Paketbomben: Schweiz und Chile keine zufälligen Ziele

Die Auswahl der Anschlagsziele sei bewusst erfolgt, sagte Alfredo Mantovano, Unterstaatssekretär im Innenministerium, in einem am Freitag erschienenen Interview mit der Zeitung «Il Giornale». Die Paketbombe an die chilenische Botschaft erkläre sich mit dem Tod des Anarchisten Maurizio Morales. Die chilenischen Behörden werden von Anarchisten-Kreisen für seinen Tod verantwortlich gemacht. Gemäss Informationen auf der Anarchisten-Website «infoshop.org» war Morales am 22. Mai 2009 in der chilenischen Hauptstadt Santiago ums Leben gekommen, als von ihm transportierter Sprengstoff unerwartet explodierte. Morales sei mit seinem Tod in die Ruhmeshalle der Anarchisten-Bewegung eingetreten, sagte Unterstaatssekretär Mantovano.


«Netzwerk von Anarcho-Terroristen»
Italiens Innenminister Roberto Maroni sagte, es gebe verschiedene Elemente, die eine Spur zu «Anarchisten-Aufrührern» ergäben. «Das sind gewalttätige Gruppen die auch in Griechenland und Spanien präsent und sehr gut vernetzt sind» sagte er. Die griechische Polizei teilte am Freitag aber mit, es gebe keinen Hinweis auf die Beteiligung von Griechen an den Anschlägen in Rom. Auch der Schweizer Botschafter in Rom, Bernardino Regazzoni, sieht einen Zusammenhang des Anschlags mit Inhaftierungen von Mitgliedern des «Netzwerks von Anarcho-Terroristen». Dies sagte Regazzoni am Freitag gegenüber dem Zürcher Privatradio «Radio 1» unter Berufung auf Angaben der italienischen Polizei. Auf die Frage, ob der Anschlag auch eine Antwort auf die Inhaftierung von Marco Camenisch sei, sagte Regazzoni, «so sieht es aus».


Antwort auf Inhaftierung von Marco Camenisch?
Camenisch war 2002 nach Verbüssung einer mehrjährigen Haftstrafe von Italien an die Schweiz ausgeliefert worden. Er muss einerseits eine frühere Strafe von 1981 wegen Anschlägen auf Einrichtungen der Stromindustrie noch absitzen. Andererseits wurde der auch als «Öko-Terrorist» bezeichnete Camenisch wegen Mordes an einem Grenzwächter verurteilt. In der Schweiz waren ferner am 15. April 2009 eine Italienerin, ein Italiener und ein Schweizer unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag auf das im Bau befindliche IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon ZH vorbereitet zu haben. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft. Nach den Bombenanschlägen in Rom waren die italienischen Sicherheitskräfte weiter in erhöhter Alarmbereitschaft. Botschaftsgebäude, Ministerien, Postämter und das Parlament wurden am Freitag verstärkt bewacht.


Je ein Mitarbeiter der zwei Botschaften verletzt
Die Bombe in der Schweizer Botschaft in Rom war am Donnerstagmittag explodiert, als der 53-jährige Postverantwortliche das Paket öffnen wollte. Er wurde schwer an den Händen verletzt. Rund drei Stunden nach der Explosion in der Schweizer Botschaft ging auch in der chilenischen Vertretung in Rom eine Paketbombe hoch. Eine Person wurde an Händen, Augen und am Brustkorb verletzt. Die Botschaften der Schweiz und Chiles in Athen gehörten Anfang November auch zu den Anschlagszielen einer Paketbombenserie, zu welcher sich die griechische linksextremistische Untergrundorganisation «Verschwörung der Feuerzellen» bekannt hatte. (awp/mc/ss/06)

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