Peter Gertsch, CIO Basler Kantonalbank

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Gertsch, was hat die Basler Kantonalbank (BKB), die 1973 ein Gründungsmitglied des RTCs war, bewogen, sich für ein neues Bankensystems und den Austritt aus dem RTC-Verbund zu entscheiden, welchen strategischen und operativen Nutzen sah die BKB in einer Neuausrichtung?


Peter Gertsch: Im Vordergrund steht die Realisierung unserer Konzernvision 2010, die vorsieht, dass sowohl die BKB als auch die zum Konzern gehörende Bank Coop  auf der gleichen Informatik-Plattform arbeiten. Der Beitritt zur Avaloq-Community sichert uns den Zugang zu einem Netzwerk innovativer Banken resp. Dienstleistungsanbietern und eröffnet uns zudem interessante strategische Perspektiven, insbesondere auch im Bereich Business Process Outsourcing (BPO).



«Bei Avaloq hat uns zudem die starke Positionierung bei verschiedensten Privatbanken überzeugt, deren Geschäftsfelder auch zu den Wachstumssegmenten der Basler Kantonalbank gehören.» Peter Gertsch, CIO Basler Kantonalbank


In welchem Rahmen bewegen sich die Gesamtkosten für das Projekt und wie wird sich der Entscheid finanziell auswirken, zum Beispiel für das Budget 2010?


Die Kosten der IT-Migration werden über Rückstellungen finanziert und belasten damit weder die Erfolgsrechnung des laufenden noch der zukünftigen Jahre. Im 2008 wurde dem Bankrat ein Budget von rund 70 Millionen beantragt. Dieses enthält SW-Lizenzen ebenso wie HW- und Dienstleistungsaufwände. Im Betriebsbudget 2010 sind signifikante Einsparungen enthalten.


Zum Schluss waren erwartungsgemäss noch die beiden Anbieter Avaloq und Finnova im Rennen. Was hat den Ausschlag für Avaloq gegeben?


Für uns waren Entscheidungsmerkmale in welche Community wir uns begeben und welche Chancen wir uns davon versprechen, wie wir die Innovationskraft des Anbieters beurteilen und ob sich unsere Drittsysteme anbinden lassen. Bei Avaloq hat uns zudem die starke Positionierung bei verschiedensten Privatbanken überzeugt, deren Geschäftsfelder auch zu den Wachstumssegmenten der Basler Kantonalbank gehören.



«Die Migration der BKB war von A bis Z ein grosser Erfolg und eine riesige Teamleistung.»


Welche wichtigen Meilensteine und Ziele sind im Projekt, das ja nebst der Migration der BKB auch diejenige der Bank Coop umfasst, definiert und wie sieht bis anhin die Zielerreichung aus?


Sowohl die Migration der Basler Kantonalbank wie auch die der Bank Coop führen wir in den Phasen: Konzept, Realisierung, Einführung und Stabilisierung durch. Der Abschluss der Einführungsphase bei der BKB wurde mit der Migration per Anfang Oktober termingerecht abgeschlossen. Die Stabilisierungsphase und damit der Projektabschluss für die BKB wird nach erfolgreicher Durchführung der ersten Jahresendverarbeitung auf Avaloq erreicht sein. Die Migration der BKB war von A bis Z ein grosser Erfolg und eine riesige Teamleistung. Das gleiche Projektteam hat die Konzeptphase Bank Coop erfolgreich abgeschlossen und die Realisierungsphase in Angriff genommen. Die wesentlichen Meilensteine sind der Abschluss der Realisierungsphase per 28.05.2010 und der Abschluss der Einführungsphase mit der Migration auf Avaloq am Jahresende 2010. Da das gleiche Projektteam jetzt eine zweite Migration macht, profitieren wir von den gemachten Erfahrungen zum Vorteil des BKB Konzerns.


Sie erwähnten die Bedeutung der Avaloq Community. Ein Angebotsbaustein der Community war das Starterkit der Luzerner Kantonalbank (LUKB), das Sie ebenfalls eingesetzt haben. Wie waren die Erfahrungen mit dieser vorgefertigten Parametrisierung der LUKB, welche finanziellen oder zeitlichen Einsparungen konnten Sie realisieren?


Wir wollten das Rad nicht neu erfinden und haben uns daher für den LUKB Starterkit entschieden weil die LUKB eine «vergleichbare» Bank ist. Die zeitlichen Einsparungen waren leider nicht so gross wie erwartet, da die LUKB ihre Einführung verschieben musste. Gegenüber unserem ursprünglichen Plan sind wir darum nahezu um die «LUKB Verschiebung» später aus den Startblöcken gekommen als zu Beginn angenommen. Wir konnten aber den vorgesehenen Einführungstermin dennoch halten. Natürlich haben uns die typischen «not invented here» Einwände  noch zusätzliche Abweichungen beschert, die allenfalls hätten vermieden werden können.


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Mit rund 100 Informatik-Mitarbeitern hat die BKB eine respektable Grösse, um auch bedeutende Projekte selbst umzusetzen. Wie haben Sie die Aufgaben in diesem Grossprojekt organisatorisch aufgeteilt, welche Arbeiten konnten Sie mit internen Personen angehen, wo haben Sie externe Spezialisten beigezogen?


Neben dem enormen Testaufwand bestand die wesentliche Aufgabe der internen Mitarbeitenden darin, das Wissen über die bestehenden Bankprozesse, die bestehenden Bank-IT-Systeme und die zu migrierenden Daten einzubringen, sowie an der Parametrierung mitzuwirken. Mit externen Fachleuten, wie zum Beispiel Experten von Cirquent und Monex, haben wir auf der einen Seite Avaloq- und Migrations-Know-how eingekauft und auf der anderen Seite «einfach» Manpower um in der kurzen Zeit die anfallenden Arbeiten erledigen zu können. Organisatorisch lehnt sich die Gliederung der Projektorganisation in Teilprojekte stark an der Linienorganisation der Bank an. Jedes Teilprojekt besteht aus internen Bankfachleuten, aus internen IT-Fachleuten und aus den erwähnten externen Spezialisten.



«Von Projektbeginn bis Ende September wurden 189 Personenjahre geleistet, davon 75 durch externe Fachkräfte. Der interne Aufwand für die Migration der Bank Coop wird in etwa derselben Grössenordnung liegen, der externe Aufwand reduziert sich deutlich.»


Sie haben im Projekt darauf bestanden, die Teams aus Informatik- und Fachbereichs-Mitarbeiter in gemeinsamen Büros in einem Gebäude zusammen zu führen für die Dauer des Projektes. Wie sind die Reaktionen der Mitarbeiter auf dieses Vorgehen ausgefallen und wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht diese Massnahme?


Die Reaktionen waren zu Beginn gemischt, von «kein Problem» bis zu «ich kann mich doch nicht ganz aus dem Tagesgeschäft verabschieden und meine Kollegen alleine lassen». Die anfänglichen Widerstände sind aber schnell verflogen und nach wenigen Wochen war das «wir arbeiten alle im gleichen Haus» und «ich muss fürs Testen vom angestammten Arbeitsplatz ins Projekthaus zügeln» alltäglich und kein Thema mehr. Aus meiner Sicht war die Möglichkeit alle Projektbeteiligten an einem Standort zu haben eine hervorragende Ausgangslage und hat viel zur Effizienz, zur Kommunikation und zu schnellen Problemlösungen beigetragen. Es hat sich über die Zeit eine sehr gute Arbeitskultur entwickelt und die Mitarbeitenden haben sich so fachbereichsübergreifend besser kennen gelernt. Davon wird die BKB nachhaltig profitieren.


Wie sieht die zeitliche Planung für das Gesamtprojekt aus und wie viele Personenjahre sind dafür vorgesehen?


Wir hatten im ersten Halbjahr 2008 das Projektpflichtenheft erstellt und festgehalten was realisiert wird und was nicht. Bis April 2009 wurden in der Realisierungsphase Avaloq parametriert, Schnittstellen programmiert, Drittsysteme angebunden und Migrationsprogramme geschrieben. Von April bis Ende September wurden die Systeme getestet, die Mitarbeitenden ausgebildet und die Bankorganisation in drei Generalproben beübt. Von Projektbeginn bis Ende September wurden 189 Personenjahre geleistet, davon 75 durch externe Fachkräfte. Der interne Aufwand für die Migration der Bank Coop wird in etwa derselben Grössenordnung liegen, der externe Aufwand reduziert sich deutlich.


Ein Wechsel des Kernsystems ist tendenziell ein komplexes Unterfangen. Wie sind Sie damit umgegangen, wie konnten Sie die Komplexität reduzieren?


Meiner Ansicht nach ist eine Migration per se nicht unbedingt komplex, sie ist aber sehr aufwändig. Einer der Aufwandtreiber ist die Kenntnis der eigenen Prozesse und Daten. Die Kenntnis über die eigenen Daten war einer der Gründe wieso wir vor gut fünf Jahren die Anwendungsentwicklung der Bank Coop Systeme wieder vom Outsourcing in die eigene Verantwortung übernommen haben. Um den Aufwand in Grenzen zu halten haben wir uns an ein paar einfache Regeln gehalten:
a) wir entwickeln keine Software, wir parametrieren Avaloq: heisst wir bauen nicht RTC nach.
b) die Banken müssen neue Lösungswege für bankfachliche Themen akzeptieren. Rasch entscheiden und alte Zöpfe abschneiden
c) der Umfang des Projektes wird auf die heute vorhandene Bankfunktionalität beschränkt
d) der Lösungsaufbau basiert auf dem LUKB-Starterkit
e) Umsysteme werden nach dem Prinzip des geringsten Projektaufwandes behandelt: vorhandene Avaloq-Lösungen, vorhandene eigene Lösungen, neue Lösungen



«Wir sind mit der erfolgten Migration sehr, sehr zufrieden. Gemessen am geleisteten Aufwand und am Umfang der Umstellung sind wir nur mit ganz wenigen Unzulänglichkeiten konfrontiert die wir gut aus dem Weg räumen können.»


Beim alten System haben Sie die Server selbst inhouse betrieben, die Host-Rechenleistung von RTC und T-Systems bezogen. Wie sieht die Aufteilung mit dem neuen System aus?


Systeme welche ein 7x24h Operating benötigen betreibt künftig Comit. Das sind Avaloq, e-Banking und Bancomat-Systeme. Alle anderen Systeme betreibt die Basler Kantonalbank selber. T-Systems betreibt die Bank Coop Systeme bis zur Migration der Bank Coop. Nach der Migration der Bank Coop werden Avaloq, e-Banking und Bancomat-Systeme ebenfalls durch Comit betrieben werden.


Die Bank Coop soll per 01. Januar 2011 live gehen mit dem Avaloq Release 2.7, während Sie mit der BKB auf den Release 2.6 gesetzt haben. Was waren die Gründe dafür und ab wann werden beide Banken auf einem einheitlichen Release betrieben?


Es ist für uns wichtig in der Projektarbeit auf einem Release basieren zu können der seit längerem in Betrieb ist und über den genügend gutes Fachwissen extern eingekauft werden kann. Aus diesen Gründen basierten wir für die Migration der BKB auf dem Avaloq Release 2.6 und für die Bank Coop auf dem Release 2.7. Es ist unsere Absicht im 2011 beide Banken auf den Avaloq Release 3.1 zu bringen und ab dann eine einheitliche Konzernplattform zu betreiben.


Nach der erfolgreichen und termingerechten Einführung des neuen Bankensystems auf den 01. Oktober, was ist Ihre Beurteilung, was lief gut, was würden Sie heute anders machen?


Wir sind mit der erfolgten Migration sehr, sehr zufrieden. Gemessen am geleisteten Aufwand und am Umfang der Umstellung sind wir nur mit ganz wenigen Unzulänglichkeiten konfrontiert die wir gut aus dem Weg räumen können. Rückblickend würde ich versuchen noch schneller noch mehr Avaloq Wissen in den eigenen Reihen aufzubauen.


Welche weiteren Schritte sind im Projekt als nächstes geplant, gibt es funktionale Erweiterungen, die schon anstehen?


Die kommende Zeit steht im Zeichen der Migration der Bank Coop, der Integration der AAM Privatbank AG und des Avaloq-Release-Upgrades bei der BKB. Grössere funktionale Erweiterungen sind momentan nicht absehbar.


Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus? 
Ich wünsche mir, dass unsere Bankkunden und Bankmitarbeitenden vom neuen Avaloq Kernbankensystem und dessen stabilen Betrieb begeistert sind.


Wenn die SW-Hersteller wie Avaloq, Oracle, SAP & Co. noch Wege finden, die ihren Kunden in Rechnung gestellten Lizenz- und Wartungsgebühren kontinuierlich zu senken, wären meine IT-Wünsche erfüllt.





Der Gesprächspartner:
Peter Gertsch ist seit 2000 CIO und Mitglied der Geschäftsleitung der Basler Kantonalbank. Zu seinen Aufgaben gehört die Leitung der IT für die Basler Kantonalbank und die Bank Coop. Zusätzlich verantwortet er die Logistik und das Liegenschaftsportfolio der Basler Kantonalbank. Seit Anfang 2008 leitet Peter Gertsch noch die Projekte zur Migration der Basler Kantonalbank von RTC auf Avaloq sowie die Migration der Bank Coop von deren Eigenbaulösung auf Avaloq.


Zuvor arbeitete er als Projektleiter für IBM, als Leiter Systems Engineering Zürich (Versicherungen) Schweiz, als Data Center Manager des UBS Card Centers und als Director Enterprise Computing Group für Compaq Schweiz.


Das Unternehmen:
Die Basler Kantonalbank nahm am 1. Oktober 1899 ihre Geschäftstätigkeit auf. Ihr Angebot umfasste neben der Kreditvergabe und der Annahme von Spargeldern auch Börsengeschäfte. Heute ist die Basler Kantonalbank in Basel und der Regio als Universalbank tätig. Sie ist ein Institut mit Staatsgarantie. Das Privat-, das Anlage- und das Kommerzkundengeschäft zählen zu den Kernsegmenten der Basler Kantonalbank. Die Dienstleistungen werden über ein dichtes Filialnetz (19 Standorte) für die Bevölkerung und die Unternehmen der Region Nordwestschweiz erbracht. Darüber hinaus ist die Basler Kantonalbank durch Private-Banking-Aktivitäten in Zürich und Olten vertreten, und betreibt das Geschäft mit grossen Firmenkunden, Institutionellen sowie Banken in der ganzen Schweiz.Dadurch verfügt sie über eine gut diversifizierte Ertragsstruktur. Des Weiteren will die Basler Kantonalbank mit dem BKB-EasyTrading (Discount-Broker), dem BKB-Lady-Consult und der BKB-Seniorenberatung attraktive Zielgruppen erreichen. Seit 14. Februar 2000 ist die Basler Kantonalbank mit einer Mehrheit an der gesamtschweizerisch tätigen Bank Coop beteiligt. Die Bank verfügt mit AA+ über ein ausgezeichnetes Rating von S&P.

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