von Patrick Gunti
Herr Perego, Entris Banking führt mit dem Projekt Trivium das derzeit wohl grösste Migrationsprojekt der Schweiz. Rund 50 Banken (RBA-Banken und weitere Institute) wechseln dabei von der bisherigen IBIS-Plattform der RTC auf Finnova. Wie weit ist das Projekt fortgeschritten?
Die RBA-Banken haben uns im vergangenen Juni nach umfangreichen Vorbereitungsarbeiten grünes Licht für die Umsetzung des Projekts gegeben. Seither laufen die Arbeiten auf Hochtouren, wir befinden uns auf Kurs. Zum Jahreswechsel 2010/2011 werden die ersten Banken auf Finnova migrieren.
Welches sind die weiteren Meilensteine und Ziele?
Die weiteren Banken werden in fünf Gruppen bis Ende 2012 migrieren. Primäres Ziel ist es, den Banken mit Finnova eine konkurrenz- und zukunftsfähige sowie im Betrieb kostengünstige Informatiklösung zur Verfügung zu stellen.
Das Projekt hat eine einmalige Grösse. Wie komplex ist es und welches sind die grössten Herausforderungen?
Das Projekt ist aufgrund der Anzahl Banken in der Tat einmalig für die Schweiz. Betroffen sind rund 3500 Mitarbeitende in über 250 Geschäftsstellen der Banken sowie bei den RBA-Gesellschaften. Um die Migration zu vereinfachen und den künftigen Betrieb für die Banken effizienter zu gestalten, arbeiten wir zusammen mit den Banken daran, für alle Institute gültige einheitliche bankfachliche Standards festzulegen. Dies unter der Prämisse, den Banken im Vertrieb die gewünschte Freiheit und Individualität zu ermöglichen. Es bedeutet eine gewaltige Herausforderung, die Standardisierung und die umfangreichen technischen Anpassungen umzusetzen. Die ersten Ergebnisse stimmen mich aber positiv.
Wie sieht die Projektorganisation aus, wie ist die Rollenverteilung zwischen Informatikern, Bankspezialisten und externen Mitarbeitern?
Entris Banking führt das gesamte Programm im Auftrag der Banken zusammen mit dem Implementierungspartner Comit. Im Rahmen der einzelnen Projekte arbeiten IT-, Bank- und weitere Spezialisten von Banken, Entris Banking und Comit Hand in Hand. Für die Migration und die Transformation sind 50’000 bis 60’000 Personentage veranschlagt. Diese entfallen auf die RBA-Gesellschaften, auf die Provider Comit und Finnova sowie auf die Banken. Bis zu 60 Personen werden spezifisch für Trivium tätig sein.
«Das Projekt ist aufgrund der Anzahl Banken in der Tat einmalig für die Schweiz. Betroffen sind rund 3500 Mitarbeitende in über 250 Geschäftsstellen der Banken sowie bei den RBA-Gesellschaften.»
In welchem Rahmen bewegen sich die Gesamtkosten des Projekts?
Die Kosten für die Migration belaufen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Dafür sind die Betriebskosten in der Folge deutlich tiefer als mit der heutigen Lösung.
Wie stark bindet Trivium die Kapazitäten von Entris Banking, und welche weiteren grösseren Projekte stehen derzeit an?
Indem die Projektorganisation und die Linie eng zusammenarbeiten, sind praktisch alle unsere Mitarbeitenden ins Projekt Trivium involviert. Daneben gilt es, das Alltagsgeschäft zugunsten unserer Kunden sicherzustellen, wozu auch diverse kleinere und grössere Projekte gehören.
Entris Banking ermöglicht über 50 Banken eine umfassende Auslagerung von Services. Was zeichnet das Business Process Outsourcing (BPO)-Angebot von Entris Banking aus?
Well done is better than well said, so lautet mein Leitspruch. Wir sind daran, unser Banking zu industrialisieren und ermöglichen den Banken trotzdem die grösstmöglichen Freiheiten. Unsere Dienstleistungen bestehen in einem harten Marktumfeld und bieten einen hohen Kundennutzen.
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Wie gross ist die Durchdringung von BPO in der RBA-Gruppe?
Die Durchdringung ist sehr hoch, vor allem bei unseren BPO-Kerndienstleistungen Zahlen, Anlegen und Vorsorgen. Auch Dienstleistungen im Bereich der Corporate Services werden rege genutzt. Nun gilt es, unsere Kunden «sauber» auf die neue Plattform zu migrieren. Dann wollen wir die BPO-Durchdringung weiter steigern, so können unsere Kunden von Volumenbündelung und Skaleneffekten profitieren. Dazu bietet Finnova mit seiner modernen Plattform eine attraktive Basis.
Was wird Ihrer Meinung nach die BPO-Szene in den kommenden Jahren prägen und was wird in die Entris-Strategie einfliessen?
Die Eigenfertigungstiefe entlang der ganzen Banking-Wertschöpfungskette wird weiter abnehmen. Der Sourcing-Markt wird noch härter umkämpft werden. Es gewinnt, wer die Kosten im Griff hat, versteht Informatik und Banking nutzbringend zu vereinen sowie im Vertrieb die richtigen Strategien fährt. Entris steht seit Jahren für die Industriealisierung im Banking; dies entspricht einem langfristigen Trend. Wir werden mit Abschluss der Migration ab 2013 sehr gut aufgestellt sein.
In letzter Zeit sind die Anforderungen bezüglich Compliance, Anlagerichtlinien und gesetzlichen Vorgaben kontinuierlich gestiegen. Durch die Finanzkrise dürften neue Richtlinien entstehen. Welche Unterstützung kann Entris hier bieten?
Im Regionalbanken-Umfeld, unserem heutigen primären Geschäftsfeld, sind die regulatorischen Auswirkungen der Finanzkrise selbstverständlich auch spürbar. Mit unserem Compliance-Team unterstützen wir die Banken in diesen Themen professionell, wodurch die Banken vom Verbundnutzen profitieren.
«Es gewinnt, wer die Kosten im Griff hat, versteht Informatik und Banking nutzbringend zu vereinen sowie im Vertrieb die richtigen Strategien fährt.»
Ist bei den Banken die Relevanz des BPO durch die Finanzkrise etwas in den Hintergrund getreten?
Nein, im Gegenteil. Bei einem kompetitiveren Markt werden die Kostenkomponente und die Konzentration auf die Kernkompetenzen noch wichtiger. Wer die Kosten im Griff hat, kann mehr Spielraum ausnutzen und sich aufs Wesentliche fokussieren. Aus Sicht Bank sind dies die Kunden und deren Betreuung.
Wie schätzen Sie die Konkurrenzsituation für Entris Banking ein?
Die Konkurrenz nimmt zu, was den Markt weiter belebt. Vor allem in letzter Zeit ist viel Bewegung in den Sourcing-Markt gekommen. Wir haben viel Erfahrung in diesem Bereich, verbessern uns laufend und arbeiten an uns. Wir wollen unsere Leistungen künftig nicht nur für Regionalbanken, sondern vermehrt auch für weitere Finanzdienstleister erbringen.
Am 3. und 4. November ist Entris Banking auch am Finance Forum in Zürich präsent. Was können Interessierte erwarten?
Wir positionieren schwergewichtig unsere Marke Entris mit den drei Gesellschaften Entris Banking, Entris Operations und Entris Audit, informieren aber auch über Trivium. Wir stehen für umfassendes Outsourcing mit effizienten Dienstleistungen, kombiniert mit der nötigen Flexibilität und Professionalität für unsere Kunden. Dies werden wir auch dieses Jahr mit einem Referat (am 3. November, um 10.30 Uhr) und einem Stand (3.01) präsentieren.
Herr Perego, besten Dank für das Interview.
Zur Person
Philipp Perego zeichnet als CEO für Entris Banking verantwortlich. Er ist seit über 30 Jahren im Banking tätig und hat grosse Erfahrung im Vermögensverwaltungs- und Endkundengeschäft. Er arbeitete rund 16 Jahre bei Grossbanken und war ab 1997 am Aufbau der Valiant-Gruppe beteiligt, wo er strategische Projekte leitete. Philipp Perego treibt seit 2005 die Modernisierung der RBA-Gruppe voran: vom Gemeinschaftswerk zum modernen und marktfähigen Leistungserbringer.
Entris Banking AG
Entris Banking, 2008 aus der Fusion von RBA-Zentralbank und RBA-Service hervorgegangen, ist eine Tochtergesellschaft der RBA-Holding, einer Gemeinschaftsorganisation von Regionalbanken. Entris Banking verfügt über den Bankenstatus und untersteht der Aufsicht der Finanzmarktaufsicht. 300 Mitarbeitende sorgen dafür, dass die über 50 Kundenbanken optimale Finanzdienstleistungen erbringen können.
In 250 Geschäftsstellen der Banken arbeiten rund 3500 Mitarbeitende an PCs, die mit Entris Banking verbundenen sind. Zusammen mit den Geräten der RBA-Gesellschaften betreut Entris Banking über 4000 PCs. Mit der Schwestergesellschaft Entris Operations koordiniert Entris Banking die Verarbeitung von monatlich bis zu 2 Mio. Zahlungsbelegen. Bankkunden nutzen gegen 300’000 Kredit- bzw. Debitkarten, die von Entris Banking herausgegeben wurden. Im Jahr 2008 betrug der Dienstleistungsumsatz von Entris Banking 154 Mio. Franken.