Philip Mosimann, CEO Bucher Industries: «Langfristig wird Brasilien für uns noch wichtiger werden»
Von André Schäppi
Herr Mosimann, während andere Firmen mit der Fertigung nach Asien ziehen, investiert Bucher in Frutigen 7 Mio. Franken und im Elsass 27 Mio. Euro. Weshalb ist Europa als Fertigungsplatz für Sie interessant?
Philip Mosimann:
In Frutigen werden Hydraulikkomponenten wie Ventile und Steuerblöcke in hoher Präzision gefertigt. Mit vollautomatischen, roboterbestückten Fertigungslinien wird in unbemannten Schichten auch in der Nacht und am Wochenende produziert. Diese Anlagen sind sehr kapitalintensiv. Dank motivierter, gut ausgebildeter Arbeitskräfte mit flexiblen Arbeitszeitregelungen können die Stillstandszeiten sehr tief gehalten werden. Wir haben aufgrund dieser Vorteile in der Schweiz die besten Bedingungen.Beim Standort im Elsass wird das Montagewerk erweitert, das vom grossen Know-how der langjährigen Mitarbeitenden profitiert. Wir haben auch andere Orte evaluiert aber festgestellt, dass wir dank der Nähe zum Hauptstandort ökonomisch besser fahren und erst noch ein kleineres unternehmerisches Risiko haben. Zudem beliefern wir vom Elsass aus die Hauptmärkte in Europa, was ebenfalls für Europa spricht.
Ihr Mitbewerber bei den Landmaschinen, John Deere, hat sich kürzlich zu den Jahreszahlen im Bereich Landmaschinen geäussert und geht davon aus, dass die Umsätze des Unternehmens im Geschäftsjahr 2007 insgesamt um etwa 13 Prozent zunehmen werden. Dürften die Zahlen für Bucher in einer ähnlichen Grössenordnung liegen?
Obwohl wir keine absoluten Zahlen abgeben, blicken wir durchwegs zuversichtlich in die Zukunft. John Deere ist allerdings hauptsächlich im Traktorenmarkt tätig, während wir die Maschinen rund um den Traktor anbieten. Deshalb sind diese Zahlen nicht direkt übertragbar.
Kürzlich wurde von Kverneland ein neues GPS-gestütztes System zur zielgenauen Unkrautbekämpfung vorgestellt. Wie wichtig ist Innovation im Bereich Landmaschinen und wo positioniert sich Bucher?
Dieser Trend des Precision-Farming ist nicht neu und wird sich im Bereich der Traktoren sicher etablieren. Für uns geht es darum, mit unseren Maschinen rund um den Traktor, mit dem Traktor kommunizieren zu können. Wir haben über Can-Bussysteme diese Aufgabe bereits gelöst und sind kompatibel. Die gleiche Entwicklung sehen wir ebenfalls bei Kommunalfahrzeugen und Winterdienstausrüstungen. Das eigene und geschützte Softwaresystem Route-Inform steht im Winterdienst bereits im Einsatz.
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Welche Erwartungen haben Sie für dieses Jahr für das für Bucher wichtige Brasilien?
Brasilien hat die Talsohle durchschritten. Das können wir bereits jetzt im Mai sagen, weil wir wesentlich besser unterwegs sind als im Vorjahr. Aber wir sind noch nicht auf dem Niveau von 2004. Trotzdem ist der Trend positiv und zeigt nach oben. Langfristig wird Brasilien für uns noch wichtiger werden. Wir haben die letzten zwei Jahre genutzt, um Technologie zu transferieren, neue Produkte zu positionieren und den Standort Brasilien als Zulieferer im Landmaschinenbau für Europa aufzubauen.
In England werden bereits in rund der Hälfte der Gemeinden und Städte die Strassenreinigungsarbeiten von privaten Unternehmen erledigt. Diese können, weil sie mehrere Gemeinden bedienen, die Maschinen effizienter nutzen, was zur Kosteneinsparung für die Kommunen führt. Der Trend zur Privatisierung der Strassenreinigung dürfte auf Kontinentaleuropa übergreifen. Welche Einfluss haben derartige Entwicklungen auf das Geschäft und wie kann Bucher darauf reagieren?
Die zunehmende Privatisierung hat einen positiven Einfluss auf unser Geschäft, da man mit privaten Unternehmen über Aspekte wie Lebenszykluskosten diskutieren kann, während die Gemeinden den billigsten Anbieter nehmen müssen. Das ist insofern wichtig, weil sich höhere Anschaffungskosten durch einen günstigeren Unterhalt oder eine längere Lebensdauer rechtfertigen. Diesen Trend sehen wir übrigens auch in Italien und Frankreich. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzen sollte, werden wir positiv davon profitieren.
Machen sich im Bereich Kommunalfahrzeuge eigentlich die schneearmen Winter bemerkbar?
Ja, in geringem Masse, denn bei geringerem Einsatz der Fahrzeuge werden natürlich weniger Ersatzteile benötigt. Aber einen Einfluss auf die Beschaffung von Kommunalfahrzeugen werden erst mehrere warme Winter in Folge haben.
In Frankreich, dem wichtigsten Absatzmarkt für Weinproduktionsanlagen, ging die Nachfrage 2006 um 15% zurück. Für 2007 erwartet Bucher Process eine Umsatzzunahme und ein höheres Betriebsergebnis. Woher sollen die Impulse für diese Zunahme kommen?
Bucher konnte schon letztes Jahr diesen Einbruch dank seinem weltweiten Vertriebs- und Servicenetz mehr als kompensieren. Wir sind aber optimistisch, dass Frankreich die Talsohle durchschritten hat und wenn Frankreich anzieht, werden wir die Nachfrage überproportional spüren. Auch technologisch besteht noch ein Nachholbedarf, weil die Franzosen beispielsweise die Umkehrosmose, ein Verfahren zum Entzug von überschüssigem Wasser und damit Erhöhung des Zuckergehalts im Traubenmost, noch nicht anwenden. Insgesamt erwarten wir aber aus allen Weinbauländern eine gesteigerte Nachfrage.
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Der Markt für Glasflaschen dürfte nach wie vor unter Druck sein, da PET und Aludosen immer noch auf dem Vormarsch sind und Glas zunehmend substituieren. Rechnen Sie trotzdem mit einer zunehmenden Nachfrage für die NIS-Glasformungsmaschine?
Ja, wir rechnen mit einem erhöhten Bedarf, da zurzeit weltweit ein Mangel an Glasflaschen besteht, speziell in den Wachstumsmärkten Osteuropa und Mittlerer Osten. Wir sehen auch eine Abflachung bei der Zunahme bei PET und einem Aufholen beim Glas als Gebindematerial. Diese starke Nachfrage wird sich, soweit wir das heute beurteilen können, bis 2009 fortsetzen. Ab diesem Zeitpunkt werden wir unsere neuen Maschinen zur Herstellung von leichteren und gleichzeitig widerstandfähigeren Glasbehältern auf den Markt bringen. Deshalb sehen wir für Emhart Glass mittelfristig sehr gute Entwicklungschancen.
Die Hydrauliksparte läuft momentan sehr gut. Wie lange denken Sie, hält dieser Boom an?
Wir haben hier sicher konjunkturellen Rückenwind, von dem wir profitieren. Aber hinzu kommt, dass wir mit unserer Aufstellung, der Marktbearbeitung sowie den kundenspezifischen Lösungen mehr Hydraulik verkaufen können. Beide Faktoren tragen dazu bei, dass wir überdurchschnittlich erfolgreich in der Hydrauliksparte sind. Und gerade die eigenen Anstrengungen tragen einen wesentlichen Anteil zum Erfolg bei, weshalb wir hier auch positiv in die Zukunft blicken können.
Bucher feiert heuer sein 200 Jahr Jubiläum. Welche Aktivitäten sind dazu geplant?
Am Samstag, 16. Juni 2007 lädt Bucher das interessierte Publikum von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr zum Tag der offenen Tür nach Niederweningen ein. Auf dem Rundgang durch das Betriebsareal und die Montagehallen wird ein Einblick in die verschiedenen Tätigkeiten des Konzerns gegeben und damit auch die Rolle von Bucher als Arbeitgeber in der Region Wehntal unterstrichen. Verschiedene Attraktionen werden dabei für eine fröhliche und ungezwungene Atmosphäre sorgen.
Zur Person
Geboren 16.5.1954
Dipl. Masch. Ing. ETH Zürich, Vertiefung Turbomaschinen und Strömungstechnik.
1980 Beginn bei Sulzer als Forschungsingenieur
1982-1997 15 Jahre im Kraftwerksbau vom Ingenieur zum Divisionsleiter
1997-2001 Mitglied der Sulzer Konzernleitung und Leiter Konzernbereich Sulzer Textil
2001 Mitglied der Konzernleitung Bucher Industries
seit 2002 Chief Executive Officer Bucher Industries.
Zum Unternehmen
Der Konzern umfasst fünf spezialisierte Divisionen in industriell verwandten Gebieten des Maschinen- und Fahrzeugbaus. Die Geschäftsfelder liegen vorwiegend in gereiften Anwendermärkten, die durch Produktinnovation sowie geografische Ausweitung des Angebots über erhebliches Wachstums- und Ertragspotenzial verfügen. Bucher erzielte im Jahr 2006 mit rund 6 800 Mitarbeitenden einen Umsatz von CHF 2.1 Mia.