Nachdem der US-Ölpreis bereits am Montagabend nach einem Kurssprung von rund vier Dollar erstmals über die Marke von 120 Dollar gestiegen war, wurde am Dienstagvormittag mit 120,93 Dollar ein neuer historischer Höchststand erreicht. Zuletzt gab der Preis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Juni aber wieder leicht nach und notierte bei 119,86 Dollar. Das waren elf Cent weniger als zum Handelsschluss am Vortag.
Auf ein Rekordhoch stieg auch der Preis für die Nordseesorte Brent. Mit 119,07 Dollar stieg der Brentpreis erstmalig über die Marke von 119 Dollar. Zuletzt tendierte das Nordseeöl indes wieder etwas schwächer und kostete mit 118,10 Dollar drei Cent weniger als am Vortag.
Politische Spannungen und Konjunkturdaten treiben Preise
Nachdem die Ölpreise in der vergangenen Woche merklich schwächer tendierten, begründeten Händler die neuerliche Ölpreis-Rally vor allem mit geopolitischen Spannungen und unerwartet robusten Konjunkturdaten aus den USA. So war bereits am Montag der ISM-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor überraschend über die Expansionsschwelle von 50 Punkten gestiegen. Zusammen mit dem positiv aufgenommenen Arbeitsmarktbericht vom vergangenen Freitag signalisiere die Kennzahl eine leichte Erholung der US-Konjunktur spätestens in der zweiten Jahreshälfte. Dies sollte die Nachfrage nach Rohöl zumindest mittelfristig steigen lassen, hiess es.
Zudem verwiesen Marktbeobachter auf politische Spannungen, die preistreibend gewirkt hätten. Genannt wurden insbesondere der anhaltende Konflikt zwischen den USA und dem Iran über dessen Atomprogramm sowie neuerliche Anschläge auf Ölförderanlagen im ölreichen Nigeria. «Hinzu kam, dass sich die Erholung des Dollar nicht fortsetzen konnte und damit von der Währungsseite kein Störfeuer kam», kommentierte Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank. Trotz der zuletzt kräftigen Preissprünge sei der Höhepunkt der Rohstoffhausse noch nicht erreicht, schätzt Weinberg.
Goldman Sachs: Ölpreis könnte bis 200 Dollar steigen
Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs rechnet nicht mit einem baldigen Ende des Rekordjagd. Nach Einschätzung des Bankhauses könnte der US-Ölpreis in den nächsten sechs bis 24 Monaten auf 150 bis 200 US-Dollar je Barrel steigen, heisst es in einer aktuellen Studie. Die Investmentbank hatte bereits im März 2005 einen Ölpreisschub auf mehr als 100 Dollar vorhergesagt. Rohstoffexperte Arjun N. Murti sah den Ölpreis damals getrieben von einer wachsenden Nachfrage am Beginn einer mehrjährigen Hausse.
OPEC-Rohölpreis schiesst ebenfalls in die Höhe
Kräftig gestiegen ist unterdessen auch der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC). Nach Angaben des OPEC-Sekretariats vom Dienstag kostete ein Barrel (159 Liter) Rohöl aus den Fördergebieten des Kartells am Montag 111,60 Dollar. Das waren 4,61 Dollar mehr als am Freitag. Der alte Rekord von 111,66 Dollar vom 28. April rückt damit wieder in Reichweite. Die OPEC berechnet den Korbpreis auf der Basis von 13 Sorten der Organisation. (awp/mc/pg)