Die zum Zoll gehörende Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit Sitz in Köln gehe davon aus, dass auf den Konzern ein Bussgeld in Millionenhöhe zukomme, berichtete das Magazin «Focus».
Keine Schwarzarbeit, sondern Gesetzesverstoss
Die Ermittler untersuchten, ob Siemens bei der Beschäftigung von Leiharbeitern Sozialabgaben und Steuern hinterzogen habe. Ein Siemens-Sprecher betonte am Sonntag, es handele sich nicht um den Vorwurf der Schwarzarbeit, sondern um einen Verstoss gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Beim Hauptzollamt München gibt es nach Aussagen eines Unternehmenssprechers vom Samstag im Moment ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen eines einzigen Leiharbeitnehmers.
Kleinfeld denkt nicht an Rücktritt
Siemens-Chef Klaus Kleinfeld versicherte unterdessen erneut, er habe keine Kenntnis von Schmiergeldzahlungen in grossem Umfang gehabt. Nur über einzelne Fälle sei er im Rahmen der normalen Berichte der Juristen informiert worden, sagte er der «Bild Zeitung» (Montag). An einen Rücktritt habe er trotz der Affäre noch keine Sekunde gedacht. «Meine Kollegen und ich tragen Verantwortung für rund 480 000 Mitarbeiter. Darum geht es», sagte er. Siemens setze alles daran, die Aufklärung aller Vorwürfe so schnell und so gründlich wie möglich zu unterstützen und selbst voranzutreiben.
Integrität steht nun ganz oben neben Innovation
Im Kampf gegen Korruption will der Münchner Elektro-Konzern künftig Mitarbeiter mit einem «Saubermann»-Preis auszeichnen, die sich um die Integrität verdient machen. Parallel zu dem Preis für die beste technische Innovationsidee wolle Siemens einen «compliance award» für den besten Vorschlag zur Einhaltung ethischer Standards ausloben, sagte Anti-Korruptionsspezialist Michael Hershman dem «Tagesspiegel am Sonntag». «Innovation war bisher der ganze Stolz von Siemens. Künftig steht Integrität auf der selben Stufe.» Siemens hatte den Mitbegründer von Transparency International (TI) Mitte Dezember mit der Korruptionsabwehr beauftragt.
Verwendung von 420 Millionen noch nicht aufgeklärt
Parallell zur besseren Vorsorge gegen Korruption dauert die Aufarbeitung der aktuellen Schwarzgeldaffäre bei Siemens weiter an. Doch das Bild sei noch nicht klar, wofür die zweifelhaften Zahlungen von 420 Millionen Euro verwendet wurden, die Siemens in den Bilanzen entdeckt hat. «Wir sind noch immer in der Frühphase der Ermittlungen», sagte Hershman.
Vertraulichen Vermerk der Rechtsabteilung bereits 2003 erhalten
Der Siemens-Spitze lagen nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» schon vor mehr als drei Jahren Hinweise darauf vor, dass der Konzern ausländische Amtsträger bestochen habe. Einen vertraulichen Vermerk habe der damalige Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger 2003 von der Rechtsabteilung erhalten, berichtete die Zeitung (Samstag). Es gebe «Anhaltspunkte für den Verdacht der Amtsträger- bzw. Angestelltenbestechung im Ausland», heisse es in dem von einem Mitarbeiter der Rechtsabteilung verfassten Schreiben vom 11. November 2003.
Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt
Intern waren dem Bericht zufolge damals hohe Barzahlungen im Unternehmensbereich Telekommunikation an Berater in Nigeria aufgefallen, schreibt die «SZ». Weiter heisse es in dem Vermerk, Millionensummen, die Siemens-Mitarbeiter nach Nigeria gebracht hätten, könnten für deutsche Behörden Anlass für ein Ermittlungsverfahren sein. Zudem verstiessen die Zahlungen auch gegen konzerninterne Richtlinien. In der Siemens- Affäre um schwarze Kassen und Korruptionsdelikte ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft inzwischen gegen zahlreiche langjährige Siemens-Manager, darunter auch Neubürger. (awp/mc/ab)