den Räten
Lange Zeit kamen die Räte nicht voran. SP und Grüne wollten die Erhöhung des Frauenrentenalters nur unter der Bedingung akzeptieren, dass sich Personen mit tiefem Einkommen ohne allzu grosse Einbussen vorzeitig pensionieren lassen könnten. Während sich die bürgerlichen Parteien im Ständerat auf einen Kompromiss einliessen, stellten sie sich im Nationalrat zunächst gänzlich gegen die soziale Abfederung von Frühpensionierungen. Sie wollten das mit der Erhöhung des Frauenrentenalters eingesparte Geld vollumfänglich für die langfristige Sanierung der AHV nutzen.
Nationalrat lehnt Revision mit 118 zu 72 Stimmen ab
Im Frühjahr gelang es Bundesrat Didier Burkhalter, die Blockade zu lösen. Er brachte ein neues Modell ins Spiel, das viel Beachtung fand. Während zehn Jahren sollten 400 Mio CHF für Frühpensionierungen ausgegeben werden. Davon profitiert hätten alle Personen mit einem Durchschnittseinkommen von weniger als 61’560 CHF. Die Räte stimmten diesem Modell zwar am Ende zu. Gescheitert ist es nun aber trotzdem. Während der Ständerat in der Schlussabstimmung Ja sagte, lehnte der Nationalrat die Revision mit 118 zu 72 Stimmen ab. Nur die Bürgerlichen sahen darin einen Kompromiss. Die SVP sprach von Sozialausbau, die SP von Sozialabbau.
«Selbstverschuldeter Scherbenhaufen»
Der Linken gingen nicht nur die Lösungen für abgefederte Frühpensionierungen zu wenig weit. SP und Grüne stellten sich auch dagegen, dass der Teuerungsausgleich bei den Renten neu an die finanzielle Gesundheit der AHV geknüpft werden sollte. Ein Nein zur 11. AHV-Revision sei ein Ja zu einer starken AHV, sagte Paul Rechsteiner (SP/SG) am Freitag vor der Abstimmung. «Sie stehen vor einem selbstverschuldeten Scherbenhaufen», sagte er an die Adresse der FDP und CVP. «Kompromisse schliesst man nicht mit sich selber.»
Sicherung der Sozialwerke als Priorität
Toni Bortoluzzi (SVP/ZH) plädierte für eine Erhöhung des Frauenrentenalters ohne jeden weiteren «Schnickschnack». Angesichts der steigenden Lebenserwartung sei es absurd, Frühpensionierungen zu begünstigen. Die Sicherung der Sozialwerke müsse absolute Priorität haben. Auch die FDP hätte mehr Einsparungen gewollt, sagte Gabi Huber (FDP/UR). Doch Konkordanz bedeute, Kompromisse mitzutragen. Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) warnte, wer nein sage, setze sichere Renten aufs Spiel.
2004 an der Urne gescheitert
Nach dem Nein steht die Politik nun wieder am selben Punkt wie vor sechs Jahren. Der letzte Versuch mit der 11. AHV-Revision war 2004 an der Urne gescheitert, nachdem die Linke das Referendum ergriffen hatte. 68 Prozent der Stimmenden sagten Nein. Die damalige Vorlage sah neben der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre das flexible Rentenalter ab 62 Jahren ohne soziale Abfederung vor. Sie hätte Einsparungen von jährlich rund 900 Millionen Franken gebracht.
Neues Projekt angekündigt
Innenminister Didier Burkhalter kündigte am Freitag an, rasch ein neues Projekt zu lancieren. Ziel sei es, die Finanzierung der AHV langfristig sicherzustellen. Die unbestrittenen Punkte der gescheiterten Revision sollen in ein separates Gesetzesprojekt einfliessen. (awp/mc/ss/19)