Die Reform führe zu mehr Sicherheit im amerikanischen Finanzsektor, der «zentral für die Fähigkeit der Nation sei, zu wachsen, zu gedeihen und mitzuhalten. Sie wird Innovationen fördern, nicht behindern.»
2000-Seiten-Werk
Das über 2000 Seiten umfassende Werk sieht schärfere Regeln für Finanzinstitute, mehr Macht für staatliche Kontrolleure und einen besseren Verbraucherschutz durch eine neue Behörde unter dem Dach der US-Notenbank vor. Zudem erhält die Regierung neue Vollmachten, zusammenbrechende Finanzinstitutionen zu übernehmen und abzuwickeln. Nach der Gesundheitsreform vom Frühjahr gilt die Billigung des Gesetzes im Kongress als zweiter grosser innenpolitischer Sieg von Präsident Barack Obama in diesem Jahr. «Er weiss, wie man grosse Gesetze durch den störrischen Kongress bringt», lobte die «New York Times» am Freitag.
Deutschland: «Erfreuliches und positives Signal»
Die deutsche Bundesregierung begrüsste die US-Reform als «erfreuliches und positives Signal». Sie bewege sich im Rahmen der Empfehlungen der in der G20 zusammengeschlossenen wichtigsten Wirtschaftsnationen, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Michael Offer, in Berlin. Ein Vergleich mit den Plänen in Europa und Deutschland sei aber nicht in jedem Fall möglich. «Aufgrund der unterschiedlichen Spezifika des US-amerikanischen Bankensystems im Vergleich zum europäischen ist es jetzt schwer möglich, eins zu eins die Dinge zu vergleichen.» Entscheidend sei die gleiche Zielrichtung im Sinne der G20-Beschlüsse.
Viele Details noch unklar
Obama hatte sich nach den monatelangen Vermittlungen zwischen den beiden Kongresskammern mit der Reform zufrieden gezeigt, da sie noch zu 90 Prozent seine Vorschläge enthalte. Kritiker bemängeln unter anderem, dass das Gesetz nur einen groben Rahmen schaffe, viele Details aber unklar seien. «Es antwortet nicht auf all die Gründe der Finanzkrise», sagte Peter Wallison, Finanzexperte bei der Denkfabrik American Enterprise Institute dem «Wall Street Journal». «Stattdessen schwächt es die Wirtschaft and drosselt das Wachstum.»
Zitterpartie im US-Senat
In der entscheidenden Abstimmung im Senat errangen die Befürworter mit 60 der rund 100 Stimmen gerade die nötige Mindestzahl, um eine Blockade durch die Opposition zu verhindern. 38 Senatoren sprachen sich dagegen aus. Beim abschliessenden Votum, bei der nur eine einfache Mehrheit nötig war, stimmten ebenfalls 60 Senatoren für das Gesetz. 39 votierten dagegen. Obama will das Gesetz im Laufe nächster Woche in Kraft setzen. Der Präsident dankte Demokraten und Republikanern für die Zustimmung, sagte der Sprecher des Weissen Hauses, Robert Gibbs. «Wir können nicht an denselben Regularien festhalten, die uns in dieser Rezession gestürzt haben.» In den vergangenen Tagen hatten sich mehrere republikanische Senatoren auf die Seite von Obamas Demokraten geschlagen, so dass eine Zustimmung als sicher galt. Die Opposition kritisierte das Gesetz als «Job-Killer», der der Wirtschaft unnötige Lasten aufbürde. «Unternehmen werden hier Wachstumschancen versagt», sagte der republikanische Senator Richard Shelby. Die Obama-Regierung nutze die Krise aus, um die Macht des Staates auszuweiten.
Zehnköpfiger Regulierungsrat
Die Reform sieht einen zehnköpfigen Regulierungsrat unter Vorsitz des US-Finanzministers vor, der über mögliche Risiken für das Finanzsystem wachen soll. Zudem erhält die Regierung neue Vollmachten, zusammenbrechende Finanzinstitutionen zu übernehmen und abzuwickeln. Die Befugnis der Regulierungsbehörden wird gestärkt, grosse Geldhäuser in kleinere Einheiten aufzuspalten, wenn sie drohen, das Finanzsystem zu gefährden. Der hochprofitable, aber risikoreiche Eigenhandel der Banken wird eingeschränkt. Geldhäuser mit staatlich versicherten Spareinlagen dürfen nur sehr begrenzt in Hedge- oder Private-Equity-Fonds investieren. Der Umgang der Banken mit komplexen Finanzinstrumenten wird schärfer reguliert. Für den Handel mit riskanteren Derivaten wie etwa aus dem Rohstoffbereich müssen die Finanzinstitute mit eigenem Kapital ausgestattete Einheiten gründen. Ein Grossteil des Geschäfts muss künftig über Börsen oder Clearing-Stellen laufen.
Vorgesehen sind auch neue Regelungen für die Bezahlung von Top-Managern börsennotierter Firmen. Aktionäre sollen ein – allerdings nicht bindendes – Mitspracherecht bei den Gehältern bekommen. (awp/mc/ps/34)