Otti Bisang: Von der Moral des Kapitals
Von Olivia Schiffmann
Lange wurden sowohl so genannte Öko-Fonds als auch der Bereich der erneuerbaren Energien vom Vorurteil geprägt, dass es Anlagen für links-alternative Kreise seien, die bereit wären, Engagement mit schlechtern Performances zu bezahlen. Dieses Image entstand zur Zeit der ersten Nachhaltigkeitsfonds Mitte der achtziger Jahre. Die Fonds waren damals fundamental ökologisch ausgerichtet und schlossen viele Branchen von Beginn weg aus, was denn auch tatsächlich zu niederen Performances führte.
Nachhaltigkeit muss massentauglich sein
Zur Behebung dieses Missstandes entstand etwas später das so genannte «Best-in-Class» ? Konzept, welches auf den traditionellen Asset-Management Grundsätzen basiert. Best-in-Class bedeutet, dass aus jeder Branche die umweltfreundlichsten, ethischsten oder sozialsten Unternehmen herausgefiltert werden. Dadurch können Anleger dank breiter Branchen-Streuung ihr Risiko minimieren. Die Kehrseite davon ist, dass auch Branchen zu den besten zehn gehören, die nicht per se ökologisch motiviert sind. Otti Bisang von der Abteilung Sustainability Affairs der Credit Suisse erläutert den Umgang mit der Problematik anhand eines Beispiels aus der Ernährungsbranche: «Es gilt, eine Priorität zwischen fundamental und ideal zu setzen. Wenn es für den Vertrieb von biologisch hergestellten Lebensmitteln nur Reformhäuser gäbe, würde eine geringe Anzahl Menschen Bio-Produkte von sehr hoher Qualität wie Demeter kaufen und die grosse Masse der Menschen überhaupt keine. Da ist es im Endeffekt doch viel besser, wenn Grossverteiler wie Coop und Migros ihr Sortiment um ein wenig tiefere Bio-Standards-Lebensmittel wie Knospe ergänzen und so insgesamt eine viel grössere Anzahl Menschen biologisch produzierte Nahrungsmittel kauft.» Nicht vergessen darf man bei dieser Diskussion auch, dass es oft gerade Grosskonzerne aus den Automobil- oder Erdölbranchen sind, welche die finanziellen Mittel zur Forschung und Entwicklung im Bereich der Nachhaltigkeit besitzen. Die Entwicklung eines Hybridmotors durch Toyota ist nur ein Beispiel dafür.
Schweizer Agentur SAM weltweit führend
Wie wird jedoch entschieden, welche Unternehmen zu den Besten in ihrer Klasse gehören? Es ist offensichtlich, dass die Fondsmanager unmöglich selbst für jedes Unternehmen eine Analyse vornehmen können. Deshalb orientieren sie sich an Nachhaltigkeitsindizes, welche von Rating-Agenturen erstellt werden. Eine der weltweit führenden ist die SAM-Gruppe mit Hauptsitz in Zürich. 1995 wurde sie als unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft für Sustainability-Investments gegründet. Heute zählen Banken, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Stiftungen sowie Privatkunden zu ihrem Kundenkreis. SAM hat mit Dow Jones zusammen den Dow Jones Sustainability World Index kreiert. Er enthält die saubersten zehn Prozent der 2500 Unternehmen aus dem Dow Jones Global Index. Die SAM-Gruppe, welche sich klar als Finanzinstitut sieht und nicht als moralische Instanz, verzichtet auf Ausschlusskriterien für den Index.
Das Reformhaus der Anleger
Für die Anleger, welche ganz bewusst ethisch/ökologisch anlegen möchten, bietet die Credit Suisse beispielsweise den Global Sustainability Fonds an. Er ist im Sinne eines Themenfonds konzipiert und ist, um beim obigen Beispiel zu bleiben, quasi das Reformhaus für die Anleger. Denn bei diesem Fond werden sämtliche Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Rüstung, Tabak, Glücksspiel, Pornografie und Kernenergie erzielen oder Kinderarbeit tolerieren, nicht aufgenommen. Studien zeigen, dass die Performance von nachhaltigen Anlagen leicht besser oder mindestens gleichwertig ist als bei traditionellen. Auf die Frage hin, wieso die nachhaltigen Anlagen trotzdem immer noch nur ein Prozent des schweizerischen Anlagevolumens ausmachen, gibt Otti Bisang zu bedenken: «Viele Anleger investieren nachhaltig, ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Standard in der Schweiz ist sehr hoch. Wer beispielsweise Aktien der Credit Suisse, der UBS oder der Swiss Re hat, investiert in Nachhaltigkeit, denn all diese Firmen sind im Dow Jones Sustainability Index gelistet.» Neben diesen drei Firmen sind folgende SMI-Firmen im DJSI gelistet: ABB, Baloise, Holcim, Nestlé, Novartis, Roche, Serono, Swisscom und Zürich.
Pensionskassen entdecken die Nachhaltigkeit
In der Schweiz sind acht Milliarden Franken, europaweit 30 Milliarden Euro nachhaltig angelegt. Hierzulande kamen davon allein in den letzten zwei Jahren zwei Milliarden dazu. Einen grossen Aufwärtstrend gibt es vor allem dank dem Engagement der Institutionellen, denn die haben erkannt, dass sich mit nachhaltigen Anlagen erstens Geld verdienen lässt, zweitens das Risiko-Rendite-Verhältnis stimmt und sich drittens übergeordnete Ziele verfolgen lassen. Die Langfristigkeit der Ziele deckt sich gut mit dem langfristigen Anlagehorizont von beispielsweise Pensionskassen. Auch die AHV lässt mittlerweile eine Milliarde Franken nachhaltig anlegen.
Mikrofinanz als nachhaltige «Spende» für Asien
Eine tatsächliche Einflussnahme auf nachhaltige Ideen ist mit Umwelt- oder Ethikfonds nur beschränkt möglich, da das Geld ja nicht in neue Projekte investiert wird, sondern in den bestehenden Kapitalmarkt einfliesst. Unmittelbareres Engagement ist eher im Bereich der Mikrofinanzierung oder mittels Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu erreichen. Ein Beispiel aus der Aktualität ergibt sich im Zusammenhang mit den Spenden für Südostasien. Nach der Soforthilfe wird ein nachhaltiger Aufbau der zerstörten Regionen wichtig sein. «Ein geeignetes Mittel, um nachhaltig zu helfen, ist der Erwerb oder die Aufstockung von Mikrofinanz-Anlagen, welche speziell auf die vom Seebeben zerstörten Regionen fokussieren» erklärt Otti Bisang.
Die Wende wird kommen
Interessiert sich der Anleger vor allem für die Energiethematik, so findet er spezielle Fonds in diesem Bereich. Diese Fonds sind vor allem für Retail-Kunden attraktiv, denn es wird davon ausgegangen, dass im Jahre 2050 die Hälfte der weltweiten Deckung durch erneuerbare Energien erfolgen wird. Zum Vergleich: Heute liegt der Ansatz bei fünf Prozent. Am Weltmarkt sind zurzeit die kleineren Unternehmen führend, sie stellen Windkraftanlagen her, errichten Windparks und produzieren Solarsysteme. Die Anleger haben die Chance von den hohen Wachstumsraten der Branche zu profitieren, wenn sie in die führenden Anbieter investieren. Aus Risiko-Überlegungen sollten jedoch nur AnlegAnleger mit genügend grossem Vermögen in einzelne Firmen investieren.