Patrick Firmenich, CEO Firmenich S.A.

von Gérard Al-Fil


Herr Firmenich, sind Sie Alinghi-Fan?

Ja, selbstverständlich. Ich war selbst in Valencia zugegen und habe den 33. America?s Cup aus nächster Nähe verfolgt. Ich finde, das Team um Ernesto Bertarelli hat eine wunderbaren Job gemacht. Aber das Gesetz des Sport sagt eben, dass am Ende nur ein Sieger auf dem Podest stehen kann, und der heisst heuer BMW Oracle. Vergessen dürfen wir auch nicht, dass die Alinghi-Crew den Cup zweimal gewonnen hat. Das war für ein Land wie die Schweiz eine fantastische Leistung.

Spiegelt die Performance des Bootes Alinghi 5 aber nicht auch ein wenig den Zustand der Schweiz wider? Schickes Design, hervorragende Leute an Bord, ausreichend Kapital,… aber leider zu langsam für die Konkurrenz?

Das würde ich nicht so sehen. Man muss einfach anerkennen, dass das Desigener-Team BMW Oracle und Larry Ellison ein hohes Risiko eingegangen sind, indem sie quasi einen Flügel zum Segel umfunktioniert haben. Als Fan der Alinghi ist man natürlich enttäuscht über den Ausgang des Rennens. Aber ich ziehe auch meinen Hut für die Bereitschaft der Amerikaner, neue Risiken einzugehen.

Risiken einzugehen sind auch Sie bereit, indem Sie hier in Dubai ihre erste Niederlassung am Persischen Golf eröffnen. Wann reifte der Gedanke dazu?

Das war vor drei Jahren. Damals unternahm ich mit unserem Regional-Management eine umfassende Geschäftreise in die arabischen Golfstaaten. Obwohl wir seit Jahrzehnten in der Region tätig waren, spürten wir vor Ort eine noch nie dagewesene Dynamik. Also befanden wir: die Zeit ist reif für eine Branch am Golf.

Fielen neben Dubai auch andere Orte in die engere Auswahl?

Ja, wir haben zuerst mehrere Länder analysiert, danach verschiedene Städte. Dubai setzte sich schliesslich durch.


«Das Konzept einer integrierten City für Firmen aus der Biotechnologie-Branche hat uns überzeugt. Hier konnten wir unsere Niederlassung in Rekordzeit nach unseren Bedürfnissen gestalten.»


Warum?

Die Infrastruktur gab den Ausschlug, in zweierlei Hinsicht. Erstens ist Dubai der Hub in der Region schlechthin, mit einem gut vernetzten Flughafen. Von hier aus lassen sich die anderen Golfstaaten auch tageweise bereisen. Wir wurden zweitens hellhörig, als 2005 der Dubai Biotechnology and Research Park (DuBiotech) als Free Zone schnell ins Leben gerufen wurde. Das Konzept einer integrierten City für Firmen aus der Biotechnologie-Branche hat uns überzeugt. Hier konnten wir unsere Niederlassung in Rekordzeit nach unseren Bedürfnissen gestalten. Im DuBiotech-Park gelten Steuerfreiheit, freie Kapitalrepatriierung und hundertprozentige Eigentümerschaft.

Sie können im DuBiotech-Park also ohne grosse bürokratische Hürden «loslegen»?

Ja, wir werden in unserem 500 Quadratmeter grossen Büro- und Laborräumlichkeiten im Nukleotid-Komplex zunächst mit 10 Personen starten. Einige der Mitarbeiter in Dubai haben bereits Erfahrung an unserem Hauptsitz in Genf gesammelt, bringen eine entsprechende Qualifikation für die Mittelost-Zweigstelle mit.

Wann werden Sie in Dubai voraussichtlich Break-Even erreichen?

Da wir bereits Umsatz im Mittleren Osten generieren, stellt die Expansion nach Dubai einen sehr positiven Business Case dar. In diesen Breitengraden ist dem Endverbraucher der Name Firmenich natürlich nicht so bekannt, wohl aber den Protagonisten im Business-to-Business-Segment. Die Firmenich S.A. ist ausschliesslich im B2B-Segment tätig. Als Familienunternehmen bitten wir jedoch um Verständnis, dass wir keine Zahlen nennen wollen.


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Sie sind mit einer Präsenz in 50 Ländern als Weltmarke fest verankert und beliefern, wie Sie erwähnten, schon seit Jahrzehnten die Region Mittelost. Wie kann eine Präsenz in Dubai Mehrwert generieren?

Einfach, weil die einheimischen Konsumenten neben bekannten westlichen Marken verstärkt auf lokale Parfum-Erzeugnisse zurückgreifen. Bei Lebensmitteln ist das ähnlich. Wir möchten daher die Bedürnisse der Kunden in dieser dynamisch wachsenden Region noch besser kennen lernen. Wir wollen das Geschäft in den wichtigen Märkten Ägypten, Saudiarabien und Vereinigte Arabische Emirates ausbauen und neue Märkte hinzugewinnen. Dies erreichen Sie am besten vor Ort.

Die arabischen Ölstaaten traf das Ende der Energiepreishausse 2008/2009 hart. Für Unternehmen, die auf Erdölprodukte wie Firmenich angewiesen sind, eine Erholung? Im Geschäftsjahr 2008/2009 (per Ende Juni 2009), als der Ölpreisboom noch zu spüren war, sank Ihr Umsatz um 4,3 Prozent auf 2,64 Mrd. Franken.

Wie alle Firmen litten auch wir unter den astronomisch hohen Rohstoffpreisen, die 2008 ihren «Peak» fanden. Aber als Aroma- und Parfumhersteller ist unser Grundstoffe-Portefeuille viel komplexer. Nehmen Sie den Aromastoff Cytral, mit dem der Duft von Zitronen verstärkt wird. Viele Cytral-Hersteller gingen infolge der Finanzkrise pleite. Dies führte zu einer plötzlichen Verknappung dieses wichtigen Aromastoffes. Dann gab es in Florida zuletzt eine mässige Orangenernte, weil des Wetter nicht mitspielte. Wind und Frost setzten den Plantagen zu. Früchte wie Orangen sind ebenso wichtige Zutaten für unsere Labors, nicht nur Erdöl.


«Früchte wie Orangen sind ebenso wichtige Zutaten für unsere Labors, nicht nur Erdöl.»


Wie verhalten sich eigentlich die Konsumenten während der Krise?

Bei «fine fragrances», also bei Duftwässerchen der gehobenen Preisklasse, verzeichnete die Branche Einbussen. Wir beliefern aber auch Hersteller von Shampoos und einfacher Seife. Bei diesen «Grundzutaten» für Köperhygiene im täglichen Gebrauch, wenn Sie so wollen, haben die Verbraucher nicht gespart. Interessant ist der regionale Break-Down. Wir spüren die Kaufzurückhaltung bei «fine fragrances» in der westlichen Welt. In Lateinamerika, im Raum Asien-Pazifik und im Mittleren Osten dagegen konnten und können wir auch während der Krise wachsen.

Als Familienunternehmen benötigen Sie gerade in schwierigen Zeiten einen starken Finanzpartner. Inwieweit ist Ihr Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz erschüttert?

Wir haben sehr genau verfolgt, was sich in der Bankenbranche insgesamt abspielt. Als globales Unternehmen arbeiten wir allerdings mit mehreren Geldhäusern weltweit zusammen.

Was muss getan werden, um den Finanzplatz wieder zu alter Stärke zurück zu führen?

Das Bild der Schweiz hat aufgrund der Ereignisse der letzten zwei Jahre gelitten. Ich hoffe deshalb, dass unsere Politiker das Notwendige tun werden, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.

Das Unternehmen Firmenich wurde von Ihrem Ur-Urgrossvater gegründet. Ist die Nachfolge für die nächste Firmenich-Generation gesichert?

Meine beiden Kinder sind 14 und 16 Jahre alt, so dass es noch zu früh ist, über die Nachfolge nachzudenken. Wir sind seit jeher bestrebt, die besten Leute an Bord zu haben, damit Firmenich auch in Zukunft qualitativ hochwertige Duftstoffe und Aromen herstellen kann. Ob das unter der Federführung meiner Kinder sein wird, hängt also von deren Qualifikation ab und nicht von ihrem Familiennamen.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen allgemein erteilen, wenn sie sich selbständig machen wollen?

Sie sollten erstens Ausdauer besitzen, weil es immens schwierig ist, ein neues Unternehmen auf die Beine zu stellen. Zweitens sollten Sie sich für Ihr Projekt absolut begeistern können. Und drittens müssen Sie sehr hart arbeiten.

Herr Firmenich, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.





Der Gesprächspartner
Patrick Firmenich (48) führt in vierter Generation den Genfer Duft- und Aromahersteller Firmenich S. A.  Der Vater zweier Kinder studierte Rechtswissenschaften in seiner Heimatstadt Genf und schloss 1987 ab. Er arbeitete zunächst als Rechstanwalt, bevor er bei Firmenich S. A. begann. Internationale Erfahrung sammelte Patrick Firmenich bei Credit Suisse First Boston in New York. 1990 erwarb er einen MBA an der Manager-Schmiede INSEAD in Fontainebleau bei Paris. Die französische Kapitale blieb für einige Zeit sein Sprengel, wo er als Vice President für Fine Frangrances tätig war. Seit Juli 2002 wurde Patrick Firmenich schliesslich zum Präsidenten und Generaldirektor des Familienunternehmens in Genf berufen.


Das Unternehmen
Die Firmenich S. A., gegründet 1895 als Chuit & Naef, mit Hauptsitz in Meyrin/Genf, ist ein weltweit operierender Hersteller von Aroma- und Duftstoffen. Zu den Kunden zählen namhafte Lifestyle- und Accessoire-Namen wie Calvin Klein, Dolce & Gabbana, Giorgo Armani und die Nahrungsmittelgrössen Nestlé und Coca Cola. Derzeit sin 1,650 Patente auf die Firmenich S. A. Angemeldet. Aus dem Hause Firmenich ging 1939 der Nobelpreis für Chemie hervor, den damals der Forschungs- und Entwicklungsdirektor bei Firmenich Lavoslav Ru?icka erhielt. Im Geschäftsjahr 2008/2009, das am 31. Juni 2009 endete erzielte Firmenich mit 5,600 Mitarbeitern in 50 Ländern 2,462 Mrd. Franken Umsatz. Nach eigenen Angaben investiert die Firma 10 Prozent ihres Umsatzes in die hauseigene Forschung und Entwicklung, und sie konnte die CO2-Emissionen seit 2005 um ein gutes Viertel senken.

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