Patrick De Maeseneire, CEO Barry Callebaut: Auf der Schokoladenseite des Marktes

Moneycab: Herr De Maeseneire, Barry Callebaut, obwohl dem breiten Publikum nicht so geläufig, scheint eine anhaltende Erfolgsgeschichte zu sein. Mit einem Marktanteil von 39% im Bereich Industriekunden und einem Marktanteil von 35% im Bereich Gourmet dominieren Sie den Markt und die Preise. Was machen Sie besser als die Konkurrenz?

Patrick De Maeseneire:
Barry Callebaut ist weltweit einzigartig aufgestellt. Wir sind das einzige voll vertikal integrierte Schokoladenunternehmen, das die ganze Wertschöpfungskette von der Bohne bis zum fertigen Produkt im Regal abdeckt. Zudem sind wir als einziger Anbieter auf beiden Seiten des Atlantiks präsent, für Industrie- und Gourmetkunden als auch für die Detailhändler.

Das ist ein bedeutender Wettbewerbsvorteil, denn unsere Industrie- und Detailhandelskunden sind mehr und mehr «global players» mit weltweiter Präsenz und zentralisiertem Einkauf, die wir auf allen Kontinenten mit gleicher Qualität und zu gleichen Preisen beliefern können. Weiter verfügen wir als einziger Hersteller über mehr als 1’600 aktiv verwendete Rezepte und wir konzentrieren uns ausschliesslich auf Schokolade und Süsswaren.


«Wir sind das einzige voll vertikal integrierte Schokoladenunternehmen, das die ganze Wertschöpfungskette von der Bohne bis zum fertigen Produkt im Regal abdeckt.»  Patrick De Maeseneire, CEO Barry Callebaut



Als führender Lieferant für Industriekunden steht Barry Callebaut mit seinen eigenen Markenartikeln von Brach’s in den USA und Stollwerck in Deutschland in direkter Konkurrenz mit seinen Kunden. Wie gefährlich ist diese Strategie und wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Wir haben vor dem Einstieg in das Verbrauchergeschäft mit unseren bedeutendsten Kunden über unsere strategischen Absichten gesprochen. Am wichtigsten ist ihnen, dass wir unsere erwiesene Innovationskraft und Kostenführerschaft erhalten. Wenn ihr Urteil negativ ausgefallen wäre, hätten wir den Schritt nicht gemacht.

Zudem haben wir eine saubere organisatorische und führungsmässige Trennung zwischen unserem Geschäft mit industriellen Kunden und unseren Geschäftsbereichen für gewerbliche und Detailhandelskunden eingeführt.
Unseren Kunden war klar, dass wir als kotiertes Unternehmen ein Augenmerk auf gute Preise und Margen haben würden, was letztlich der ganzen Branche zu gute kommt. Gerade in Deutschland war in den letzten Jahren diesbezüglich viel kaputt gemacht worden.
Der Trend geht auch in der Nahrungsmittelbranche immer mehr Richtung Outsourcing. Das heisst, unsere industriellen Kunden gehen heute teilweise so weit, dass sie die gesamte Herstellung bis hin zum fertig verpackten Produkt auslagern, um sich selber auf das Marketing zu konzentrieren.

Heute, mit Stollwerck und Brach’s, verfügen wir über die nötigen Anlagen für das Formen und Verpacken von Verbraucherprodukten, d.h. wir können von diesem Trend an vorderster Front profitieren. Zuletzt generieren wir ungefähr die Hälfte unseres Umsatzes im Verbrauchergeschäft mit Handelsmarken, einem weltweit stark wachsenden Geschäft, das viele Markenartikelhersteller gar nicht betreiben.


Wie sehen Sie die Entwicklung des Schokoladenmarktes in den kommenden Jahren? Werden Sie unter Anti-Fett-Kampagnen zu leiden haben oder vom Bedürfnis nach einem «süsseren Leben» profitieren?

Der Schokoladenmarkt wächst weltweit pro Jahr um durchschnittlich etwa 2%. Unser Ziel ist es, doppelt so schnell wie der Markt zu wachsen. Dazu bieten wir einerseits unseren Kunden umfassende Services an, die über das eigentliche Produkt hinausgehen.

Andererseits legen wir grossen Wert auf Forschung & Entwicklung und damit auch auf die Ernährungstrends der Konsumentinnen und Konsumenten. Gerade dabei erweist sich unsere globale Präsenz als Vorteil für uns, denn die Wahrscheinlichkeit ist jeweils hoch, dass z.B. Trends aus den USA nach Europa überschwappen und gelegentlich auch umgekehrt.

Unter unseren mehr als 1’600 Rezepten haben wir Schokolade ohne Zuckerzusatz, die erst noch gut schmeckt, wir haben eine Schokolade, die wie Milchschokolade schmeckt, aber anstelle von Milch Reispulver enthält, sich also für die zunehmende Zahl von Menschen mit Laktoseintoleranz eignet, unsere Tochtergesellschaft Brach’s hat eine ganze Reihe von zuckerfreien Bonbons eingeführt, wir arbeiten zur Zeit an der Entwicklung einer «low carb»-Schokolade, d.h. einer kohlenhydratarmen Schokolade, die man auch als Teil einer Atkins-Diät geniessen darf, usw. Wir sind uns der Problematik von Übergewicht und der möglichen Folgekrankheiten natürlich bewusst.

Hauptgründe dafür sind eine einseitige Ernährung und Bewegungsmangel. Wer sich ausgewogen ernährt, darf sich mit gutem Gewissen auch ein Stück Schokolade leisten. Gerade Schokolade mit hohem Kakaogehalt führt relativ schnell zu einem Sättigungsgefühl, d.h. man hält automatisch Mass.


Wie wichtig ist für Sie der globale Hauptsitz in Zürich, da die Schweiz nicht Ihr bedeutendster Markt ist? Ist die Nähe zu Ihrem Hauptaktionär Klaus Jacobs Grund genug in Zürich zu bleiben?

Wir sind an der Schweizer Börse kotiert, und es ist uns wohl in der Schweiz; das darf ich auch als Belgier sagen. Ursprünglich ist Barry Callebaut aus der Fusion zwischen einem belgischen (Callebaut) und einem französischen Unternehmen (Cacao Barry) entstanden, später kam Carma in der Schweiz hinzu, Stollwerck in Deutschland, Brach’s in den USA, ein Drittel unseres Umsatzes stammt aus den USA, wir wollen geografisch weiter in Asien, Osteuropa und Lateinamerika expandieren – kurz: wir sind heute ein globales Unternehmen. Ich finde, die Schweiz ist neutral, liegt im Herzen Europas und ist damit ein guter Standort für uns.


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Klaus Jacobs überlegt sich, seinen Anteil an Barry Callebaut weiter zu senken. Der Free Float, also der frei handelbare Teil des Aktienkapitals, gilt mit unter 40% für viele Investoren immer noch als zu tief. Wäre für Sie ein höherer Free Float für die Entwicklung des Unternehmens wünschenswert?

Wichtig ist meines Erachtens, dass wir als Unternehmen fair beurteilt werden und dass unser Free Float nicht hinderlich ist. Wenn Sie die Entwicklung unseres Aktienkurses in den letzten zwölf Monaten betrachten, glaube ich, dass diese beiden Punkte erfüllt sind.


Die Eigenmittelquote ist zwar wieder etwas gestiegen, sie gilt aber mit unter 30% immer noch als sehr tief. Wie wollen Sie die Bilanz wieder in eine komfortablere Relation bringen?

Unsere Eigenmittelquote ist tatsächlich immer noch relativ tief. Wir haben die Absicht, einen Teil des Cashflows für die Verbesserung der Bilanzstruktur zu verwenden, was zu einer Verbesserung aller Ratios führen wird. Wenn wir unsere Performance-Ziele, die wir uns mit einem Dreijahreshorizont gesetzt haben, erreichen, werden wir ein BBB-Rating erzielen.


In der jüngsten Vergangenheit haben Sie einige wichtige Akquisitionen gemacht, die spektakulärste mit Brach’s in den USA. Hat Barry Callebaut die Akquisitionen schon verdaut, wo lagen die grössten Probleme und was sind die bedeutendsten Vorteile der Zukäufe?

Mit Stollwerck und Brach’s verfügen wir über eine starke Präsenz in den zwei grössten Verbrauchermärkten der Welt, Deutschland und USA. Was uns Brach’s bietet, ist der Zugang zu den grossen amerikanischen resp. internationalen Detailhändlern, mit denen zusammen wir wachsen wollen. Diese Detailhändler sind zum Teil grösser als eine ganze Volkswirtschaft! Brach’s und Stollwerck zusammen bedienen die 10-12 grössten Detailhändler, d.h. wir verfügen über eine globale Plattform.

Die grösste Herausforderung für Brach’s in der ersten Phase bestand in der Verlagerung der Produktion von einer überalterten Fabrik in Chicago mit entsprechend hohen Produktionskosten in ein hochmodernes Werk im Norden Mexikos. Dieser Transfer ebenso wie die Schliessung der Fabrik in Chicago wurden Ende 2003 abgeschlossen.


Welches sind für Sie als CEO die wichtigsten Ziele, die Sie sich gesteckt haben und wie gedenken Sie diese zu erreichen?

Wir haben uns sehr klare und ehrgeizige Ziele für die nächsten drei Jahre gesetzt mit einem zweistelligen Wachstum von Betriebsgewinn (EBIT) und Konzerngewinn (PAT). Im Bereich Industriekunden wollen wir unsere geografische Expansion fortsetzen und vom erwähnten Outsourcing-Trend profitieren. Im Bereich Gourmet & Spezialitäten werden wir auf verschiedene Arten wachsen: geografisch, durch erhöhte Kundennähe und durch eine stetige Erweiterung unserer anwendungs- und verkaufsfertigen Produkte, was einem zunehmenden Bedürfnis dieser Kundengruppe entspricht. Im Verbraucherbereich schliesslich haben wir das Ziel, die Restrukturierungen von Stollwerck und Brach’s plan- und budgetgemäss abzuschliessen und unser Markenportefeuille durch konsequente Fokussierung auf lediglich noch drei Kernmarken zu stärken.


Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, wie würden die aussehen?

Privat wünsche ich mir, dass meine Familie gesund bleibt. Alles andere kann man selber beeinflussen, Gesundheit aber nicht. Schokolade ist ja eigentlich eine Frucht; Kakao wächst an einem Baum. Mein persönliches Motto lautet deshalb: «A chocolate bar a day keeps the doctor away.» Beruflich ist es mein Traum, dass alle unsere Kunden voller Stolz auf ihren Verpackungen schreiben würden: «Barry Callebaut inside». Daran arbeiten wir!






Der Gespräschspartner
Patrick G. De Maeseneire (1957) ist seit dem 1. Juni 2002 CEO der Barry Callebaut AG.

Er kam von der Adecco S.A., wo er seit 1998 tätig war, zunächst als General Manager für die Benelux-Länder und seit Juni 2001 als President of Professional Staffing & Managed Services in New York.
Davor war Patrick De Maeseneire in verschiedenen Positionen bei Wang Belgien, Apple Computers und Arthur Andersen tätig.

Patrick De Maeseneire studierte Ingenieurwissenschaften an der Universität Brüssel und Marketing Management an der Universität Gent sowie Business Management an der London Business School und an der Insead in Fontainebleau. (mc/hf)

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