Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Merk, vor dem Einstieg bei Maurice Lacroix waren Sie unter anderem als CEO bei Feldschlösschen tätig. Was haben Uhren und Bier gemeinsam?
Philippe Merk: Auf den ersten Blick nicht viel, aber es gibt trotzdem gewisse Parallelen. Zuerst einmal hoffe ich, dass beide Produkte-Kategorien dem jeweiligen Konsumenten viel Freude bereiten. Gerade das ist in einer «Konsumwelt des Überangebots» nicht einfach. Beide Geschäfte sind anspruchsvolle Konsumgütergeschäfte mit grosser Konkurrenz und internationaler Orientierung. In beiden Fällen geht es darum, eine starke Marke aufzubauen. Klar sind die spezifischen Aspekte und Ausgestaltung des Marketing-Mix unterschiedlich. Im übrigen bin ich überzeugt, dass man bei einem Industriewechsel viel aus einem anderen Gebiet in ein neues einbringen kann und dabei selber viel vom neuen Umfeld lernen kann.
Seit März 2001 sind Sie CEO von Maurice Lacroix, seit Oktober 2001 ist das Unternehmen innerhalb der Desco von Schulthess AG eine eigenständige juristische Einheit. Wie viele Freiheiten haben Sie innerhalb der Gruppe, um das Geschick der Maurice Lacroix zu bestimmen?
Die Art der Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat ist nicht anders als in börsenkotierten Unternehmen. Ich finde aber, dass in diesem speziellen Fall eine besonders grosse Vertrauensbasis und langfristige Orientierung vorhanden ist. Die Geschäftsleitung hat wirklich die Möglichkeit, die Marke optimal zu entwickeln. Das Arbeiten macht so allen Beteiligten einfach mehr Spass.
Das Label und Qualitätssiegel «Swiss made» werden wir nicht so schnell aufgeben. Unter anderem auch deshalb, weil wir das grosse «Savoir Faire» unserer Mitarbeiter im Ausland wohl kaum leicht finden würden. Philippe Merk, CEO Maurice Lacroix
Im Juni 2004 haben Sie eine aufsehenerregende Partnerschaft mit Roger Federer, der damaligen Nummer Eins der Tennis-Weltrangliste, geschlossen. Wie viel des gesamten Marketing-Budgets fliessen in die Zusammenarbeit mit Roger Federer und welche konkreten Auswirkungen auf die Verkaufszahlen konnten Sie seit dem Beginn der Zusammenarbeit feststellen?
Die Partnerschaft mit Roger Federer spielt natürlich in unserer Marketingkommunikation eine wichtige Rolle. Wir setzen Sujets von Roger Federer im Zusammenhang mit unserer Marke in der klassischen Printwerbung ein. Roger Federer ist selbstverständlich am Point of Sale bei unseren Handelspartnern zu sehen. Wir organisieren verschiedenste PR-Anlässe in allen wichtigen Märkten rund um den Globus, und wir haben auch schon spezifische Roger Federer Sondermodelle entwickelt. Ein Grossteil des Marketingbudgets fliesst in diese Bekanntmachung der Partnerschaft und
obwohl eine konkrete Aussage nach erst einem Jahr der Zusammenarbeit verfrüht ist, sehen wir positive Entwicklungen in der Markenbekanntheit, Image und Abverkauf.
Maurice Lacroix bietet mit der «Masterpiece Collection» kunstvolle mechanische Uhren mit raffinierten Komplikationen und positioniert sich so im Edelsegment für ein finanzstarkes Publikum. Zudem gibt es für anspruchsvolle Damen spektakuläre Schmuckuhren wie die «Divina Étoile de Mer». Gleichzeitig bedienen Sie einen Einsteigermarkt mit der «Classic»-Linie und dazwischen figuriert die «Pontos»-Linie. Ist das nicht eine zu breite Front für ein kleines Unternehmen?
In der Tat decken wir ein recht grosses Feld für unterschiedlichste Konsumenten ab. Das funktioniert in der Praxis ohne Probleme. Die Gemeinsamkeit bei all diesen Kollektionen sind die Markenwerte von Maurice Lacroix. Wir sind eine klassische Marke mit grosser Passion für das Detail, das heisst, wir investieren viel Energie, Zeit und Mittel bei der Entwicklung der einzelnen Komponenten einer Uhr und entlocken unseren Uhrmachern und Designern ihr ganzes Können, um bei Zifferblättern, Uhrwerken und -dekorationen, Funktionen etc. am Schluss dem Endverbraucher ein einzigartiges Produkt vorlegen zu können.
Sie beschäftigen in der Schweiz rund 130 Mitarbeiter in der Uhrenmanufaktur und in den zentralen Diensten. Über Vertriebsorganisationen sind Sie in über 60 Ländern präsent. Wie wird die künftige Entwicklung aussehen, wie wichtig ist der Standort Schweiz und welche Bedingungen brauchen Sie, um auch in Zukunft Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen zu können?
Wir hoffen natürlich, dass wir weiterhin unsere globale Präsenz aufbauen und verstärken können. Wir glauben, dass unterschiedlichste Regionen zu unserem Wachstum beitragen können. In erster Linie würde ich Asien und die USA nennen, aber auch Osteuropa, der Mittlere Osten und Lateinamerika können neue Impulse setzen. Im angestammten (West-)Europa ist Wachstum zwar möglich, aber auf einem kleineren Niveau.
Der Standort Schweiz ist natürlich wichtig aus zwei Gründen: Zum einen entwickeln und produzieren wir unsere Uhren hier im Kanton Jura (in Saignelégier), und zum anderen ist der Schweizer Uhrenmarkt ein wichtiges «Schaufenster» für die Marke. Wir sind überzeugt, dass das internationale Wachstum auch dazu führen wird, dass neue Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen werden. Das Label und Qualitätssiegel «Swiss made» werden wir nicht so schnell aufgeben. Unter anderem auch deshalb, weil wir das grosse «Savoir Faire» unserer Mitarbeiter im Ausland wohl kaum leicht finden würden.
Nach zwei schwachen Jahren hat der gesamte Uhrenexport der Schweiz im Jahr 2004 um 9.2 Prozent auf die Rekordmarke von 11.1 Milliarden Franken zugenommen. USA, Hongkong und Japan waren die grössten Abnehmer. In welchen Märkten generieren Sie die grössten Umsätze und wie sehen Sie die Entwicklung für die kommenden drei Jahre bezüglich Wachstumsmöglichkeiten?
Europa ist für uns immer noch die umsatzstärkste Region. Wie vorher erwähnt, erleben wir, was die Uhrenindustrie auch als Ganzes erlebt. Asien ist sehr dynamisch und sicherlich eine wichtige Wachstumsregion in der Zukunft. Aber auch in den USA – heute der grösste Exportmarkt für die schweizerische Uhrenindustrie – wächst das Segment des anspruchsvollen Konsumenten, der keine Massenware will, stetig.
$$PAGE$$
Im Hoffnungsmarkt Asien bieten Sie nur das Top-Segment Ihrer Kollektion, die mechanischen Masterpiece-Modelle, an. Ein Modell für die Zukunft auch in anderen Ländern?
Die Masterpiece Collection ist gewissermassen das «Flagship» unserer Marke und stellt die Werte, die wir kommunizieren wollen, in idealer Weise dar. Dazu kommt, dass ihre Umsatzbedeutung auch sehr hoch ist. Trotzdem sind wir überzeugt, dass unsere Marke mehr als «nur» Masterpiece ist. Pontos beispielsweise als mechanische «Einstiegskollektion» hat sicher weltweit ein grosses Potenzial. Auch die neu lancierte Kollektion für Damen «Divina» ist sicherlich sehr interessant. Allgemein gesprochen versuchen wir heute Kollektionen zu kreieren, die einen «globalen Anspruch» haben.&
Ein grosses Problem der Uhrenindustrie sind die Fälschungen. In welchem Umfang ist Maurice Lacroix davon betroffen und mit welchen Massnahmen können Sie sich zur Wehr setzen?
Es ist leider auch bei uns ein zunehmendes Problem, und man kann gar nicht so viel direkt gegen diese Mafia unternehmen. Die beste Massnahme aus meiner Sicht ist es, die Uhren so anspruchsvoll zu gestalten – beispielsweise das Zifferblatt oder das Werk -, dass es den Fälschern praktisch unmöglich ist, ein vergleichbares Qualitätsniveau zu erreichen, und es somit für den Konsumenten einen klar erkennbaren Unterschied gibt. Unterschätzen darf man aber die Fähigkeiten dieser Fälscher keineswegs. Deshalb müssen wir auch innovativ bleiben und uns ständig weiter entwickeln. Vielleicht wird es ja auch einmal Technologien geben, die relativ einfach die Echtheit eines Luxusproduktes im allgemeinen und einer Uhr im speziellen beweisen. Im übrigen rate ich allen Konsumenten, die eine echte Markenuhr kaufen wollen, sich an die offiziellen Verkaufskanäle zu halten, wo natürlich nur authentische Produkte angeboten werden. Neben guter Auswahl, Beratung und Garantieleistungen erhält man beim Spezialisten später auch einen einwandfreien und guten Service. Bei Internetangeboten sind diese Leistungen keineswegs garantiert.
Die Ausbildung von Nachwuchs ist auch in der Uhrenindustrie eine der Möglichkeiten, das Wissen für die Zukunft zu erhalten und weiter zu entwickeln. Wie viele Lehrlinge beschäftigen Sie und wie schwierig oder wie einfach ist es für Sie, die Lehrstellen zu besetzen?
Wir beschäftigen 4 Lehrlinge. Es ist natürlich wichtig, dass wir ständig guten Nachwuchs und neue Talente bekommen, was bei einem technischen und anspruchsvollen Beruf, wie es der Uhrmacher ist, gar nicht so einfach und selbstverständlich ist.
Während bei den digitalen Uhren für den Massenmarkt die Entwicklung in Richtung mehr Funktionalitäten (Kalender, Adressbuch, Zugangspass für Skigebiete etc.) einige Innovationen brachte, scheinen bei den mechanischen Uhren mit den grossen Komplikationen grössere Entwicklungen nur sehr zögerlich zu kommen. Ist es hier überhaupt noch möglich, ausser beim Erscheinungsbild, Innovationen zu bringen und welche Neuerungen kommen aus Ihrem Hause?
Ich denke schon, dass hier Innovationen möglich sind. Man muss sich nur die vielen tollen Uhren und die immer anspruchsvolleren Komplikationen bei mechanischen Uhren, die jedes Jahr an der Basler Messe wieder einen neuen Höhepunkt erreichen, ansehen. Der Weg nach vorne ist nicht zu stoppen. Auch von der technischen Seite kann man die heutigen mechanischen Werke noch verbessern (beispielsweise weniger Wartung, längere und stabilere Ganggenauigkeit, höherer Wirkungsgrad und bessere Gangreserve).
Zum Schluss haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Es sind zwei ganz einfache und (selbst)verständliche Wünsche:
1. Ich wünsche mir, was sich jeder Verantwortliche in einer vergleichbaren Position wünscht. Nämlich, dass sich unser Geschäft weiterhin gut entwickelt und wir damit die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen.
2. Ich wünsche mir, dass Roger weiterhin so erfolgreich spielt! Umsatz: ca. 100 Millionen CHF
Zum ersten Punkt, kann ich vermutlich mehr beitragen.
Philippe C. Merk
CEO Maurice Lacroix S.A.
Seit dem 1. März 2001 wird die Zukunft von Maurice Lacroix wesentlich von einem Namen mitgeprägt: Philippe C. Merk.
Seit diesem Datum leitet der zweifache Familienvater als Vorsitzender der Geschäftsleitung von Maurice Lacroix die Geschicke des Uhrengeschäftes.
Während 18 Jahren sammelte er wertvolle Erfahrungen und umfassendes Know-how in der Konsumgüterbranche. Nach verschiedenen Tätigkeiten führte er zuletzt erfolgreich während fünf Jahren den Getränkebereich des Feldschlösschen Konzerns ? der grössten Bierbrauerei der Schweiz. In dieser Position war er für einen Umsatz von etwa 1 Mrd. Schweizer Franken und 1’500 Mitarbeitende verantwortlich. Der Verkauf des Unternehmens ans Ausland bewegte ihn dazu, in das Uhrengeschäft einzusteigen und mit seinen Erfahrungen dazu beizutragen, die Klassiker von morgen erfolgreich im Markt zu etablieren.
Maurice Lacroix
1961 erwarb die Muttergesellschaft von Maurice Lacroix, die Zürcher Desco von Schulthess AG, im jurassischen Saignelégier einen Assemblagebetrieb und produzierte dort Kundenmarken (private labels) für den nationalen und internationalen Markt. 1975 lancierte das Unternehmen die Eigenmarke Maurice Lacroix.
Maurice Lacroix ist dank einer leistungsfähigen Vertriebsorganisation heute an 4000 ausgewählten Verkaufspunkten in über 60 Ländern präsent. Mit Vertriebsorganisationen in Europa, im Pazifischen Raum (Fernost, Australien) und in den USA hat sich Maurice Lacroix Schritt für Schritt alle international wichtigen Uhrenmärkte erschlossen.
Das Produktionswerk in Saignelégier gehört heute zu den modernsten der Branche. 1999 wurde die Gehäusefabrikation mit bedeutenden Investitionen ausgebaut und auf den letzten Stand der Technik gebracht. In den Jahren 2000 bis 2003 hat Maurice Lacroix zudem den Assemblagebetrieb modernisiert und erweitert sowie ein eigenes Schulungs- und Informationszentrum eröffnet. Maurice Lacroix bekennt sich zum Produktionsstandort Schweiz und wird diesen auch in Zukunft weiter ausbauen.
Zahlen
Personal: 130 Mitarbeiter in der Schweiz
Produktion: 130’000 – 150’000 Uhren pro Jahr, wovon 40’000 mit mechanischen Uhrwerk