Peter Schildknecht, CEO CPH Chemie + Papier Holding

Interview von Bob Buchheit


Moneycab: Herr Schildknecht, bei der Papiernachfrage, allen voran beim Zeitungspapier ist keine Erholung in Sicht. Wie werden Sie die neue Papiermaschine PM7, seit Jahren mit Abstand CPHs grösste Investition, auf Ende Jahr auslasten?


Peter Schildknecht: Nachdem sich die Nachfrage in den Papiermärkten im vergangenen Jahr massiv rückläufig entwickelt hatte, konnte sich diese im 1. Semester 2010 auf tiefem Niveau auffangen und stabilisieren. Der Verbrauch von Zeitungsdruckpapier stieg in Westeuropa wieder leicht um 3,3 % auf 4,48 Mio. Tonnen im 1. Semester 2010 an. Für Magazinpapiere stieg der Verbrauch in Westeuropa sogar um 12 %  auf 1,784 Mio. Tonnen im 1. Halbjahr 2010 an. Die Ertragssituation innerhalb der Branche für holzhaltige Papiersorten präsentiert sich in Europa trotz der leichten Erholung weiterhin auf einem unbefriedigenden tiefen Niveau. Der Druck, die sich im Markt befindlichen Produktionskapazitäten der Nachfragentwicklung anzugleichen, steigt dadurch stark. Vor allem Standorte mit wenig vorteilhaften Kostenstrukturen werden durch diese Situation stark bedrängt werden.



«In den vergangenen Jahren haben die gesamten Energiekosten ca. 16% des Papierumsatzes ausgemacht. Seit Ende 2008 sind diese nun in mehreren Schritten auf ein Niveau von rund 22% angestiegen und im Wesentlichen von den Erhöhungen der Stromkosten beeinflusst worden. Für das laufende Jahr fallen für den Bereich Papier die jährlichen Ausgaben für den Strom höher aus, als die gesamten Personalkosten.» Peter Schildknecht, CEO CPH Chemie + Papier Holding


Durch den Bau der 500 Mio CHF teuren PM 7 ist Perlen Papier auf diese Marktentwicklung jedoch gut vorbereitet. Mit modernster Technologie kann die hochproduktive Anlage die Kunden mit qualitativ hochstehenden Zeitungsdruckpapieren versorgen. Die Mehrmengen, die wir für das laufende Jahr 2010 mit der PM 7 produzieren werden, sind bereits seit geraumer Zeit mit Kundenverträgen abgesichert. Auch haben wir für rund die Hälfte der Mehrkapazität für das kommende Jahr 2011 mit verschiedenen Grosskunden Mehrjahresverträge abgeschlossen. Damit hat sich das Risiko, die Mehrmengen nicht absetzen zu können, auch in der gegenwärtig angespannten Marktsituation erheblich reduziert.


Da Sie 70% der Papierverkäufe im Euroraum tätigen, fällt ihr Gewinn quasi mit dem Euro. Bei welchem Kurs liegt für Sie die Schmerzgrenze, vor allem dann, wenn die PM7 erst einmal ebenfalls in Euro abbezahlt ist?


Durch die antizyklische Investition der PM 7 konnte das Investitionsvolumen vergleichbar tief gehalten werden. Wäre der Bau der neuen Anlage um zwei, drei Jahre früher getätigt worden, wären die Investitionskosten um einen dreistelligen Millionenbetrag teurer ausgefallen. Zusätzlich «profitieren» wir vom gegenwärtig tiefen Euro. Tiefere Abschreibungsbeträge in den folgenden Jahren nach der Inbetriebsetzung sind die Folgen dieser beiden Effekte.


Nachdem ein grosser Teil des Investitionsvolumens in Euro bezahlt wird, andererseits aber rund 70% unserer Produkte in den Euroraum exportiert werden, haben wir auch für die nächsten Monate noch einen natürlichen Hedge. Das heisst, dass der tiefe Eurokurs in dieser Periode keinen wesentlichen Einfluss auf die Liquiditätsentwicklung der Gruppe hat. Anders sieht dies in der Erfolgsrechnung aus, wo der starke Schweizer Franken unsere Erträge im Euroraum und damit unsere Margen bereits im 1. Halbjahr 2010 stark belastet.


Bei den Verpackungen läuft es wieder rund, der Auftragsbestand hat sich merklich erhöht. Nach den erfolgreich getätigten und integrierten Übernahmen, wie der ac-Folien GmbH, generiert der Bereich Verpackung dreistelligen Umsatz. Wie stark können Sie damit den Durchhänger bei den Chemikalien und beim Papier ausmerzen?


Nachdem sich der Umsatz  im Bereich Chemie weiter rückläufig entwickelt hatte, zeigen die im vergangenen Jahr ergriffenen und konsequent weitergeführten umfangreichen Kostensenkungsprogramme Wirkung. Trotz eines markant tieferen Umsatzes konnte das operative Ergebnis sogar leicht verbessert werden. Der Bereich Verpackung ist fast vollständig auf die Pharma- und ihr nahestehende Industrien ausgerichtet, die von der allgemeinen Krise weniger stark betroffen waren. Die Produktion war gut ausgelastet, und der Auftragsbestand hat sich gegenüber der Vorjahresperiode weiter erhöht. Somit ist für die kommenden Monate eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Vor allem die Märkte in Lateinamerika und Asien zeigen starke Zuwachsraten. Erfreulich ist, dass immer mehr hochwertige Barrierefolien verkauft werden. Vor allem in den stark wachsenden Regionen Asiens und Südamerikas ist die Nachfrage nach den margenträchtigeren Barrierefolien gestiegen. Die erfreulichen Fortschritte, die in den Bereichen Chemie und Verpackung erzielt wurden, reichen aber nicht aus, um den Einbruch im Bereich Papier auszugleichen.


Die Produktion von CPH ist sehr energie- und rohstoffintensiv. Sowohl die Strom- als auch die Zellstoff- und Altpapierpreise sind kräftig gestiegen. Mit Energiesparmassnahmen allein dürfte es nicht getan sein. Bringt Ihnen die Strommarktliberalisierung etwas Verhandlungsspielraum?


Die Preise für Energie, insbesondere für den Strom und für die Faserstoffe Altpapier und Zellstoff sind markant angestiegen , so dass auch mit weiteren Produktivitäts-Verbesserungsmassnahmen diesen erhöhten Kosten nicht mehr adäquat entgegengewirkt werden kann. Hinzu kommt, dass, wie oben bereits erwähnt, durch den hohen Exportanteil in den Euroraum (circa 70%) das Ergebnis durch den schwachen Euro zusätzlich stark belastetet wird.



«Wie die KVA läuft auch die Papierproduktion rund um die Uhr. Es wäre eine Reduktion von jährlich bis zu 25 Millionen Litern Heizöl möglich, was einer Verminderung von rund 50’000 Tonnen CO2 entsprechen würde. Vom Geschäft mit dem «Dampf» könnten Perlen Papier AG wie auch der Gemeindeverband Kehrichtbeseitigung Region Luzern GKLU gleichermassen profitieren.»


Die gesamte benötigte Energie des Bereichs Papier besteht zur Mehrheit aus elektrischer Energie. In geringerem Umfang werden auch Erdgas und Heizöl für die Produktionsprozesse eingesetzt. In den vergangenen Jahren haben die gesamten Energiekosten ca. 16% des Papierumsatzes ausgemacht. Seit Ende 2008 sind diese nun in mehreren Schritten auf ein Niveau von rund 22% angestiegen und im Wesentlichen von den Erhöhungen der Stromkosten beeinflusst worden. Für das laufende Jahr fallen für den Bereich Papier die jährlichen Ausgaben für den Strom höher aus, als die gesamten Personalkosten.


Im Moment scheint sich ja die halbe Schweizer Industrie über die Strompreise zu beschweren…


Die Erhöhungen der Stromkosten beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie in der Schweiz nachhaltig. Und Basisindustrien, welche auch wichtige Recycling- und Entsorgungsfunktionen übernehmen, werden dadurch zunehmend gefährdet. Hinzu kommt, dass unsere ausländischen Mitbewerber vielfach von einer Energiepolitik profitieren, die ihnen Vergünstigungen auf der Energie- oder Abgabenseite ermöglicht.


Ein kürzlich durchgeführter Benchmark der IGEB, der Interessengemeinschaft energieintensive Branchen, bezüglich der Strompreise zeigt, dass sich die Rahmenbedingungen für die energieintensiven Branchen in der Schweiz massiv verschlechtert haben. Dieser Vergleich mit dem benachbarten Ausland zeigt auf, dass ein diesbezüglicher Vorteil im 2007 in einen veritablen Wettbewerbsnachteil im 2010 umgewandelt wurde und in der Schweiz zurzeit die höchsten Strompreise bezahlt werden. Auch wenn die PM 7 rund 10% energieeffizienter ist als die bestehende alte Anlage PM 5, können  die höheren Stromkosten dadurch auch nicht annähernd kompensiert werden.


Wie stark lassen sich auf Ihrem riesigen Areal in Perlen Möglichkeiten der dezentralen Stromerzeugung ausnutzen?


Verschiedene Projekte wurden in der Vergangenheit untersucht. So beispielsweise auch eine mögliche Erstellung eines Gaskombikraftwerkes. Diese Idee wurde aber wieder verworfen, da ein solches Projekt wegen der hohen CO2-Belastung und den damit zusammenhängenden Abgaben nicht wirtschaftlich betrieben werden könnte. Anders sieht dies mit der geplanten neuen Kehrichtverbrennungsanlage KVA in Perlen aus, die unmittelbar neben der Perlen Papier AG gebaut werden und die heutige Anlage in Ibach, Luzern, ablösen soll. Die Abwärme, die bei der Verbrennung von Kehricht in Form von Dampf entsteht, könnte direkt für die Papierproduktion genutzt werden. Wie die KVA läuft auch die Papierproduktion rund um die Uhr. Es wäre eine Reduktion von jährlich bis zu 25 Millionen Litern Heizöl möglich, was einer Verminderung von rund 50’000 Tonnen CO2 entsprechen würde. Vom Geschäft mit dem «Dampf» könnten Perlen Papier AG wie auch der Gemeindeverband Kehrichtbeseitigung Region Luzern GKLU gleichermassen profitieren. Zudem würde durch die Reduktion des CO2-Ausstosses ein namhafter Beitrag zum Klimaschutz in unserer Region geleistet.


Mittlerweile wird CPH von der Börse mit weniger als einem Jahresumsatz und mit rund der Hälfte des Buchwerts bewertet. Das ist extrem günstig. Auf wann veranschlagen Sie den Turnaround?


Im Vergleich mit unseren direkten Wettbewerbern innerhalb der verschiedenen Märkte behaupten wir uns recht gut. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Umsatzentwicklung, wie auch in Bezug auf die Profitabilität. Die regelmässigen Benchmarks mit Unternehmen, die in den gleichen Märkten operieren, zeugen davon. Auch ist es uns beispielsweise im Bereich Papier oder auch im Bereich Verpackung gelungen, unsere Marktanteile weiter auszubauen.



«Die langfristige, kontinuierliche Entwicklung steht dabei über der kurzfristigen Gewinnmaximierung. Für Aktionäre, die sich nicht nur auf eine kurzfristige Gewinnoptimierung konzentrieren, sondern sich mittel bis langfristig engagieren wollen, sind wir bestimmt eine attraktive Gesellschaft.»


Vor knapp drei Jahren bewertete ein Vontobel-Analyst die Unternehmensbereiche von CPH rund viermal so hoch wie es der heutige Markt tut. Wegen mangelnder Synergien sah er die Einzelteile sogar weit werthaltiger als das Gesamtunternehmen. Wären auch Spin-offs ein Thema?


Ein Spin-Off ist zur Zeit kein Thema.


Aufgrund des hohen Eigenkapitals und der grossen stillen Reserven in Form von Grundbesitz, muss sich niemand  über CPH Sorgen machen. Ziehen Sie dennoch bilanzstärkende Massnahmen in Betracht?


Auch wenn sich durch die Investition in die neue PM 7 die Eigenkapitalquote von rund 78% (Ende 2009) reduzieren wird, wird sie auch nach Abschluss des Projektes immer noch weit über der von anderen Unternehmen liegen. Im Rahmen des Risikomanagements werden selbstverständlich unterschiedliche Szenarien und entsprechende Massnahmen regelmässig diskutiert. Wie Sie in Ihrer Frage aber selbst festhalten, muss man sich tatsächlich keine grossen Sorgen machen, so dass zur Zeit auch keine konkreten Massnahmen erforderlich sind.


Wäre eine Erhöhung der handelbaren Aktien wünschenswert? Der Freefloat von CPH gilt als mässig und der Markt als eng.


Wir sind eine international ausgerichtete, zukunftsorientierte Gruppe mit eigenständig am Markt auftretenden Unternehmen in den Bereichen Chemie, Papier und Verpackung. Nur mit einer hohen Ertragskraft kann die Bedeutung und die Eigenständigkeit des Unternehmens sichergestellt werden. Die langfristige, kontinuierliche Entwicklung steht dabei über der kurzfristigen Gewinnmaximierung. Für Aktionäre, die sich nicht nur auf eine kurzfristige Gewinnoptimierung konzentrieren, sondern sich mittel bis langfristig engagieren wollen, sind wir bestimmt eine attraktive Gesellschaft.


Was tut sich bei CPHs Immobilienfiletstück in Uetikon am Zürichsee?


Der heute industriell und gewerblich genutzte Arealteil der Chemie Uetikon AG, auf dem Gebiet der Gemeinde Uetikon, wird weiter von Industrie und Gewerbe genutzt werden.





 
Der Gesprächspartner:
Peter Schildknecht (1962) ist seit 2009 Vorsitzender der Gruppenleitung CPH Chemie + Papier Holding AG. Er ist promovierter Maschineningenieur ETH mit Vertiefungsrichtungen in Textiltechnik und Technische Betriebswissenschaften BWI. Im 2000 absolvierte er «The General Manager Program» an der Harvard Business School, in Boston USA. An der Stanford University in Stanford folgte im 2008 mit «Stanford Executive Program, Graduate School of Business» eine zusätzliche Weiterbildung. Peter Schildknecht war in verschiedenen leitenden Funktionen bei den Unternehmensgruppen Von Roll und Sarna tätig, zuletzt als Leiter der Sarnafil Division in Sarnen. Peter Schildknecht engagiert sich zudem auf Mandatsbasis in verschiedenen Gremien für Forschung und Wirtschaft.nbsp;


Das Unternehmen:
Die CPH ist eine international tätige Industriegruppe mit Hauptsitz in der Schweiz. Sie ist auf die Entwicklung, die Herstellung den Vertrieb von Chemikalien, Papieren und pharmazeutischen Verpackungsfolien spezialisiert. Die Gruppe beschäftigt gegen 1’000 Mitarbeitende und bildet Nachwuchskräfte in verschiedenen Berufen aus. Sie ist an sieben Produktionsstandorten in der Schweiz, in Deutschland, in Irland und in den USA präsent. Die Aktien der CPH sind seit 2001 an der SIX Swiss Exchange im Segment Local Caps kotiert.

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