Personenfreizügigkeit: SR will Schraube für arbeitslose EU-Bürger anziehen
Die Möglichkeit dieser Befristung sei im Freizügigkeitsabkommen mit der EU vorgesehen, sagte Kommissionssprecher Theo Maissen (CVP/GR) zu der von der SVP im Nationalrat eingebrachten Motion. Es gehe hier einfach darum, den betreffenden Artikel konsequent anzuwenden. Der Spielraum der Behörden bleibe erhalten. So würde einer mit einem Schweizer verheirateten EU-Bürgerin, die seit 12 Monaten arbeitslos sei, wohl die Aufenthaltserlaubnis nicht entzogen.
Angst vor Boomerang
Lilian Maury Pasquier (SP/GE) bezweifelte diese Beteuerung. Werde der Artikel strikter angewendet, könne das zum Boomerang für die Schweiz werden, wenn die EU-Länder gegenüber dort ansässigen Schweizer Bürgern gleich vorgingen. Sie konnte sich nicht durchsetzen. Der Rat stimmte der Motion mit 19 zu 15 Stimmen zu.
Stillschweigend abgelehnt hat er eine Motion von Sylvia Flückiger-Bäni (SVP/AG) ähnlichen Inhalts. Sie forderte, dass die Aufenthaltserlaubnis für EU-Bürger in jedem Fall nur noch um ein Jahr verlängert werden darf, wenn diese seit 12 Monaten arbeitslos sind. Dies ging dem Rat zu weit, insbesondere auch, weil dazu Neuverhandlungen mit der EU nötig wären.
Neuverhandlungen unerwünscht
Konsequenterweise lehnte die kleine Kammer deshalb auch eine Motion von Jean-François Rime (SVP/VD) ab, der eine Neuverhandlung des Personenfreizügigkeitsabkommens forderte, Um die «zunehmende Belastung der Schweizer Sozialwerke zu bremsen.» Eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit sei sachlich nicht angebracht, sagte Maissen. Sie habe der Schweiz mehr Wohlstand gebracht und Probleme wie die Arbeitslosigkeit nicht wesentlich verschärft. Die Zuwanderer zahlten zudem mehr in die Sozialwerke ein als sie wieder rausnehmen würden. Auch politisch seien Neuverhandlungen nicht klug, da die Schweiz mit Bestimmtheit nicht ein besseres Abkommen rausholen könnte.
Personenfreizügigkeit bringt niedrig Qualifizierten keinen Lohndruck
Die Öffnung des Schweizer Arbeitsmarkts und die Globalisierung haben seit den 1990-er Jahren den Lohndruck bei den Niedrigqualifizierten nicht erhöht. Dafür waren sie einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt, aber nicht wegen der Konkurrenz aus dem Ausland. Vielmehr führte die mangelnde Qualifikation zur höheren Gefahr, arbeitslos zu werden, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) aufgrund zweier Studien mitteilte. Die Importkonkurrenz wird für schlecht qualifizierte Personen besonders spürbar, wenn Hersteller im Inland Arbeitsplätze abbauen müssen, weist die eine Studie aus.
Dies ist besonders oft in Industrien der Fall, die viele niedrig qualifizierte Arbeitnehmer beschäftigen. Beheben lässt sich diese Entwicklung gemäss der Studie nicht mit einer stärkeren Abschottung des Arbeitsmarktes, sondern mit der Behebung des Grundproblems der fehlenden Fach- und Sprachkenntnisse.
Schweizer Arbeitskräfte: Reallohnentwicklung um 0,5 % gedämpft
Die zweite Studie zeigt auf, wie sich die Einwanderung auf die Löhne auswirkt. Demnach muss die gestiegene Einwanderung nicht zwangsläufig zu einem grösseren Lohndruck bei den Einheimischen führen, weil diese Arbeitskräfte durch Einwanderer nicht perfekt ersetzt werden können. Im Zeitraum von 2002 bis 2008 dämpfte die Einwanderung die Reallohnentwicklung von Schweizerinnen und Schweizern um 0,5 Prozentpunkte. Weit drastischer war der Dämpfer mit 2,6 Prozentpunkten bei den ausländischen Arbeitskräften.
Dabei wirkte sich die verstärkte Zuwanderung Hochqualifizierter leicht positiv auf die Löhne gering und mittel qualifizierter Arbeitskräfte aus, dämpfte die Lohnentwicklung bei den Hochqualifizierten selbst aber deutlich. Damit könnte die Zuwanderung seit Einführung der Personenfreizügigkeit das Klaffen der Lohnschere in der Schweiz verkleinert haben. (awp/mc/pg/21)