Peter Grüschow, Siemens Schweiz: «Unsere Wirtschaft hat dringend Impulse nötig»

Moneycab: Herr Grüschow, die Regionalgesellschaft Siemens Schweiz hat im letzten Geschäftsjahr (per 30.9.2004) sowohl den Umsatz als auch den Reingewinn steigern können. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden, wurden die gesteckten Ziele erreicht?
Peter Grüschow:
Ja, wir sind zufrieden und die gesteckten Ziele haben wir erreicht. Dies ist aber kein Grund zu übertriebener Euphorie. Die Schweizer Wirtschaft hat dringend Impulse nötig. Wenn man das schwierige Umfeld betrachtet haben wir uns sehr gut geschlagen, wir wollen aber nächstes Jahr noch besser werden.

Der Auftragseingang verzeichnete ein Minus von rund 270 Mio. Franken gegenüber dem Vorjahr. Worauf ist dieser Rückgang zurückzuführen?
Ausschlaggebend sind zwei Faktoren. Wir haben im Vorjahr verschiedene Grossaufträge verbuchen können, die in diesem Umfang natürlich nicht jedes Jahr hereinkommen. Ich spreche hier vom S-Bahn-Auftrag der SBB und von umfangreichen Infrastruktur-Projekten der Swisscom. Ein weiterer Grund ist der generelle Konjunkturverlauf, dem auch wir uns nicht entziehen können ? das Wachstum in der Schweiz war im letzten Jahr sehr niedrig.

Welches waren aus Ihrer Sicht die Highlights für Siemens Schweiz im vergangenen Geschäftsjahr?
Es freut mich besonders, dass wir in einem sehr schwierigen Umfeld unsere gesteckten Ziele erreicht haben, neue Marktanteile dazugewonnen und neue Geschäftsfelder erschlossen haben. Dies ist vor allem darum gelungen, weil wir hoch motivierte Mitarbeiter haben und weil wir gut und schlank aufgestellt sind.
Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht auch die reibungslose Integration der Vertriebsaktivitäten von Siemens Building Technologies in die Regionalgesellschaft Siemens Schweiz verlaufen ? wir reden hier immerhin von 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu uns gewechselt haben.

Schauen wir uns die verschiedenen Geschäftsbereiche etwas genauer an. Wie erfolgreich operierte der Bereich Transportation Systems?
TS ist ein profitabler Bereich und hat herausragende Arbeit geleistet beim Fahrplanwechsel vom 12. Dezember 2004. In diesem Zusammenhang mussten innerhalb eines sehr engen Terminplans zahlreiche Stellwerke und Leitsysteme aufgerüstet und modernisiert werden. Alles hat reibungslos geklappt und die SBB ist entsprechend zufrieden mit uns. Die Combino-Problematik haben wir im Griff. Das Vorgehen zur Sanierung aller Fahrzeuge haben wir gemeinsam mit unseren Kunden in Basel und Bern erarbeitet und werden diese nun umsetzen.

Im Bereich Automation and Control bildete die Integration der Building Technologies-Aktivitäten einen Schwerpunkt. Was bringt diese Integration?

Es ergeben sich verschiedene Vorteile. Durch die Integration können wir als Siemens einheitlicher und klarer am Markt auftreten. Das stärkt unsere Marke. Im weiteren profitieren wir natürlich von Synergien im Bereich von Shared Services. Die Nähe zum Kunden wird noch besser, denn Building Technologies hat ein sehr dichtes Service- und Vertriebsnetz in der Schweiz. Und natürlich ergeben sich auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neue Möglichkeiten ? zum Beispiel, die Chance, Auslanderfahrung in einem internationalen Unternehmen zu sammeln.

Im Bereich Automation and Drives konnten die Marktanteile markant gesteigert werden. Worauf führen Sie die Steigerung in diesem Bereich zurück?
A&D ist stärker gewachsen als die Mitbewerber ? entsprechend haben wir die Marktanteile kräftig ausbauen können. Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. A&D ist hervorragend aufgestellt, hat sehr gute Prozesse, schlanke Strukturen und ein E-Commerce, das von der Bestellung bis zur Fakturierung durchgängig und hocheffizient funktioniert. In dieser Beziehung ist A&D «Best in class». Zudem haben wir in diesem Bereich ein sehr gutes Produkt-Portfolio, das auch im internationalen Umfeld zum Einsatz kommt, denn viele unserer Kunden sind exportorientierte Industrieunternehmen und KMUs.

Freude dürfte Ihnen auch der Bereich Medizinaltechnik bereiten, so der Marktanteil gehalten werden konnte. Wie sehen hier die Zukunftschancen aus?

Med bewegt sich in einem gesättigten und hochkompetitiven Marktumfeld. Unser Ziel ist es, weitere Marktanteile zu gewinnen. Wenn ich unsere Med-Mannschaft und die Produktepalette anschaue, sind die Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels sehr gut. Herausstreichen möchte ich in diesem Zusammenhang unser Know-how im Bereich IT. Spitäler können durch den Einsatz modernster Technologien ihre Prozesse effizienter gestalten und dadurch Kosten sparen.

Ein Blick in die Zukunft: Was für Erwartungen hegen Sie für das laufende Geschäftsjahr und welche Rahmenbedingungen müssen für die Erreichung der Ziele erfüllt sein? Welche Schlüsse lassen sich aus den Zahlen den ersten Quartalszahlen des neuen Geschäftsjahres ziehen?
Wir erwarten im aktuellen Geschäftsjahr nur ein geringes Wachstum. Der Mut zu Innovationen und Investitionen fehlt zur Zeit in der Schweiz. Ein weiterer Faktor ist die Kostenbremse der öffentlichen Hand, die sich negativ auf die konjunkturelle Entwicklung auswirken könnte. Trotz diesen schwierigen Rahmenbedingungen sind wir aber mit dem 1. Quartal zufrieden.

Mit fast 7300 Mitarbeitern gehört Siemens Schweiz zu den bedeutendsten Arbeitgebern im Land. Die grosse Anzahl Mitarbeiter zu fördern, deren Entwicklungspotential auszuschöpfen, zu motivieren etc. ist eine grosse Herausforderung. Wie geht Siemens Schweiz diese an?
Es ist in unserem Interesse und im Interesse jedes einzelnen Mitarbeiters, dass er seine Arbeitsmarktfähigkeit beibehält oder erhöht. Dazu braucht es eine gezielte Aus- und Weiterbildung. Wir bieten die entsprechenden Möglichkeiten und fördern und motivieren die Mitarbeiter, diese Chancen zu nutzen.

Ein weitere wichtiger Punkt ist das Thema Job Rotation innerhalb des Unternehmens. Immer mehr Mitarbeiter nutzen diese Chance. Dies trägt dazu bei, dass sich das vorhandene Wissen innerhalb der Firma noch besser verteilt. Wir wollen unsere hochqualifizierten Mitarbeiter in der Schweiz behalten, nur so können wir auch von hier aus innovative Projekte abwickeln und die Kundenbedürfnisse befriedigen.
Dazu gehört auch eine Berufsausbildung auf hohem Niveau. Siemens beschäftigt zur Zeit 380 Lehrlinge. Meiner Meinung nach gehört dies auch zur gesellschaftlichen Verantwortung, die eine Firma wahrnehmen muss.

Die Mitarbeiter der Siemens Schweiz AG haben für die Flutopfer in Südasien über 170’000 Franken für die Glückskette gesammelt, das Unternehmen hat diese Summe um 100’000 Franken aufgestockt. Wie wichtig ist für Sie persönlich ein solches Engagement des Unternehmens?

In unserem Leitbild heisst es unter anderem: «Wir tragen gesellschaftliche Verantwortung und engagieren uns für eine bessere Welt.» Dass dieser Leitsatz kein Lippenbekenntnis ist, beweist das ausserordentliche Engagement, das unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezeigt haben. Corporate Citizenship ist für uns wichtig und darum auch integraler Bestandteil der Jahresberichterstattung des Unternehmens.

Letzte Frage: Sie gehen nach 40 Jahren im Siemens-Konzern Ende Jahr in Pension. Welche persönlichen Ziele haben Sie für das letzte Jahr als CEO von Siemens Schweiz und inwieweit werden Sie bei der Auswahl Ihres Nachfolgers beteiligt sein?
Siemens Schweiz ist solide aufgestellt und die allgemeine Richtung des Unternehmens stimmt. Diese Kontinuität möchte ich weiterhin beibehalten und stärken ? auch in meinem letzten Amtsjahr. Was meinen Nachfolger betrifft, entscheidet letztendlich der Konzern. Wir von Siemens Schweiz sind aber natürlich bei dieser Entscheidung involviert und werden die entsprechenden Vorschläge machen. (stö)

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