Diese Entscheide kamen am Donnerstag auf Antrag der Einigungskonferenz zustande, die sich im Verhältnis 15 zu 11 dafür ausgesprochen hatte. Im Ständerat erfolgte die Zustimmung mit 32 zu 6, im Nationalrat mit 119 zu 58 Stimmen und 12 Enthaltungen.
Langes Seilziehen
Dieser Lösung war ein langes Seilziehen zwischen den beiden Kammern vorausgegangen. Der Ständerat hatte von Anfang an die Paketlösung favorisiert, während Bundesrat und Nationalrat aus Gründen der Transparenz auf zwei getrennten Erlassen beharrten. Die Parteien vertraten innerhalb der eigenen Reihen zum Teil unterschiedliche Standpunkte. Offiziell sprach sich neben der SVP indes auch die FDP für zwei getrennte Erlasse aus, während SP, CVP und Grüne für eine einzige Vorlage waren.
Kein Ausschluss einzelner Mitglieder
Die Befürworter der Paketlösung argumentierten unter anderem mit dem Hinweis, dass die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens nur mit der Gesamtheit der EU möglich sei. Die Schweiz könne nicht einzelne Mitglieder ausschliessen. Die Gegner bezeichneten dieses Vorgehen als undemokratisch und intransparent. Eine Verknüpfung der beiden Fragen Weiterführung und Ausdehnung komme einer Erpressung gleich. Das Bundesamt für Justiz hatte in einem Gutachten beide Varianten als verfassungskonform bezeichnet.
Bericht bei jeder Ausdehnung
Im Sinne eines Kompromisses wird der Bundesrat ferner nicht in sieben Jahren nach Inkrafttreten der Weiterführung, sondern bei jeder weiteren Ausdehnung des Abkommens einen Bericht über die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit vorlegen. Das Volk werde sich, falls erwünscht, zu jeder Ausdehnung äussern können, sagte Dick Marty (FDP/TI) als Vorsitzender der Einigungskonferenz. Das dürfte das nächste Mal etwa 2010 mit Kroatien der Fall sein.
SVP: Referendum beschlossene Sache
Nichteintretens- und Rückweisungsanträge der SVP waren zu Beginn der Debatte klar gescheitert. Die SVP wollte das Thema mit der Steuerfrage und den Kohäsionszahlungen verknüpfen und den Bundesrat beauftragen, mit der EU in Bezug auf Rumänien und Bulgarien vorab eine unbefristete Schutzklausel auszuhandeln. Das Referendum gegen die Paketlösung ist auf jeden Fall beschlossene Sache, wie SVP-Sprecher Alain Hauert auf Anfrage sagte. Bei getrennten Vorlagen hätte die SVP nur gegen die Ausdehnung des Abkommens das Referendum ergriffen.
Warnung vor gravierenden Folgen
Das Protokoll zur Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien war am 27. Mai in Brüssel von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf unterzeichnet worden. Dabei machte das EU-Ratspräsidium klar, dass es für die EU keine Weiterführung des Abkommens ohne Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien gibt. Widmer-Schlumpf hatte für den Fall einer Ablehnung wiederholt vor «gravierenden» Auswirkungen auf verschiedene Bereiche gewarnt. Bei einem Nein zur Weiterführung würden die Bilateralen I automatisch ausser Kraft treten, so wie das die sogenannte Guillotine-Klausel vorsehe. Davon betroffen wären etwa der Land- und Luftverkehr, die Landwirtschaft, das Submissionswesen, technische Handelshemmnisse und die Forschung. Aber auch gewisse Abkommen der Bilateralen II wären laut Widmer-Schlumpf gefährdet, etwa das Schengen-/Dublin-Abkommen. (awp/mc/pg)