von Patrick Gunti
Herr Kraihamer, MBT-Erfinder Karl Müller hat vor etwas über zwei Jahren in einem Moneycab-Interview gesagt, 2010 werde die High-Tech-Sohle als eine der wichtigsten Innovationen des Jahrhunderts anerkannt sein und jährlich würden Dutzende von Millionen Paar produziert. Wie weit ist dieser Prozess fortgeschritten?
Wir teilen die Meinung, dass MBT ein Jahrhundertkonzept ist. Es ist ein wirkungsvolles, gesundes und daher sinnvolles Angebot an eine stark wachsende, urbane Bevölkerung, die auf Beton und Asphalt ihren Körper zunehmend degeneriert.
Die Herausforderung ist weniger die Produktion als das Verständlichmachen der positiven Wirkung des Produktes für eine breite Zielgruppe. In 2005 haben wir rund 900.000 Menschen davon überzeugt, in 2006 waren es schon 1.700.000. Wir bewegen uns also in Richtung Karl’s Vision.
«Allerdings hat auch ein funktionales Produkt Anrecht auf ein vernünftiges Design» (Norbert Kraihamer, CEO Masai Group International)
Müller hat im Oktober 2006 nach fast zwei Jahrzehnten Entwicklungs- und Aufbauarbeit sein Aktienpaket verkauft und sich aus dem Unternehmen zurückgezogen. Waren die Pläne der Hauptaktionäre Klaus Heidegger und Hermann Oberschneider und Müller zu verschieden?
Es ist das Privileg des Erfinders, seine Idee puristischer und dogmatischer umgesetzt zu sehen, als es die pragmatischen Marktgegebenheiten erlauben. Persönlich denke ich, dass es kaum Unterschiede in den Zielen gab, vielleicht aber kleinere, was den Weg dorthin betrifft. Zweifellos werden wir aber dafür sorgen, dass die Wirksamkeit des Produktes, wie von Karl angedacht, immer weit über den modischen Kriterien stehen wird. Allerdings hat auch ein funktionales Produkt Anrecht auf ein vernünftiges Design.
Nach dem Abgang von Müller wurde eine neue Organisationsstruktur eingeführt. Wie präsentiert sich das Unternehmen heute?
Die Struktur hat sich deutlich vereinfacht. Mit Produktion, Marketing und Vertrieb sind alle Kernfunktionen jetzt unter einem Dach zusammengeführt. Dieses ist die Masai Group International GmbH, die darüber hinaus auch die Schweizer Vertriebstochter und mehrere Beteiligungen an Vertriebsunternehmen in den USA, UK, Skandinavien, Spanien, usw. hält.
Die wichtigste Personalie betrifft Sie als CEO der Masai Group International sowie der Masai Marketing & Trading. Mit welchen Plänen haben Sie Ihren neuen Job angetreten?
Mit dem Ziel eine neue Produktkategorie am Schuhmarkt zu etablieren: «Physiological Footwear». Das wird uns nur mit einer deutlich verbesserten Organisationsstruktur im Headquarter gelingen. Produktion und Supply Chain müssen schneller, flexibler und noch mehr qualitätsorientiert werden. Ein ansprechendes Design muss das Produkt für eine breitere Zielgruppe attraktiver machen.
Sie waren bis letzten Sommer und vor Ihrem Engagement bei Masai Marketingchef bei Red Bull. Was waren die ausschlaggebenden Gründe, kurz nach dem überraschenden Abgang bei Red Bull das Angebot von Klaus Heidegger und Hermann Oberschneider anzunehmen?
Hermann und Klaus, die ich seit geraumer Zeit zu meinen Freunden zähle, haben mich schon vor Jahren zum Thema MBT immer wieder um Meinungen und Rat gefragt. Darüber hinaus ist es nach 12 Jahren Salomon Board und über 10 Jahren Red Bull Board in Marketing und Salesfunktionen legitim, sich die Zukunftsfrage zu stellen. Wenn dann, wie im Falle MBT, ein unglaubliches Potenzial mit der Möglichkeit einer Equity Position zusammen kommen, dann muss man trotz unveränderter Liebe zur Vergangenheit ganz einfach Unternehmer spielen gehen?
Sehen Sie Parallelen – hat der MBT das Potenzial, eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie Red Bull zu werden?
Absolut. MBT wird im Schuhmarkt ein innovatives Premiumsegment etablieren, wie es Red Bull im Getränkemarkt gelungen ist. Die Vermarktungsmechanismen sind ähnlich, die Eigentums- und Finanzvoraussetzung ebenfalls. Der Weg dorthin wird gleich arbeitsintensiv und spannend sein.
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MBT soll langfristig zu einem der grössten Schuhhersteller der Welt werden. Eine Bedingung dafür dürfte sein, das Image vom Gesundheitsschuh – wie es im europäischen Raum vorherrscht – zum Lifestyle-Produkt zu verändern. Welche Pläne haben Sie?
Die nachweisbaren Erfolge unseres Konzeptes im therapeutischen Umfeld sind eine solide Basis dafür, im Bereich der Prävention von Gelenks-, Haltungs- und Muskelproblemen akzeptiert zu werden. Ziel ist es, den Menschen, unabhängig von klassisch demographischen Zielgruppenüberlegungen zu zeigen, dass einfach jeder Schritt in einem MBT Sinn macht und zu ihrer Gesundheit, ihrem Wohlbefinden und ihrer Fitness beiträgt. Der MBT Schuh ist eine ideale Kombination von Gelenks- und Rückenschoner bzw. permanentem Muskulatur und Koordinationstrainer – ohne sich den Trainingsanzug anzuziehen und ins Fitnesscenter fahren zu müssen.
In den USA ist der MBT schon fast ein Kultobjekt, klar auch als Lifestyle-Produkt positioniert. Woher kommt der Unterschied?
MBT wird in den USA nicht anders positioniert und vertrieben als in anderen Ländern. Die längere Historie in Sachen Wellness Bewusstsein und die Omnipräsenz der «Streetsneakers», also das Tragen von auffällig sportlichen, funktionalen Schuhen in jeder Lebenslage, gewährt unserem Produkt dort schnelle Akzeptanz. Und die amerikanischen Avantgardisten aus Film, Musik, Sport und sogar Politik haben unser Produkt sofort zu dem Ihren gemacht.
Der MBT Schuh ist eine ideale Kombination von Gelenks- und Rückenschoner bzw. permanentem Muskulatur und Koordinationstrainer. (Norbert Kraihamer, CEO Masai Group International)
Wie wichtig ist der angesprochene «Promi-Faktor» bei der Vermarktung Ihrer Produkte? Auch unzählige Schweizer Sportler, Bono von U2 oder Arnold Schwarzenegger tragen ja den MBT.
Es gibt Leute von Topmodels bis zu John Lennons Witwe, die räumen halbe Geschäfte aus vor Begeisterung am Produkt. Das ist wichtig, sehr wichtig für uns. Vor allem weil es die Qualität des «nicht von uns bezahlten» hat. Und das schafft neben Sichtbarkeit auch Glaubwürdigkeit beim Konsumenten
Wie wichtig ist dabei das Design? Welche Möglichkeiten und Pläne bestehen in diesem Bereich?
Gute, der Funktion entgegen kommende Formgebung ist wichtig um breiten Zuspruch zu geniessen. Wir werden an der generellen Anmutung des Produkts als Schuh arbeiten. Eine bessere Integration von Sohle und Schaft wird dabei eine Rolle spielen. Generell werden wir uns eine erkennbare Design-Handschrift zulegen und die wird unsere auffällige Sohle nicht verstecken wollen. Es braucht halt viel Schuh um barfuss auf Asphalt gehen zu können. Dazu stehen wir.
Wachstum ist angesagt – mit Fokus auf der Schweiz, Österreich, Deutschland, England und vor allem den USA. Was ist mit dem «Rest der Welt»?
Länder wie Norwegen, Schweden, Australien oder Korea sind für uns von gleicher Bedeutung wie die heute so genannten «grossen» Märkte. Wenn man eine neue Produktkategorie nachhaltig etablieren möchte und dort den Ton angeben will, muss man in jedem Markt die Nr. 1 sein.
Ob bei Rücken-, Hüft-, Bein- und Fussbeschwerden, oder Gelenk-, Muskel-, Bänder- und Sehnenverletzungen – die Wirksamkeit des MBT ist in unzähligen Studien nachgewiesen worden. Liegen weitere Studien zur Wirksamkeit des MBT vor?
Bezüglich Studien haben wir ein internationales Board, bestehend aus hoch respektierten Wissenschaftlern, zusammengestellt. Diese arbeiten allein in den Jahren 2007 und 2008 an fünf grossen Studienprojekten, die entsprechend publiziert werden sollen. Gegenwärtig finalisieren wir gerade eine hochinteressante und erfolgreiche Studie zur postoperativen Therapiewirkung der MBT nach Hüftgelenksoperationen mit der renommierten Rennbahnklinik in Basel. Wir werden zum Thema Forschung permanent aktiv bleiben und in Zukunft mehr in Richtung Sport, Training und präventive Wirkung studieren.
Zur Person:
Norbert Kraihamer hat im Jahr 2006 das Management der Masai Group International GmbH als CEO übernommen.
Nach seinem Studium der Sportwissenschaften und Betriebswirtschaft an der Universität Salzburg begann Norbert Kraihamer seine Karriere als Produktmanager beim Sportartikelhersteller F2 Fun and Function. Als verantwortlicher Manager für Marketing und Produktentwicklung verliess er F2, um 1984 zum französischen Sportartikelhersteller Salomon zu wechseln. Zuerst als Head of Marketing and Sales für den österreichischen Markt verantwortlich, übernahm Norbert Kraihamer anschliessend die Leitung des gesamten deutschsprachigen Marktes und wechselte 1990 in den Vorstand von Salomon, wo er sich für das internationale Markenmanagement verantwortlich zeigte. Im Januar 1994 verliess Norbert Kraihamer Salomon und stieg als Marketing and Sales Director in den Vorstand von Red Bull ein. Während seiner fast elf jährigen Tätigkeit bei Red Bull war er für den internationalen Roll Out der Marke in 126 Ländern verantwortlich und führte das Unternehmen gemeinsam mit dem Gründer Dietrich Mateschitz zu einem Imperium, das jährlich über EUR 3 Mrd. Umsatz erwirtschaftet. Herr Kraihamer beendete das Executive Education Program an der Stanford Business School und hat Österreich im olymischen Segel-Team vertreten.
Die MBT-Geschichte
MBT (Masai Barfuss Technologie) ist die Erfindung des Schweizer ETH-Ingenieurs Karl Müller. Bei einem Aufenthalt in Korea machte er die verblüffende Entdeckung, dass das Barfussgehen über Reisfelder seine Rückenbeschwerden linderte. Nach der Rückkehr in die Schweiz begann er mit der Entwicklung einer Footwear-Technologie, die die natürliche Instabilität weicher Böden wie koreanischer Reisfelder oder ostafrikanischer Savannen auch jenen Menschen zugänglich macht, die sich auf harten Böden bewegen müssen. 1996, nach jahrelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit, war die «Masai Barfuss Technologie» ausgereift genug, um auf den Markt zu kommen. Mittlerweile sind MBTs in über zwanzig Ländern erhältlich, 2006 wurden 1,7 Mio. Paar verkauft.
Masai Group International GmbH beschäftigt gegen 150 Mitarbeiter, davon rund 30 im Headquarter, die restlichen in der Produktion in Korea, China, Vietnam und Indonesien. Verkauf werden MBTs in über 20 Länder darunter: Schweiz, Österreich, Deutschland, England, USA, Kanada, Skandinavien, Italien, Spanien, Niederlande, Australien, Korea, Singapur, Hongkong, Malaysia.