Palais Liechtenstein Wien: Auf goldenem Grund

«Goldgrundbilder», wie sie im kunsthistorischen Kontext kurz genannt werden, spielten in den Fürstlichen Sammlungen von Anfang an eine Rolle. Nun werden diese Werke der frühen italienischen Malerei mit einer eigenen Sonderschau entsprechend gewürdigt.


Etwa 50 Kunstwerke der Zeit zwischen 1325 und 1520, darunter Gemälde von Bernardo Daddi, Lorenzo Monaco, Giovanni di Paolo, Sassetta, Bartolomeo Vivarini und Liberale da Verona, veranschaulichen die Entwicklung der italienischen Malerei der Gotik und Frührenaissance und die Themenvielfalt dieser Epochen. Die Auswahl und Zusammenstellung der Werke deckt praktisch alle wesentlichen italienischen Kunstlandschaften jener Zeit ab – von Oberitalien bis zu Neapel im Süden, das noch unter starkem französischem Einfluss gestanden ist -, erhebt jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Einen besonderen Kernbestand der Ausstellung bilden Gemälde aus der Toskana mit einem Schwerpunkt auf Siena und Florenz.


Der inhaltliche Bogen spannt sich von mehrteiligen kleinen Flügelaltären, die noch in ihrem ursprünglichen Aufbau erhalten sind, sowie Varianten des Bildtypus› der thronenden Gottesmutter mit Kind, die sich im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts herausgebildet haben, über kleinteilige Heiligentäfelchen, die einst im Verband grösserer Altäre standen, bis hin zu seltenen Profanthemen, wie etwa der Wiedergabe von drei Episoden aus einem Tristanzyklus. Der thematische Schwerpunkt liegt jedoch auf der religiösen Malerei.



Feinste Technik



Il Libro dell’Arte (um 1390/1400), das als erstes bekanntes Handbuch der frühitalienischen Malerei gilt, gibt detailliert Aufschluss über die Technik der Goldgrundmalerei, deren Ursprünge in Byzanz zu suchen sind.
In die oft mit Leinwand überzogene, mit Leim und fein gemahlenen Kreiden in mehreren Durchgängen grundierte Holztafel – in Italien meist Pappel oder Linde – wurde eine grobe Ausführung der Darstellung skizziert oder eingeritzt. Die Qualität des Kreidegrundes, der nach jedem Auftrag immer feiner geschliffen werden musste, gab den Ausschlag für Oberflächencharakter und Beständigkeit der Vergoldung. Gelegentlich hob der Maler beim Grundierprozess durch gezielten, pastosen Pinselauftrag bestimmte Bildelemente (Heiligenscheine, Blumen, Rahmungen oder andere Schmuckteile des Bildes) plastisch hervor. Verzierungen aus Glas oder Edelsteinen – in die feuchte Masse eingedrückt – konnten zusätzliche Effekte erzielen. Diese so genannte Pastigliatechnik lässt sich sehr weit zurückverfolgen und es wird angenommen, dass sie sich von Byzanz aus zunächst in Südeuropa ausgebreitet hatte. In Italien erlebte sie imTrecento und Quattrocento eine besondere Blüte.



Highlights der Extraklasse




Die Tauben in der Hand
Gemäss der Gesetzesvorschrift kamen Maria und Josef nach Jerusalem, um das vorgeschriebene Opfer zweier Tauben im Tempel darzubringen und Jesus dem Priester vorzustellen. Das Evangelium nach Lukas verweist auf Simeon als frommen israelitischen Greis, der auf die Ankunft des Messias wartete und gemeinsam mit der Prophetin Hannah in Jesus den Messias erkannte (Lk 2,25-35). Bernardo Daddis Interpretation dieser Szene reduziert das Formenvokabular in dieser schlanken Tafel auf eine vergleichsweise einfache Komposition mit achsialer Figurenanordnung und sehr simpler Raumaufteilung. Die Spuren von vier vormals seitlich angebrachten Scharnieren belegen den Gebrauch dieser Tafel als Teil eines tragbaren mehrflügeligen Altares oder eines Tabernakels.



BERNARDO DADDI (TÄTIG IN FLORENZ AB ETWA 1320-1348), DARBRINGUNG CHRISTI IM TEMPEL, UM 1336/38
Tempera und Gold auf Holz, Galerie G. Sarti, Paris


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Ecce-Homo



Die Bildproduktion des Trecento erfährt mit dem Typus der Ecce-Homo-Darstellung eine thematische Erweiterung. Die Figur Christi ist aus dem narrativen Zusammenhang genommen und im Augenblick des stillen Leidens als so genannte Imago Pietatis dargestellt. Christus ist im Sarkophag stehend als Halbfigur wiedergegeben und verdeutlicht durch diese unnatürliche Pose das Göttliche des als Mensch verstorbenen Erlösers. Die Drapierung des Tuches um den aufgeklappten Sarg vermittelt Ansätze einer tiefenräumlichen Illusion. Der kostbare Rahmen mit Pastiglia-Verzierungen und acht Medaillons unterstreicht das reiche Dekor der fein punzierten Tafel. Eine ähnlich aufwändige Rahmengestaltung erfuhr auch Ceccharellis signierte Madonna mit Kind, die vermutlich für denselben Auftraggeber für den klösterlichen oder privaten Gebrauch entstand.



NADDO CECCHARELLI (TÄTIG 2. VIERTEL 14. JAHRHUNDERT), CHRISTUS ALS SCHMERZENSMANN, UM 1347
Tempera und Gold auf Holz, bez. am unteren Bildrand: NADDUS CECCH(ARELLI) DESENIS MEPINX(IT)
Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz-Wien, Inv.-Nr. GE 862


 


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EGO SVM VIA VERITAS ET VITA



Wie Gregorio di Cecco (dokumentiert um 1389 – vor 1424) folgt auch Giovanni di Paolo kompositorisch dem Typus der Sacra Conversazione. Die zentrale Madonnenfigur trägt auf ihrem linken Arm das segnende Jesuskind, das durch ein Schriftband mit den Worten des Evangeliums nach Johannes «(E)GO SVM VIA VERIT(AS ET VITA)» («Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben»; Joh 14,6) auf die Menschwerdung Gottes hinweist. Die gekrönte Heilige im linken Bildvordergrund kann aufgrund der Märtyrerpalme als heilige Katharina von Alexandria identifiziert werden, bei der Figur mit dem weissen Umhang auf der rechten Seite handelt es ich vermutlich um die heilige Dorothea. Die zahlreichen Punzierungen sowie die Anwendung der Sgraffito-Technik bei der Formulierung der Gewänder knüpfen an die Tradition sienesischer Künstler des Trecento wie Simone Martini (um 1284-1344) oder Lippo Memmi (tätig 1317 – um 1350) an.
GIOVANNI DI PAOLO (SIENA 1398-1482 SIENA)
MADONNA MIT KIND ZWISCHEN DEN HEILIGEN KATHARINA VON ALEXANDRIA UND DOROTHEA (?) UND ZWEI ENGELN, UM 1420, Tempera und Gold auf Holz, Galerie G. Sarti, Paris


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Mitra und Ornat



Die Tafel zeigt den heiligen Petrus im päpstlichen Ornat. Seine rote Pänula ist mit Punzierungen dekoriert und der Ausschnitt seines Messgewandes ist ebenso wie die Mitra durch Applikationen in Pastiglia besonders betont. Flankiert wird der Heilige von zwei Engeln in Sgraffito-Technik. Der originale Kontext der Tafel ist nicht bekannt, doch könnte sie den Kopf eines älteren Bildnisses ersetzt haben. Der spitzoval zulaufende Hintergrund verweist hingegen auf eine breite Giebelbekrönung und beidseitige Flankierung von weiteren Tafeln. Andrea de Marchi bezog sich bei der Zuschreibung auf einen Kupferstich von 1677, der das Grabmal Papst Gregors XII. in der Kathedrale von Recanati zeigt. Die seltene, doch in den Marken gängige Ikonographie des heiligen Petrus als Papst entspricht seiner Hypothese, dass die Tafel ursprünglich Teil dieses Grabes war.



PIETRO DI DOMENICO DA MONTEPULCIANO (RECANATI, DOKUMENTIERT ZWISCHEN 1418 UND 1427)
DER HEILIGE PETRUS ALS PAPST, UM 1428
Tempera, Pastiglia und Gold auf Holz
Galerie G. Sarti, Paris


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Augustinus- höchster lateinischer Kirchenvater



Vermutlich ab 1420 reisten sienesische Maler nach Florenz, um die dortigen Meisterwerke und deren neue Bildsprache zu studieren. Darunter befand sich möglicherweise auch Stefano di Giovanni, genannt Sassetta (um 1400-1450), einer der bedeutendsten Vertreter der Quattrocento-Malerei in Siena.
Sassettas wichtigstes Werk, das umfangreiche Polyptychon für San Franceso in Borgo San Sepolcro, entstand zwischen 1437 und 1444 und bestand ursprünglich aus rund 60 Tafeln. Im späten 16. Jahrhundert wurde ein neues Altarwerk gestiftet und Sassettas Meisterwerk ersetzt. Die beidseitig bemalten Tafeln wurden voneinander getrennt und teilweise sogar in Vorder- und Rückseiten gespalten, um unterschiedlichen Verwendungen zugeführt zu werden. Bis heute haben sich in Museen und Privatsammlungen weltweit 27 Fragmente dieses aussergewöhnlichen Werks erhalten, von denen einige mittels neuester Röntgentechnik eindeutig dem Altar zugeordnet werden konnten.
Weiters konnte die Forschung anhand der so genannten scripta von 1439, einer Festlegung des Bildprogramms, den Aufbau des Altars belegen und detailliert nachvollziehen: Auf der Vorderseite bildete eine Madonna mit Kind das Zentrum.
Zu ihrer Rechten befanden sich der heilige Johannes der Täufer und der Mönch Raniero Rasini, links wurde sie von Johannes dem Evangelisten und dem heiligen Antonius von Padua flankiert. Darunter befand sich eine Predella mit vier Szenen aus der Passionsgeschichte Christi, darüber waren eine Kreuzigung sowie Giebelfelder mit Heiligen. Auf der Rückseite nahm der heilige Franziskus das Zentrum ein, umgeben von narrativen Szenen aus seinem Leben. In den Giebelfeldern darüber waren eine Verkündigung sowie im zweiten Feld von rechts Der heilige Augustinus (1439-1444) angeordnet.
Bezug nehmend auf die ursprüngliche Position des Bildes in einem erhöhten Giebelfeld des Altars ist Der heilige Augustinus in Untersicht wiedergegeben. Obwohl alle vier lateinischen Kirchenväter Teil des Altarprogramms waren, nahm Augustinus, der Vater und Schöpfer der theologischen und philosophischen Wissenschaft des christlichen Abendlandes, als einziger einen Platz in der obersten Zone und damit eine Sonderstellung ein.



STEFANO DI GIOVANNI, GEN. SASSETTA (CORTONA, UM 1400-1450 SIENA)
DER HEILIGE AUGUSTINUS, 1439-1444, Tempera, Silber und Gold auf Holz, Privatbesitz


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Maria Lactans


Der Bildtypus der Maria Lactans stammt ursprünglich aus der Kultur Ägyptens; Isis, die den Horusknaben stillt, wurde als Symbol der Fruchtbarkeit dargestellt. In der byzantinischen Kunst erfuhr dieses Motiv eine ikonographische Veränderung,
indem die Verbindung von Gottes Sohn mit den Menschen auf Erden geschildert wurde. Ab dem 14. Jahrhundert vermitteln Darstellungen der Maria Lactans weiters die enge Beziehung zwischen Maria und dem Jesuskind in diesem privaten Moment. Hier hält Maria ihr Kind liebevoll im Arm, doch richtet sich ihr entrückter Blick weder dem Jesusknaben noch dem Betrachter zu. Stilistisch ist das Vorbild Donatellos (um 1386-1466) zu erkennen, der prachtvolle Nimbus Mariens erlaubt eine Zuschreibung an Vivarinis Werkstatt in Padua. Die zitierte Passage im Nimbus Mariens «NIGRA SVM SED FORMOSA» («Schwarz bin ich, doch schön», Hohelied Salomos, Lied 1,5) ist vermutlich eine Referenz an die 638 in Venedig gegründete Kirche Santa Maria Formosa, für die Bartolomeo Vivarini 1473 ein Triptychon schuf.



BARTOLOMEO VIVARINI (VENEDIG, UM 1430 – UM 1491), MARIA LACTANS, UM 1450, Tempera und Gold auf Holz, Courtesy Galerie G. Sarti, Paris


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Madonna dell› Umiltà


Als Gegenpol zur hoheitsvollen Maestà, der thronenden Muttergottes, entwickelte sich in Siena im zweiten Viertel des Trecento der Typus der Madonna dell› Umiltà (Madonna der Demut). Sellaios Maria, von mehreren Engeln umgeben, sitzt mit gesenktem Blick am Boden und entspricht damit jener Bildfindung. Die Figurenanordnung stimmt mit dem Bildformat überein und die unterschiedlichen Blickrichtungen der Protagonisten führen den Betrachter subtil durch das Gemälde. Die Bildgestaltung im Format eines Tondos, eines kreisrunden Bildwerks, entwickelte sich in der Florentiner Malerei im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts und wurde von diversen Renaissancemalern, wie Botticelli (1445- 1510), häufig aufgegriffen und variiert. Dieser Tondo wurde von Fürst Johann I. von Liechtenstein 1834 als Werk des Domenico Ghirlandaio (1449-1494) erworben.



JACOPO DEL SELLAIO (FLORENZ 1442-1493 FLORENZ), AUCH JACOPO DI ARCANGELO, JACOPO D’ARCANGELO,
JACOPO DA SELLAIO


Palais Liechtenstein Wien

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