Fachleuten zufolge ist ein Grossteil des Öls an der Oberfläche verdunstet und von Bakterien im Wasser aufgefressen worden. Zwei Stürme hätten das Meer zudem stark aufgewirbelt und das Öl in kleinere, besser abbaubare Portionen aufgeteilt. «Das Öl löst sich gerade wirklich richtig schnell auf», sagte John Amos vom der Umweltschutzgruppe SkyTruth der «New York Times» vom Mittwoch. Die Sorgen über Langzeitschäden für die Umwelt bleiben jedoch. Noch immer wissen Wissenschaftler nicht, wie sich die Ölmassen unter der Meeresoberfläche verteilt haben. Ungewiss ist auch die Wirkung der ölzersetzenden Chemikalien, die BP massenhaft einsetzte.
Schiffsunfall vor der Küste Louisianas
«Weniger Öl auf der Oberfläche bedeutet nicht, dass kein Öl unter der Oberfläche ist», sagte die Chefin der Ozeanographiebehörde, Jane Lubchenco. Unterdessen ist nach einem Schiffsunfall vor der Küste des US-Bundesstaates Louisiana ein neues Ölleck aufgetreten. Aus einer Plattform sei Öl ins Meer geströmt, nachdem ein Boot der Küstenwache sie am Dienstag gerammt hatte, sagte der Einsatzleiter der US-Regierung für die Bekämpfung der Ölpest, Admiral Thad Allen. Auf der Wasseroberfläche habe sich ein «leichter Ölfilm» gebildet. Es handelt sich um eine seit 2008 verlassene Quelle in einer Bucht rund 100 Kilometer südlich von New Orleans.
Ölfontäne
Die US-Behörden entsandten umgehend Rettungsteams und Spezialschiffe zu der Unglücksstelle. Sie versuchten mit einer zwei Kilometer langen Barriere, die Ausbreitung des Öls aufzuhalten. Augenzeugen berichteten nach dem Zusammenstoss von einer meterhohen Ölfontäne. US-Krisenkoordinator Thad Allen sagte, es sei lediglich ein dünner Ölfilm auf der Wasseroberfläche zu sehen. Ausserdem steige ein Gemisch aus Gas- und Wasserdämpfen auf.
Abtretender BP-Chef sieht sich «dämonisiert»
Wegen der Bekämpfung der Ölpest durch die Explosion der BP-Bohrplattform «Deepwater Horizon» im April seien Spezialschiffe zum Absaugen des Öls bereits in der Nähe gewesen, sagte Allen. Dies könne sich nun als Vorteil erweisen. Nach massiver Kritik am Krisenmanagement gab der britische Konzern BP am Dienstag den Rücktritt seines bisherigen Chefs Tony Hayward im Oktober bekannt. Hayward klagte an einer anschliessenden Telefonkonferenz, er sei in der Öffentlichkeit «dämonisiert» worden. Die US-Regierung zeigte kein Mitgefühl: «Ich glaube nicht, dass viele Menschen in irgendeinem Land besonderes Bedauern für den ehemaligen BP-Vorstandschef haben werden», sagte der Sprecher des Weissen Hauses, Robert Gibbs.
US-Behörden ermitteln gegen beteiligte Firmen
US-Ermittler prüften derweil Vorwürfe, ob Beamte der Bundesbehörden über Jahre zu enge Beziehungen mit BP pflegten und den Konzern deshalb möglicherweise nicht richtig kontrollierten. Laut «Washington Post» (Mittwochausgabe) nehmen sie dabei auch das Unternehmen Transocean mit Sitz in Zug, von dem BP die Ölplattform gemietet hatte, sowie den Ölkonzern Halliburton, der für die Umfassung des Bohrlochs mit Zement zuständig war, ins Visier. Der scheidende BP-Chef Tony Hayward will sich nicht noch einmal von US-Senatoren auf den Zahn fühlen lassen. Er habe «zu viel zu tun», sagte am Mittwoch ein BP-Sprecher in London.
Auch Jack Straw winkt ab
Ein Senatsausschuss im US-Kongress in Washington wollte Hayward dazu befragen, ob BP die vorzeitige Freilassung des libyschen Lockerbie-Attentäters Abdel Basset al-Megrahi aktiv mitbetrieben hat, um anschliessend einen milliardenschweren Ölförderungsvertrag mit Libyen abschliessen zu können. Der ehemalige britische Aussen- und Justizminister Jack Straw hat es ebenfalls abgelehnt, dafür nach Washington zu kommen, genauso wie Mitglieder der schottischen Regionalregierung in Edinburgh. Senator Robert Menendez, der den zuständigen Ausschuss leitet, bezeichnete die Haltung der Briten als «äusserst enttäuschend». (awp/mc/ps/28)