Peter Ilg, CFO Mikron

Von Radovan Milanovic


Moneycab: Mikron’s Unternehmensergebnis blieb zwar noch negativ, der Verlust verkleinerte sich aber von 18,3 Millionen auf 2,5 Millionen Franken. Der Auftragseingang erholte sich im ersten Halbjahr 2010 von 60,5 Millionen auf 110,2 Millionen Franken um 82,2%. Der Auftragsbestand lag per Mitte Jahr bei 78,1 Millionen Franken, nach 51,2 Millionen Ende 2009. Wann sollte Ihr Resultat wieder im grünen Bereich sein?


Peter Ilg: Operativ sind wir zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr ein Resultat im Rahmen eines ausgeglichenen EBIT erreichen werden. Auf Stufe Free cash flow werden wir positiv sein. Im grünen Bereich bedeutet für unsere Aktionäre jedoch eine angemessene Eigenkapitalrendite und eine Dividende. Dies zur erreichen, wird jedoch noch Zeit in Anspruch nehmen.



«Zu den einschneidendsten Massnahmen zählt sicher der Personalabbau im vergangenen Jahr von rund 15%. Damit wurde vor allem für den Standort Agno das Überleben gesichert und die Kostenbasis der gesamten Gruppe an ein zu erwartendes Geschäftsvolumen angepasst. Gleichzeitig haben wir es aber auch geschafft, in der Krise das Vertrauen unserer Kunden zu erhalten, und sogar neue Kunden dazu zu gewinnen.» Peter Ilg, CFO Mikron


Ist die Erholung auch wirklich nachhaltig?
 
Wie der starke operative Cash flow belegt, ist die «Quality of earning» solide. Seit vier Quartalen liegt die Book-to-Bill-Ratio kontinuierlich über Eins. Das heisst, unser Auftragsvorrat hat sich kontinuierlich erhöht. Er liegt am Ende des 3. Quartals deutlich über dem Vorjahr und umfasst mit 94.8 Millionen Franken rund 50 % eines zurzeit realisierbaren Jahresumsatzes. Wir können die fernere Zukunft nicht voraussehen, aber heute sehen wir keine Anzeichen für einen Abschwung. Einzig ein anhaltend schwacher Euro wird die Rentabilität wahrscheinlich etwas belasten.


Sie begründen Ihre Resultate mit wirkungsvoll umgesetzten Korrekturmassnahmen. Können Sie diese etwas ausführen?


Z u den einschneidendsten Massnahmen zählt sicher der Personalabbau im vergangenen Jahr von rund 15%. Damit wurde vor allem für den Standort Agno das Überleben gesichert und die Kostenbasis der gesamten Gruppe an ein zu erwartendes Geschäftsvolumen angepasst. Gleichzeitig haben wir es aber auch geschafft, in der Krise das Vertrauen unserer Kunden zu erhalten, und sogar neue Kunden dazu zu gewinnen. Erwähnen möchte ich auch, dass Mikron während der Krise die Netto-Cash Position auf einem sehr soliden Niveau halten konnte und de facto nach wie vor schuldeinfrei ist.


Zwischen Bestellungseingang und Umsatz liegt ein variabler Zeithorizont. Mit welcher Zeitverzögerung kalkuliert Mikron bei den beiden Divisionen Mikron Machining und Mikron Automation?


Wir realisieren Umsatz nach der so genannten «Percentage of Completion» Methode. Das heisst, wir realisieren Umsatz und Gewinnanteile proportional zum Projektfortschritt. Bei unseren kundenspezifischen Lösungen beträgt die Zeit zwischen Auftragseingang und vollständiger Umsatzrealisierung 6 bis 18 Monate, je nach Projektgrösse und verfügbaren Produktionskapazitäten. Das Service- und Werkzeuggeschäft hingegen ist sehr viel kurzfristiger und kennt nur eine geringe Zeitverzögerung.



«Unser abgesicherter Eurokurs liegt zurzeit bei rund 1.36. Der Euro-Überhang entspricht über eine längere Periode knapp 20% unseres Umsatzes.»


Mikron weist auf die Währungsrisiken, insbesondere auf den starken Schweizer Franken zum Euro hin. Falls Sie Ihre Währungsrisiken nicht hedgen, haben Sie jedoch auch vom schwächeren USD profitiert. – Wie managen Sie die Währungsrisiken?


In erster Linie versuchen wir einen langfristig wirksamen und kostengünstigen so genannten «Natural hedge» zu erreichen. Das heisst, wir möchten beispielsweise gleich hohe Kosten in Euro erreichen, wie wir Umsätze in Euro erzielen. In den letzten Monaten haben wir deshalb die Einkäufe in Euro forciert. Eine weitere Möglichkeit des «Natural hedge» bietet sich durch einen Vertragsabschluss in der Währung des Herstellerlandes, zum Beispiel in Schweizer Franken. Das ist uns bis heute insbesondere in Asien immer wieder gelungen. Den verbleibenden Euro-Überhang sichern wir gemäss unserer Hedgingpolicy mit Währungshedges im mittleren Umfang von 100%, 75%, 50% und 25% über 3, 6, 9 und 12 Monate ab. Unser abgesicherter Eurokurs liegt zurzeit bei rund 1.36. Der Euro-Überhang entspricht über eine längere Periode knapp 20% unseres Umsatzes.


Die Mikron Gruppe hat rückwirkend auf den 1. Januar 2008 die Umstellung der Rechnungslegung von IFRS auf Swiss GAAP FER beschlossen. Inwiefern hat sich die neue Rechnungslegung auf die Resultate ausgewirkt?


Die Auswirkungen im Jahr 2008 auf das Resultat betrugen rund 1 Million Franken. Mit wenigen Ausnahmen, die in unseren Finanzberichten beschrieben sind, wenden wir die gleichen Bewertungsmethoden an wie früher. Swiss GAAP FER stellt für international tätige und an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen eine solide Rechnungsgrundlage zur Verfügung, die dem Unternehmen wenig administrative Kosten verursacht.



«In Europa haben wir sowohl von Ersatzinvestitionen als auch Neuinvestitionen profitiert. Der asiatische Markt, vor allem China, hat für uns an Bedeutung gewonnen.»


Mikron Machining, erzielt einen erheblichen Teil des Geschäftsvolumens mit der Automobilzulieferindustrie sowie der Schreibgeräteindustrie. In der Krise hat die Autoindustrie als zyklische Industrie stark gelitten. Entsprechend wurden aus finanziellen Gründen die Investitionen auf Sparflamme gehalten. Dürfte es sich bei den jetzigen Investitionen der Autoindustrie «nur» um reine Ersatzinvestitionen handeln?


Wir haben zahlreiche Offerten für Neu- und Ersatzinvestitionen erstellt. Die konkreten Aufträge aus der Automobilindustrie sind bis Mitte Jahr noch relativ schwach ausgefallen und haben erst ab Mitte Jahr angezogen. In Europa haben wir sowohl von Ersatzinvestitionen als auch Neuinvestitionen profitiert. Der asiatische Markt, vor allem China, hat für uns an Bedeutung gewonnen. Dessen ungeachtet profitiert momentan das Services- und Werkzeuggeschäft von der guten Auslastung unserer Automotive-Kunden.


Um nochmals auf Mikron Machining zu kommen: In den vergangenen Tagen gaben Vertreter der globalen Autoindustrie bekannt, dass in Zukunft Automobilzulieferer den grössten Teil der Kostensenkungen in der Wertschöpfungskette tragen müssen, da die Autoindustrie insbesondere seit der Krise unter Spardruck leide. So streben OEMs aus Zulieferersicht in den nächsten fünf Jahren eine durchschnittliche Preisreduktion von 4,3% jährlich an. Wie begegnen sie diesen Herausforderungen? Haben alternative Produkte zur Diversifizierung der Kundensegmente? 


Das Geschäft mit Automobilkunden ist zugegebenermassen hart. Mit unseren Lösungen sind wir aber auch sehr wettbewerbsfähig, zum Beispiel wenn die Volumen hoch genug sind oder wenn es um technisch sehr anspruchsvolle oder neue Produkte geht, die Präzision im Mikronbereich verlangen. Gleichzeitig sehen wir neue Möglichkeiten in den schnell wachsenden Automotive-Märkten, zum Beispiel in China. Zusätzlich zur Automobilindustrie hat Mikron Machining eine gute Stellung in Nischenindustrien, wie der Schreibgeräteindustrie, in der rund 20% des Umsatzes erzielt werden. Neben der Industriediversifikation streben wir auch eine Diversifikation in das relativ stabile Service- und das Ersatzteilgeschäft an.


Mikron will sich in den aufstrebenden Automobilmärkten und generell in Asien expandieren. Wie sehen Ihre Pläne konkret aus?


Die Division Mikron Automation produziert bereits in Singapur und Shanghai und ist dort vor allem dank einer neu eingeführten Produktlinie erfolgreich. Trotz des starken Auftragseinganges limitieren wir das Wachstum dieser noch relativ kleinen Organisationseinheiten, um Qualität, Effizienz und Risikomanagement unter Kontrolle zu haben. Mikron Machining verkauft seit Jahren, und zurzeit recht erfolgreich, Maschinen in Asien und hat eine eigene Serviceorganisation in China und Japan. Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen, wie wir unsere Präsenz in diesen Märkten weiter stärken können.



«Mikron hat das seine Eigenkapitalquote im vergangenen Semester weiter auf 68,1% verbessert. Ideale Voraussetzungen, um eine Expansion mittels eigener Mittel Firmenkäufe zu finanzieren und trotzdem noch eine gesunde Bilanz aufzuweisen.»


Mikron Automation stellt Anlagen für die Montage von kleinen bis handgrossen Produkten in grossen Mengen her und entwickelt Automationslösungen für Teilprozesse der Produktion. Was sind die neuesten Trends bei Mikron Automation Produkten?


Wir sehen eine vermehrte Fokussierung bei Mitbewerbern auf das für uns wichtigste Segment, die Pharma- und Medizinalindustrie. Aufgrund steigender Lohnkosten und höheren Qualitätsanforderungen erwarten wir auch in den «Emerging Markets», allen voran in China, eine zunehmende Nachfrage nach Automationslösungen.


Welche sind die Visionen von Mikron für die Zukunft?


Seit mehr als 100 Jahren hat sich Mikron der Präzision verschrieben. Mit ihrem Angebot sind sowohl Mikron Machining als auch Mikron Automation weltweit führend. Auch in Zukunft werden wir die besten Produktionslösungen für hohe Volumen und höchste Präzisionsansprüche anbieten. Wir werden auch weiterhin unseren Kunden helfen, neue Standards in ihren Produktionsprozessen zu setzen, und eine führende Position in ihrem Markt zu erlangen, oder diese zu stärken. Unsere Kunden können sich dabei auf einen sehr erfahrenen, zuverlässigen und sehr soliden Partner verlassen.


Mikron hat das seine Eigenkapitalquote im vergangenen Semester weiter auf 68,1% verbessert. Ideale Voraussetzungen, um eine Expansion mittels eigener Mittel Firmenkäufe zu finanzieren und trotzdem noch eine gesunde Bilanz aufzuweisen. Bilanz und Liquidität der Gruppe sind sehr solide. Leider ist die Rentabilität noch relativ tief, was die Möglichkeit einer Eigenkapital- oder Fremdkapitalaufnahme auf dem Kapitalmarkt etwas einschränkt. Grössere Expansionspläne müssten von den Kernaktionären oder Verkäufern aller Wahrscheinlichkeit nach mitfinanziert werden.


70.3% der Stimmrechte der Mikron Holding AG befinden sich in festen Händen der Investorengruppe bestehend aus der Ammann Group Holding AG, Langenthal, Corporate Investment Management Affentranger Holding AG, Genf, Personalfürsorgestiftung Rieter AG, Winterthur, Tegula AG, Zürich und Herr Rudolf Maag, Binningen. Diese Gruppe ist Mikron durch einen auf 3 Jahre terminierten Aktionärsbindungsvertrag bis zum Jahr 2011 verbunden. Inwiefern beeinflusst die Investorengruppe, die durch zwei Verwaltungsräte ihre Interessen vertritt, die Geschäftspolitik von Mikron? Bestehen Pläne für die Zeit nach 2011?


Diese Investorengruppe gibt Mikron Stabilität, was unsere Kunden, die aufgrund der sehr lagen Lebensdauer ihrer Maschinen oft über viele Jahre mit uns verbunden sind, sehr schätzen. Die Investorengruppe garantiert ausserdem einen hochkarätigen und sehr erfahrenen Verwaltungsrat und ist grundsätzliche langfristig investiert. Wir arbeiten hart daran, dass wir den Aktionären einen guten Leistungsausweis und eine attraktive Strategie vorlegen können. 


Die Performance der Mikron Aktie ist eindrücklich: Nach einem Tief von 2.70 Franken im vergangenen Jahr ist der Kurs kontinuierlich auf 7.80 angestiegen. Die Aktie steht nun bei ca. 7.50 Franken in Antizipation der besseren Aussichten und Resultate. Analysten sehen das Kursziel bei rund 7.50 Franken. Rechnen Sie mit einer Konsolidierung der Kurse oder haben Ihrer Meinung nach die Kurse die guten Aussichten noch nicht völlig eingepreist?


Die Investitionsgüterindustrie ist stark zyklisch, wobei in der Vergangenheit die Zykluszeit rund vier bis sieben Jahre dauerte. Wir glauben, dass der Höhepunkt des aktuellen Zyklus noch nicht erreicht ist. Dank dem sehr starken Brand und der hohen Reputation der Mikron-Produkte sowie dem steigenden Umsatz in den stark wachsenden und weniger zyklischen asiatischen Märkten, vorab China, denken wir das Mikron überdurchschnittlich profitieren kann.





Der Gesprächspartner:
Dr. Peter Ilg ist am 1. März 2010 bei Mikron eingetreten und hat am 1. Mai 2010 die Funktion des Chief Financial Officers übernommen. Peter Ilg ist 45-jährig, und promovierte  in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich (1986). Die letzten fünf Jahre war Peter Ilg als Group Controller und Deputy Group Chief Financial Officer bei der SR Technics Group in Zürich tätig. Zuvor bekleidete er leitende Position bei PwC, Zurich Financial Services und Allreal.


Das Unternehmen:
Mikron zählt zu den weltweit führenden Anbietern von kundenspezifischen Maschinen und Systemen im Bereich Fertigungstechnik und Montageautomation. Im Jahr 2009 erzielte Mikron einen Umsatz von CHF 150 Mio., zwei Drittel davon mit Kunden aus Europa. Zu den wichtigsten Abnehmermärkten gehören die Pharma- und Medizinalindustrie sowie die Automobilzulieferindustrie. Die Mikron Gruppe umfasst die beiden Divisionen Mikron Machining und Mikron Automation. Mikron beschäftigt rund 900 Mitarbeitende, 80 Prozent davon an den beiden Hauptstandorten in Agno (Schweiz) und Boudry (Schweiz). Weitere Produktionsstandorte befinden sich in Rottweil (Deutschland), Denver (USA), Singapur und Shanghai (P. R. China).

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