Neue EU-Finanzaufsicht: Deutscher «Beipackzettel» kommt

Weitere Projekte sind in Berlin und Brüssel unterwegs. In Strassburg nahm das EU-Parlament mit riesiger Mehrheit ein Gesetzespaket an, mit dem drei neue EU-Behörden und ein Gremium für die Frühwarnung an den Start gehen können. Die Behörden in Frankfurt (Versicherungsaufsicht), London (Bankenaufsicht) sowie Paris (Börsenaufsicht) sollen kontrollieren und in Krisensituationen und Streitfällen auch nationalen Banken Anweisungen geben können.


Keine einheitliche EU-Superbehörde
«Dies ist die erste wirkliche Lektion, die wir aus der Finanzkrise gezogen haben», sagte der EU-Ratsvorsitzende, Belgiens Finanzminister Didier Reynders. Eine einheitliche Superbehörde der EU wird es nicht geben. Für EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier kann die neue Aufsicht schweren Krisen wirkungsvoll vorbeugen. «Im Bankenbereich ist die Prävention immer billiger als die Reparatur», sagte Barnier. In Berlin beschloss die Bundesregierung am Mittwoch, dass Banken ihren Kunden zu Anlageprodukten künftig bestimmte Informationen mitgeben müssen. Darin sollen Risiken, Erträge und Kosten kurz und verständlich beschrieben werden. Der «Beipackzettel» soll Bankkunden bei der Auswahl von Geldanlagen helfen. «Im Vordergrund steht die übersichtliche Information für den Kunden», sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). «Werbeaussagen haben hier nichts verloren.»


Immobilienfonds: Kleinanleger besser schützen
Zugleich sollen Kleinanleger besser vor Schieflagen bei offenen Immobilienfonds geschützt werden – indem eine zweijährige Mindesthaltedauer für Grossanleger eingeführt wird. Ausserdem macht Berlin ernst mit Sanktionen gegen Finanzdienstleister bei Falschberatung. Berater und Vertriebsmanager sollen bei der Finanzaufsicht Bafin registriert werden und ihre Qualifikation nachweisen. Bei Verstössen soll Beratern zeitweise der Einsatz untersagt werden. Die Schritte in der EU und in Deutschland sind nur ein Teil bereits beschlossener Massnahmen oder Projekte, mit denen die Finanzmärkte krisenfest gemacht werden sollen.


Leerverkäufe unter bestimmten Voraussetzungen verboten
So hatte EU-Kommissar Barnier unlängst seine Vorschläge für eine bessere Überwachung riskanter Finanzprodukte wie Derivate und Kreditausfallversicherungen (CDS) vorgelegt. Leerverkäufe, bei denen der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt nicht über das Produkt verfügt, sollen zudem unter bestimmten Umständen verboten werden. Deutschland hatte bereits im Frühjahr ungedeckte Leerverkäufe, bei denen sich der Investor das gehandelte Papier noch nicht einmal leihen muss, generell verboten und damit Brüssel überrascht.


Zügel werden angezogen
Verhandelt wird derzeit auf EU-Ebene über Gesetze zu alternativen Investmentfonds – sie beschäftigen sich nicht mit den klassischen Bereichen wie Aktien, Renten oder Immobilien. Dabei geht es insbesondere um Regeln für Hedge-Fonds und private Beteiligungsgesellschaften («Private Equity»). Bis Ende des Jahres treten zudem erste Regeln für Ratingagenturen in Kraft. Hinzu kommen noch die strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken, die unter dem Stichwort Basel III bekannt sind und über Europa hinaus gelten sollen. Sie müssen nach jetzigem Stand ab 2013 umgesetzt werden. (awp/mc/ps/26)

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