Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen-Gruppe: «Wir setzen im Firmenkundengeschäft auf die hohe Bekanntheit der Marke Raiffeisen und setzen uns daher auch ehrgeizige Ziele, was die zukünftige Marktdurchdringung ang

von Patrick Gunti


Die Raiffeisen Gruppe erzielt kontinuierlich Rekordergebnisse. 2006 wird als das bisher erfolgreichste Jahr in die Geschichte eingehen. Der Reingewinn betrug 654,7 Mio. Franken (+ 7,6%), der Bruttogewinn stieg auf 981,2 Mio. Franken (+9,0%). Mit Volumenzunahmen bei Hypotheken (+5,1%), bei den Kundengeldern (+5,6%) und beim Depotvolumen (+15,9%) ist Raiffeisen deutlich über dem Markt gewachsen.


Moneycab: Herr Vincenz, Jahr für Jahr schreibt Raiffeisen Rekordzahlen, mittlerweile zum sechsten Mal in Folge. Was sind die Hauptfaktoren für das hervorragende Abschneiden 2006?


Pierin Vincenz: Die Raiffeisen Gruppe konnte ein weiteres Mal so hervorragend abschneiden, weil es unseren 405 selbstständigen Raiffeisenbanken gelungen ist, sich auch im vergangenen Jahr ausgezeichnet im Markt zu behaupten. Unser Geschäftsmodell basiert auf dezentralen, nahe am Markt operierenden Einheiten, die durch die genossenschaftliche Rechtsform, das einheitliche Erscheinungsbild und durch eine gemeinsam getragene, strategische Grundausrichtung zusammengehalten werden. Diese einmalige Kombination führt zum Erfolg.


Das Hypothekargeschäft ist nach wie vor eine Kerntätigkeit von Raiffeisen. Was hat dieses Geschäft im letzten Jahr gekennzeichnet?


Der Wettbewerb im Hypothekargeschäft hat weiter zugenommen. Dennoch ist es der Raiffeisen Gruppe gelungen, den eigenen Marktanteil auszubauen. Während der Gesamtmarkt um 4.2% angestiegen ist, konnte unsere Bankengruppe um 5.1% zulegen. Die Raiffeisenbanken erzielten mit einem Zuwachs von 5.1% oder 4.3 Milliarden Franken erneut ein starkes Ergebnis. Der Zinsanstieg führte erstmals seit längerer Zeit wieder zu einer steigenden Nachfrage nach variablen Hypotheken.


Mit 1,8 Mrd. Franken bleibt das Zinsengeschäft wichtigster Ertragspfeiler, auffallend ist aber auch das markante Plus von 15,2 % im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft. Was war für diesen Anstieg verantwortlich?


Der Zuwachs im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft um 250 Millionen Franken geht praktisch vollständig auf das Wertschriften- und Anlagengeschäft zurück. Die erfolgreiche Lancierung neuer Produkte aus der Kooperation mit der Vontobel-Gruppe sowie deutlich erhöhte Volumen im Depot- und Vermögensverwaltungsgeschäft resultierten in einem starken Anstieg der bestandesabhängigen Kommissionserträge. Auch hat die verbesserte Börsenstimmung im vergangenen Jahr ihren Beitrag zu höheren Transaktionsvolumen im Wertschriftengeschäft und entsprechend höheren Courtageerträgen geleistet.


Was waren die Gründe für die Kooperation mit Vontobel, die per 1. Oktober die Verwaltung der Kundendepots übernommen hat?


Raiffeisen konzentriert sich bewusst auf ihre Kernkompetenzen. Dazu gehören Kundennähe, kompetente Beratung vor Ort, dezentrale Entscheidungsstrukturen – aber eben auch der Vertrieb. Das Private-Banking Geschäft gehört nicht zu unseren Kernkompetenzen. Dennoch möchten wir unseren Kunden aber den Zugang zu exklusiven Vermögensverwaltungsprodukten ermöglichen. Durch die Auslagerung der Abwicklung und der Verwaltung des gesamten Wertschriftengeschäfts und somit der Depotadministration haben wir unsere Effizienz gesteigert. Wir profitieren vom spezialisierten Wertschriften-Know-how der Vontobel-Gruppe. Ausserdem erzielen wir durch diese Auslagerung Kostenvorteile, da die Vontobel-Gruppe dank der Kooperation Skalenerträge generieren kann.


Das Depotvolumen hat sich 2006 um 15,9 % auf 32 Mrd. Franken erhöht. Wieviel dieser Steigerung rechnen Sie bereits der verstärkten Kooperation mit Vontobel zu?


Regelmässig erhalten wir in Verbraucherumfragen die Bestätigung, dass Raiffeisen als kompetenter und verlässlicher Partner im Bankgeschäft wahrgenommen wird. Dank der Kooperation mit Vontobel haben wir am Markt auch im Bereich Anlagegeschäft  zunehmend an Profil gewonnen. In sämtlichen Wertschriften-Segmenten konnten wir markante Zuwachsraten erzielen. Wie bereits im Vorjahr sind vor allem auch die in Zusammenarbeit mit der Vontobel-Gruppe geschaffenen strukturierten Produkte auf eine rege Nachfrage gestossen.



«Die Agglomerationen sind Ziel weiterer Expansionsstrategien» (Pierin Vincenz, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen Gruppe)


Raiffeisen zählt mittlerweile 3 Mio. Kundinnen und Kunden. Wie sieht es im Geschäft mit den Firmenkunden aus. Was sind Ihre Ziele in diesem Segment?


Wir setzen im Firmenkundengeschäft auf die hohe Bekanntheit der Marke Raiffeisen und setzen und daher auch ehrgeizige Ziele, was die zukünftige Marktdurchdringung angeht. Derzeit unterhalten wir rund 130’000 Beziehungen zu Firmenkunden. Wir wollen als verlässliche und innovative KMU-Bank wahrgenommen werden und uns als Nummer Zwei im Schweizer Firmenkundengeschäft positionieren. Ziel ist es, bis 2014 unseren Anteil an Hauptbankbeziehungen bei unseren KMU Kunden markant zu steigern. Dabei setzen wir, wie im Retailgeschäft auch, auf einfache und leicht verständliche Produkte und Dienstleistungen.


Das 1150 Geschäftsstellen umfassende Bankstellennetz von Raiffeisen soll weiter ausgebaut werden. Wie viele zusätzliche Bankstellen sind geplant und wo werden die regionalen Schwerpunkte gesetzt?


Die Agglomerationen sind Ziel weiterer Expansionsstrategien. Im Moment fokussieren wir auf drei grössere Regionen. Basel, den Kanton Zürich und die Region Genfersee. Die Region Basel ist grundsätzlich bereits sehr gut mit verschiedenen Geschäftsstellen erschlossen. Die Marktbearbeitung konzentriert sich hier daher auf die bessere Erschliessung des unmittelbaren Stadtgebietes. Es ist geplant, hier mit zwei weiteren Geschäftsstellen in Riehen und Sissach, die Raiffeisen-Präsenz zu erhöhen. Gleiches gilt für das laufende Jahr rund um den Zürichsee mit Geschäftsstelleneröffnungen in Horgen, Zürich-Wollishofen, Thalwil und Stäfa. In der Region Genfersee wurde im letzten Jahr eine neue Geschäftsstelle in Nyon eröffnet. Für die nächsten Jahre sind weitere vier Geschäftsstellen, nämlich in Gland, Lausanne, Vevey und Montreux geplant.


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Ende letzten Jahres hat sich Raiffeisen entschieden, die IT-Infrastruktur zu erneuern und setzt dabei auf die Bankensoftware von Avaloq. Was gab den Ausschlag zu Gunsten des Schweizer Produkts?


Mit der Einführung einer neuen Bankenplattform wollen wir die notwendigen technischen Voraussetzungen schaffen, damit die Raiffeisen Gruppe in gewünschtem Masse ihre Wachstumsziele erreichen kann. Nach einer intensiven fachlichen und technischen Prüfung sind wir der Auffassung, dass Avaloq die Anforderungen von Raiffeisen erfüllt bzw. mit den künftigen Entwicklungen erfüllen wird. Raiffeisen hat deshalb für die Standardbankensoftware Avaloq entschieden, um in einem mehrjährigen Programm die heutigen Kernbankenapplikationen abzulösen. Ein wichtiger Vorteil von Avaloq ist, dass die Standardsoftware von einer Vielzahl von Schweizer Banken eingesetzt wird. Somit werden die in ihrer Anzahl wohl weiterhin steigenden, künftigen regulatorischen Anforderungen automatisch umgesetzt.


Wie sieht der Zeitplan der Ablösung der heutigen IT-Infrastruktur aus?


Das Vorhaben Neue Bankenplattform wird in einem zweiphasigen Programm abgewickelt. In einem ersten Schritt bis 2010, werden die Zahlungsverkehr-Infrastruktur erneuert sowie Kern-Applikationen der Zentralbank abgelöst. Zudem werden wir im laufenden Jahr die Möglichkeit prüfen, ob Avaloq die heute eingesetzten Systeme bei den Raiffeisenbanken ersetzen kann.  Ein eigens dazu aufgesetztes Projekt wird die Anforderungen der Raiffeisen Gruppe an eine Front-Applikation mit den Möglichkeiten von Avaloq vergleichen. Danach wird entschieden, ob eine mögliche Ablösung in der zweiten Phase des Programms bis ins Jahr 2014 erfolgen wird.



«Mit der Einführung einer neuen Bankenplattform wollen wir die notwendigen technischen Voraussetzungen schaffen, damit die Raiffeisen Gruppe in gewünschtem Masse ihre Wachstumsziele erreichen kann.» (Pierin Vincenz)


Welche finanziellen Aufwendungen hat das Projekt zur Folge?


Mit dem Projekt sind beachtliche Investitionen in die Erneuerung unserer IT-Infrastruktur wie Rechenzentren, Server, Netze usw. verbunden. Die Finanzierung des Programms kann allerdings mit Ausnahme der Jahre 2007 – 2009 ohne Erweiterung des normalen Projektbudgets erfolgen. Während 2007 und 2009 ist eine mässige Überschreitung zu finanzieren. Für die Gruppe sind die Zusatzbelastungen durch die neue Bankenplattform aber ohne Probleme tragbar.


Wie beurteilen Sie die Geschäftsaussichten für das laufende Jahr?


Das angelaufene Geschäftsjahr stimmt uns positiv, die Aussichten stehen gut und lassen für 2007 weitere Highlights erwarten. Eine weitere Steigerung unserer Marktanteile im Aktiv- und Passivgeschäft ist möglich. Der Bruttogewinn wird weiter ansteigen und im laufenden Jahr erstmals die Milliarden-Grenze überschreiten. Das Gewinnwachstum wird allerdings in den nächsten drei Jahren aufgrund der Einführung der neuen Bankenplattform gedämpfter als in der jüngeren Vergangenheit ausfallen. Die Kundenausleihungen werden die Marke von 100 Milliarden Franken erreichen. Wir erwarten grundsätzlich, unter Abwägung aller Faktoren, für 2007 ein Resultat im Rahmen des diesjährigen Geschäftsjahres.


Raiffeisen präsentiert sich als familienfreundliches Unternehmen und hat neue Wege in der Familienförderung angekündigt. Können Sie uns die Pläne etwas näher erläutern?


Unsere Gesellschaft altert, die Geburtenrate ist zu niedrig und bereits für das Jahr 2015 erwarten wir eine gravierende Verknappung des Angebots an Arbeitskräften. Die Unternehmen werden um die Ressource Arbeitskraft miteinander konkurrenzieren müssen. Um dem Thema das entsprechende Schwergewicht in der Personalpolitik zu verleihen, hat Raiffeisen im vergangenen Jahr eine entsprechende Fachstelle eingerichtet. Die Fachstelle «Profil» hat die Aufgabe, die Strategie zur Erhaltung und Potenzialnutzung einer vielfältigen Belegschaft zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass Männer und Frauen, Mütter und Väter, Schweizer und Nichtschweizer sowie Menschen mit Behinderungen gleiche Chancen erhalten.


In einem ersten Schritt wollen wir den Frauenanteil im Kader bis 2015 auf 25% ausbauen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir unter anderem ein Mentoringprogramm ins Leben gerufen. Ausgewählte Potenzialträgerinnen werden von Mentoren aus der Geschäftsleitung und dem oberen Kader gecoacht. Es geht darum, den Frauen Zugang zu den Beziehungsnetzwerken ihrer Mentoren zu gewähren und den Meinungsaustausch mit erfahrenen Führungskräften zu pflegen. Ziel ist es, diesen Mentoring – Prozess so aufzusetzen, dass in Zukunft Männer und Frauen gleichermassen gecoacht werden.


Um Familien in der Ferienzeit zu entlasten, haben wir im vergangenen Jahr die Raiffeisen Familienferienwoche ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Fachhochschule Rorschach wurden die Kinder von Raiffeisen Mitarbeitenden in einem vielfältigen Programm während insgesamt zwei Wochen betreut. Die Aktion war ein voller Erfolg und wird auch in diesem Jahr wieder stattfinden. Die Bemühungen in Richtung Gleichstellung und Familienförderung sind ein wichtiger Beitrag zum Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit als attraktiver Arbeitgeber. Ausserdem bin ich überzeugt, dass familienfreundliche Massnahmen einen ganz wichtigen Beitrag zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten und damit letztlich zum zukünftigen Erfolg der Raiffeisen Gruppe.


Herr Vincenz, wir bedanken uns für das Interview.





Zur Person:
Dr. Pierin Vincenz (Jahrgang 1956) ist seit 1. Oktober 1999 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen Gruppe.


Ausbildung



Berufliche Tätigkeit



Zu Raiffeisen:
Raiffeisen als drittgrösste Bankengruppe der Schweiz gehört heute zu den führenden Schweizer Retailbanken. Drei Millionen Schweizerinnen und Schweizer zählen zu den Raiffeisen-Kunden. Davon sind 1,4 Millionen Genossenschafter und somit Mitbesitzer ihrer Raiffeisenbank. Die Raiffeisen Gruppe umfasst die 405 genossenschaftlich strukturierte Raiffeisenbanken mit rund 1’150 Bankstellen, Raiffeisen Schweiz (ehemals Schweizer Verband der Raiffeisenbanken) und die Gruppengesellschaften (Raiffeisen Leasing, Raiffeisen Bürgschaftsgenossenschaft usw.). Die rechtlich autonomen Raiffeisenbanken sind in der in St. Gallen domizilierten Raiffeisen Schweiz zusammengeschlossen. Diese hat die strategische Führungsfunktion der gesamten Raiffeisen Gruppe inne, ist für die gruppenweite Risikosteuerung verantwortlich und koordiniert Aktivitäten der Gruppe, schafft Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit der örtlichen Raiffeisenbanken und berät und unterstützt sie in sämtlichen Belangen.

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