Oswald J. Grübel, Credit Suisse Group: «Die Globalisierung ist nicht aufzuhalten»

Von Daniel Huber, emagazine

Daniel Huber : An der Globalisierung scheiden sich die Geister. Für die einen steht sie vor allem für globale Ausbeutung, für die anderen für weltweit wachsenden Wohlstand. Wie sehen Sie die Globalisierung?


Oswald J. Grübel: Leider wird die ganze Diskussion um die Globalisierung nur in Schwarzweiss-Tönen geführt. Dabei werden vor allem die Risiken hervorgehoben, während die Chancen weniger erwähnt werden. Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass die Globalisierung viele neue Arbeitsplätze schafft und den Wohlstand aller am freien Welthandel beteiligten Länder steigern wird.

«Unternehmen brauchen ein Umfeld, das der Geschäftstätigkeit förderlich ist, und dies beinhaltet auch ein gutes Bildungswesen, das hochqualifiziertes Personal hervorbringt, eine gut ausgebaute Infrastruktur sowie ein funktionierendes Sozial- und Gesundheitswesen». Oswald J. Grübel, CEO Credit Suisse Group

Trotzdem finden in der Öffentlichkeit selbst renommierte Befürworter kaum Gehör. Was läuft falsch?

Ich muss zugeben, dass, wenn es darum geht, für die Globalisierung zu argumentieren, wir von den Globalisierungsgegnern noch einiges lernen können. Haben Sie schon einmal auf Amazon.com geschaut, was es zum Thema Globalisierung an Büchern gibt? Ich sage es Ihnen: Neun von zehn Schriften wollen uns weismachen, dass die Globalisierung mehr Fluch als Segen und ein Instrument zur Ausbeutung der Schwachen sei.

Hat die Globalisierung nicht schon längst begonnen?

Tatsächlich ist die Globalisierung schon in vollem Gange und auch gar nicht mehr aufzuhalten. Heute werden bereits rund 30 Prozent der gesamten Weltproduktion international gehandelt. 1990 lag dieser Anteil noch bei 19 Prozent. 1970 waren es lediglich 12 Prozent. Entsprechend ist es eigentlich müssig, über ein Ja oder Nein zur Globalisierung zu diskutieren. Vielmehr wäre es heute wichtig, die Globalisierung für möglichst viele Beteiligte so vorteilhaft wie möglich zu gestalten.

Für die Gegner steht fest, dass die grossen Multis künftig vermehrt in Länder ziehen werden, wo sie weniger kontrolliert werden und steuergünstigere Bedingungen vorfinden. Ökonomisch gesehen scheint das nicht so abwegig zu sein.

Ganz generell sind Konzerne mit ihren Heimatländern oft viel stärker verbunden, als sie es zugeben. Sie sind zudem auf verlässliche Regeln, Standards, Garantien und Rechtssicherheit angewiesen. Warum sonst bleiben beispielsweise die erfolgreichen Technologieunternehmen in Nordeuropa diesen Standorten treu, obschon sie dort höhere Kosten haben? Unternehmen brauchen ein Umfeld, das der Geschäftstätigkeit förderlich ist, und dies beinhaltet auch ein gutes Bildungswesen, das hochqualifiziertes Personal hervorbringt, eine gut ausgebaute Infrastruktur sowie ein funktionierendes Sozial- und Gesundheitswesen.


Damit ist aber das Argument der Kritiker immer noch nicht vom Tisch, dass Grosskonzerne vor zu strikten Regulierungen ins freiere Ausland flüchten könnten.

Genau in dieser drohenden Gefahr kann man auch einen Vorteil sehen. Die Globalisierung übt damit eine Art disziplinierenden Effekt auf die Regierungen aus. Stehen nämlich die nationalen Regulierungen zu stark im Widerspruch zu den ökonomischen Grundsätzen, ist der zu bezahlende Preis für das jeweilige Land entsprechend hoch.&


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Zweifelsohne wird die Globalisierung aber die Arbeitswelt in den heutigen Industriestaaten verändern. Was heisst das für die Schweiz?

Es ist anzunehmen, dass gewisse arbeitsintensive Branchen in Billiglohnländer abwandern werden. Doch die Arbeit wird uns deshalb nicht ausgehen. Sie wird nur anders aussehen. Dem Einzelnen wird sie mehr Flexibilität und Eigeninitiative abverlangen. In der Expansion stecken aber viel mehr Chancen als Risiken – auch für die heimischen Arbeitsplätze. Die Erschliessung neuer Auslandmärkte eröffnet dringend benötigte neue Absatzmärkte: Schon heute importieren die Entwicklungs- und Schwellenländer per saldo mehr, als sie ausführen, und sichern so Arbeitsplätze in der entwickelten Welt. Für die entwickelten Länder bedeutet die Konkurrenz durch die Schwellenländer, dass sie innovativer werden und die Produktivität erhöhen müssen, und das setzt Investitionen in Bildung sowie Forschung und Entwicklung voraus.&


Sehen Sie trotz aller Begeisterung auch Probleme in der Globalisierung?

Probleme sehe ich dort, wo nur halbherzig globalisiert wird. Der grassierende Protektionismus in den Industrieländern verhindert, dass alle Länder ? insbesondere die in der Dritten Welt ? die gleichen Chancen erhalten. Am ausgeprägtesten ist das im europäischen Agrarsektor der Fall, der durch hohe Subventionen in den EU-Ländern vor Veränderungen geschützt wird.&


Wie wappnet sich die Credit Suisse für die neuen Herausforderungen der wachs enden Globalisierung?

Wir sind dabei, unsere Organisation verstärkt auf die neuen Wachstumsmöglichkeiten auszurichten. So beschäftigen wir zum Beispiel in Brasilien 300 Angestellte. Wir haben unser Bankgeschäft unter einem Dach und dem einheitlichen Namen Credit Suisse zusammengefasst. Die Integration wird uns ermöglichen, die in der gesamten Credit Suisse Group vorhandenen Fähigkeiten und unser Wissen über die Finanzmärkte zu bündeln und unsere Geschäftssparten optimal miteinander abzustimmen. Dies ist nur möglich, wenn wir unsere weltweite Präsenz nutzen, eine einheitliche Kultur und einen Teamgeist schaffen sowie gleichzeitig den regionalen Charakter vieler unserer Geschäftsbeziehungen bewahren. Globalisierung bedeutet nicht, alles gleich zu machen, sondern allen Menschen trotz kultureller Unterschiede möglichst ähnliche Bedingungen zu bieten.





Oswald J. Grübel
wurde 1943 in Deutschland geboren. Er begann seine Karriere mit einer Banklehre bei der Deutschen Bank in Mannheim. Bereits 1970 stiess er zu White Weld Securities, einer Tochter der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt. 1991 trat er in die Geschäftsleitung der Credit Suisse ein und wurde 1998 an die Spitze des Geschäftsbereichs Credit Suisse Private Banking berufen, den er drei Jahre erfolgreich leitete. Im Zuge der Zusammenlegung von Private Banking und Financial Services gab er per Ende 2001 seinen Rücktritt. Nur gerade ein halbes Jahr später kehrte er als CEO der Credit Suisse Financial Services zurück. Im September 2002 übernahm er zuerst als Co-CEO und ab Juli 2004 als alleiniger CEO die Leitung der Credit Suisse Group.






Dieser Artikel wurde Moneycab
freundlicherweise von der
Redaktion Emagazine zur Verfügung gestellt

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