Philippe Egger, CEO AXA Winterthur

von Patrick Gunti


Herr Egger, AXA Winterthur hat den Unternehmensgewinn im 1. Halbjahr um 28 % auf 255 Mio. Franken steigern können, hingegen ging das operative Ergebnis um 13 % auf 306 Mio. Franken zurück. Wie werten Sie das Ergebnis?


Angesichts der Wirtschaftskrise sind sowohl der Unternehmensgewinn als auch das operative Ergebnis erfreulich. Das Finanzergebnis zeigt, dass wir die Herausforderungen der Wirtschaftskrise bislang gut gemeistert haben und mit unserer diversifizierten Anlagestrategie und unserem Risikomanagement richtig liegen. So verfügen wir mit einer Solvenz I von 184 Prozent im Lebengeschäft über eine sehr hohe Kapitalstärke. Der Unternehmensgewinn profitierte von der Erholung an den Finanzmärkten. Im Schadenversicherungs-Geschäft liegt der Schaden-Kosten-Satz (Combined Ratio) mit 93,9 Prozent leicht über dem Vorjahresniveau, was den operativen Gewinn beeinflusst hat.


Die Bruttoprämieneinnahmen sanken im 1. Halbjahr um 1,3 % auf 8,07 Mrd. Franken. Im Leben-Geschäft gingen die Prämien-Einnahmen um 3 % auf 5,11 Mrd. Franken zurück. Wie erklärt sich das Resultat?


Im Bereich Schadenversicherungen konnten wir mit Prämieneinnahmen von 2,956 Milliarden Franken gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,6 Prozent wachsen und damit unsere Position als grösster Schadenversicherer der Schweiz ausbauen. Der Rückgang im Leben-Geschäft ist in erster Linie auf die spezifische Situation im Pensionskassen-Geschäft zurückzuführen. Viele Vorsorgeeinrichtungen wünschen sich derzeit den Schutz einer Vollversicherung, können aber nicht wechseln, da sie in Unterdeckung sind. Dadurch ist der Markt weitgehend zum Stillstand gekommen.

Im Gegensatz zur beruflichen Vorsorge nahm das Neugeschäft im Einzelleben deutlich zu. Verantwortlich für diesen Anstieg war die Lancierung des neuen TwinStar Income. Der Erfolg des Produktes beweist, dass wir mit dieser Innovation den Nerv der Zeit getroffen haben und unseren Kunden genau das bieten können, was sie heute suchen, nämlich die Kombination von Renditepotential und Sicherheit durch garantierte Auszahlungen.


Erfreulich entwickelte sich das Neugeschäft im Einzelleben. Wie hat sich die Zahl der Kunden entwickelt?


Die Zahl der Kunden entwickelt sich erfreulich. Dabei muss man berücksichtigen, dass viele unserer Kunden, die einen neuen Vertrag unterzeichnen, bereits vorher zu unserer Kundschaft gezählt haben. Ein Beispiel: Wenn sich jemand die Lebensversicherung auszahlen lässt und dieses Geld in eine Rente oder einen Auszahlungsplan investiert, ist dies eine neue Police aber kein neuer Kunde. So gezählt wären es also noch bedeutend mehr Kunden.


Wie hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf das Geschäft mit der beruflichen Vorsorge ausgewirkt?


Im BVG-Geschäft haben wir derzeit eine spezielle Situation. Wie schon erwähnt, hat die Nachfrage nach unserem Vollversicherungsmodell zwar massiv zugenommen, trotzdem können wir nicht davon profitieren, wie es in einem freien Markt der Fall sein müsste. Verhindert wird dies durch die so genannten «rostigen Fesseln». Viele Vorsorgeeinrichtungen, die zur AXA Winterthur wechseln möchten, sind jetzt bei teilautonomen Pensionskassen angeschlossen, die in Unterdeckung sind. Um wechseln zu können, müssten sie also die Differenz aus eigenen Mitteln finanzieren. Und dies ausgerechnet jetzt, wo viele der Unternehmen unter den Auswirkungen der Krise leiden.


«Im Gegensatz zur beruflichen Vorsorge nahm das Neugeschäft im Einzelleben deutlich zu. Verantwortlich für diesen Anstieg war die Lancierung des neuen TwinStar Income.»


Sie haben es angesprochen: Mit TwinStar Income und TwinStar Income Plus hat Axa Winterthur im Bereich Lebensversicherungen zwei Auszahlungspläne mit Garantie lanciert. Das Management von Garantien ist sehr komplex. Wie werden die Garantien sichergestellt?


Die AXA Gruppe ist weltweit führend im Management solcher Garantien. Davon profitieren auch wir in der Schweiz. Die Garantien werden am Kapitalmarkt abgesichert. Dabei achten wir auf eine starke Diversifikation und können so die Risiken reduzieren. Die Herausforderung bei der Absicherung besteht darin, dass das Fondsportfolio keine fixe Grösse hat, sondern sich täglich verändert: Hier wird ausbezahlt, dort steigt ein Kunde neu ein. Dies bedeutet, dass die Absicherung ständig den neuen Bedingungen angepasst werden muss ? ein enorm dynamischer Prozess.


Ein Wachstum von 1,6 % konnten Sie im Bereich der Schadenversicherungen erzielen ? trotz des hohen Preisdrucks. Wie begegnet AXA Winterthur diesem Preisdruck?


Dieses Wachstum, das aus einer markanten Zunahme des Neugeschäftes im 2008 stammt ? ebenfalls einem Jahr mit hohem Preisdruck notabene ? zeigt, dass wir mit unseren Prämien konkurrenzfähig sind. Das wirtschaftliche Umfeld erfordert jedoch nach wie vor die Sicherung der Profitabilität, um gestärkt aus der Krise zu kommen. Die Maxime lautet deshalb Ertrag vor Wachstum und damit verbunden eine konsequente Durchsetzung risikogerechter Tarife mit punktuell verbesserten Tarifstrukturen.


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Swiss Life wie auch Allianz Suisse streichen Stellen und wollen damit Kosten senken. Wie ist die Situation bei der AXA Winterthur, die zum Berichtszeitpunkt 2,1 % weniger Mitarbeitende zählte als vor Jahresfrist?


Diese Zahlen berücksichtigen unseren Aussendienst nicht, wo im Vorjahr rund 300 Stellen geschaffen wurden. Die Veränderung bei den Mitarbeiterzahlen ist zudem nicht auf einen generellen Stellenabbau zurückzuführen, sondern auf normale Schwankungen und auf die natürliche Fluktuation. Einzelne Ressorts besetzen aufgrund des derzeit schwierigen Marktumfeldes frei werdende Stellen nicht mehr. Die AXA Winterthur hat bis jetzt weder einen Einstellungsstopp verfügt noch Stellen abgebaut, wie dies einzelne Mitbewerber taten.


Ende Januar hat die AXA Bank ihre Tätigkeit als Direkt Bank aufgenommen. Welche Bilanz können Sie nach einem halben Jahr ziehen?


Die AXA Bank ist rund acht Monate nach Markteintritt auf Kurs. Wie erwartet kommen unsere Bank-Produkte zum richtigen Zeitpunkt. Die Kunden suchen attraktive und sichere Anlagen. Dieses Bedürfnis können wir mit dem Sparkonto Plus und dem Festgeldkonto mit einem Zins von 1,4 Prozent bzw. 1,1 Prozent erfüllen. Unsere Kunden schätzen zudem die gebührenfreien Basisdienstleistungen und die einfachen Prozesse der AXA Bank.


«Die AXA Bank ist rund acht Monate nach Markteintritt auf Kurs. Wie erwartet kommen unsere Bank-Produkte zum richtigen Zeitpunkt.»


Seit Mitte Jahr bietet die Tochterfirma Winterthur-ARAG Inkasso-Dienstleistungen für KMU an. Wie präsentiert sich das Angebot und welches Potenzial sehen Sie?


Die Winterthur-ARAG nimmt mit dieser Dienstleistung kleinen und mittleren Unternehmen aufwändige und kostspielige Inkasso-Prozesse ab, von der Eintreibung von unbestrittenen Forderungen, zur Übernahme der Kosten für das Betreibungsverfahren bis hin zur Konkursandrohung. Zudem erhalten die Kunden Zugriff auf eine Online-Plattform mit Bonitätsinformationen von Unternehmen. Mit dem Angebot können wir KMU einen in der Branche einzigartigen Service bieten und sie vor finanziellen Einbussen schützen, besonders in der aktuellen Wirtschaftslage ein echter Mehrwert. Das Angebot ist ein Zusatz zum Vertragsrechtsschutzprodukt und kommt gemäss ersten Erfahrungen gut an.


Die Schweinegrippe war das Sommerthema schlechthin und könnte in wenigen Wochen auch die Schweiz in grossem Ausmass heimsuchen. Würde die Epidemieversicherung der AXA Winterthur die daraus für Unternehmen entstehenden Schäden decken und wie viele Unternehmen haben diese Versicherung abgeschlossen?


Die Epidemieversicherung deckt die Schäden, die aufgrund von Infektionskrankheiten entstehen. Beispielsweise die finanziellen Folgen einer Betriebsschliessung oder die Beseitigung infizierter oder infektionsverdächtiger Ware. Sie eignet sich vor allem für landwirtschaftliche Betriebe, Lebensmittelproduzenten und -händler, Gastronomieunternehmen oder im Gesundheitswesen tätige Betriebe. Wir haben rund 3000 Kunden, die eine solche Epidemieversicherung abgeschlossen haben. Durch Influenzaviren verursachte Erkrankungen sind von der Deckung ausgeschlossen. Das Ausmass der aus einer schweren Influenzapandemie entstehenden Schäden wäre zu gross für die Erstversicherer, zumal sie für dieses Risiko keine Rückversicherung abschliessen können.


Von welcher Geschäftsentwicklung gehen Sie für das zweite Halbjahr aus und wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die AXA Winterthur?


Viele unserer Geschäfte sind abhängig von der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen sowie der Konsumstimmung. Ich denke da zum Beispiel an tiefere Lohn- und Versicherungssummen aufgrund höherer Arbeitslosigkeit oder den Kauf kleinerer Autos, die tiefere Prämien zur Folge haben. Trotzdem bin ich sehr zuversichtlich für das zweite Halbjahr. Wir legen den Fokus auf unser Kerngeschäft mit Schadens- und Lebensversicherungen und dem Asset Management und verfolgen keine anderen Tätigkeiten, wie etwa das Investmentbanking. Und wir bleiben konsequent, wenn es um die Sicherstellung der Profitabilität im operativen Geschäft geht. Dazu gehören nach wie vor eine strikte Kostenkontrolle und Underwriting-Politik.


Herr Egger, besten Dank für das Interview.





Der Interviewpartner
Philippe Egger (Jahrgang 1956)


Seit 2007
– Mitglied des AXA Group Executive Committee
– Chief Executive Officer (CEO) der AXA Winterthur

2004 – 2006
Mitglied der Geschäftsleitung, Winterthur Group
Leiter Market Group Switzerland

2003 – 2004
Mitglied der Geschäftsleitung, Winterthur Group
Leiter Market Unit Schweiz Nicht-Leben

1999 – 2002
Basler Versicherungen, Mitglied der Geschäftsleitung
Leiter Privatkundengeschäft Schweiz


Ausbildung
Eidgenössisch diplomierter Versicherungsfachmann


Das Unternehmen:
Die zur AXA Gruppe gehörende AXA Winterthur ist mit einem Marktanteil von 21,4 Prozent der führende Allbranchenversicherer der Schweiz. Im Rahmen der finanziellen Sicherheit bietet die AXA Winterthur eine breite Palette von Personen-, Sach- und Haftpflichtversicherungslösungen, massgeschneiderte Lebensversicherungs- und Pensionskassenlösungen sowie Anlage- und Sparprodukte für Privat- und Unternehmenskunden. Die AXA Winterthur beschäftigt rund 4300 Mitarbeitende. Das Vertriebsnetz umfasst zudem über 300 selbständige Generalagenturen und Agenturen mit rund 2900 Mitarbeitern, welche exklusiv für die AXA Winterthur tätig sind. Im Jahr 2008 erzielte die AXA Winterthur ein Geschäftsvolumen von CHF 10,344 Milliarden.

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