Nato soll sich wandeln – aber Beistand bleibt

Geleitet wurde die Expertengruppe von der früheren US-Aussenministerin Madeleine Albright. «Für die Sicherheit unserer Mitglieder zu sorgen, bedeutet heute, viele Dinge anders als bisher zu tun», sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel nach der Vorlage des Albright-Berichtes. Rasmussen will nun bis September einen «kurzen und präzisen» Vorschlag für eine neue Strategie ausarbeiten. Sie soll im November von einem Gipfel in Lissabon beschlossen werden. Die bisherige Strategie stammt aus dem Jahr 1999. 


«Bedrohung so gänzlich anders»
«Es ist sehr klar, dass ein Bündnis sich im 21. Jahrhundert ändern muss, weil die Bedrohung so gänzlich anders ist», sagte Albright. In dem Bericht heisst es, konventionelle Angriffe seien in den kommenden zehn Jahren unwahrscheinlich. Am wahrscheinlichsten seien Angriffe durch Raketen, Anschläge internationaler Terroristen und «Computerangriffe von unterschiedlicher Ernsthaftigkeit». «Die zentrale Verpflichtung der Nato bleibt unverändert», heisst es in dem Bericht unter Bezug auf Artikel 5 des Nato-Vertrags. Dieser sieht vor, dass ein Angriff auf ein Bündnismitglied als Angriff auf alle Verbündeten betrachtet wird. Diese Beistandsgarantie für den Fall eines Angriffs müsse aber glaubhaft sein: Deswegen seien Notfallplanungen, Übungen, einsatzfähige Truppen und Versorgungsplanungen nötig.


Verschlankung des Nato-Hauptquartiers
Vor allem baltische und osteuropäische Staaten haben immer wieder eine konkrete Verteidigungsplanung trotz russischer Bedenken gefordert. «Als Übungsgrundlage sollte die Nato davon ausgehen, dass es in der Tat ernsthafte Bedrohungen geben wird», schrieb die Albright-Gruppe. Rasmussen sagte, er sehe darin keine Kritik an der bisherigen Nato-Politik. «Ein Teil der Verteidigung ist sichtbare Präsenz im gesamten Bündnisgebiet», sagte er. Die Nato plane derzeit Militärmanöver in den baltischen Staaten und in Polen. Angesichts knapper Kassen brauche die Nato nicht nur kleinere, aber wirksamere Truppen, die auch auf grössere Entfernung einsetzbar seien. Das Bündnis müsse auch sich selbst reformieren. Das Nato-Hauptquartier müsse schlanker werden, eine Reihe von Ausschüssen könnten wegfallen. Entscheidungen sollten rascher getroffen werden.


Mehr Arbeitsteilung notwendig
iplomaten sagten, nur noch die USA, Frankreich und Grossbritannien kämen in den kommenden Jahren der Verpflichtung nach, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Albright mahnte: «Die Mitgliedschaft in der Nato bringt auch Verpflichtungen mit sich. Rasmussen sagte, mehr Arbeitsteilung sei nötig: «Zu tiefe Einschnitte zulasten künftiger Sicherheit können auch nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen haben. Unsicherheit schadet Investitionen.» Die Strategie-Experten bezeichneten den Schutz vor einem möglichen Raketenangriff des Irans als eine «unerlässliche militärische Aufgabe» der Nato. «Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses und zwischen der Nato und anderen Partnern, besonders Russland, ist höchst wünschenswert.»


Bedenken aus Moskau
«Obwohl das Bündnis sich weder als militärische Bedrohung Russlands betrachtet noch Russland als eine militärische Bedrohung der Nato begreift, bestehen weiterhin Zweifel auf beiden Seiten über die Absichten und die Politik des jeweils anderen.» Die russische Führung habe Bedenken gegen eine Erweiterung der Nato im Osten, Nato-Staaten seien wegen politischer oder wirtschaftlicher Einschüchterung aus Moskau besorgt: Dies spreche für eine «Politik des aktiven Engagements sowohl der Nato als auch Russlands».


Mehr internationale Partnerschaften
Im Bericht Albrights heisst es, die Nato sei «eine regionale und keine globale Organisation». Dennoch müsse sie sich auf dem Weg zum Jahr 2020 um mehr internationale Partnerschaften bemühen. Die Nato könne aber bei einem «vernetzten» Ansatz von militärischen und zivilen Anstrengungen als «wesentlicher Organisator von gemeinsamen Anstrengungen» fungieren. Deutschland war in der Expertengruppe durch den früheren Botschafter in Russland, Hans-Friedrich von Ploetz, vertreten. (awp/mc/ps/21)

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