Postmarkt: NR gegen vollständige Liberalisierung

Die kleine Kammer hatte das Marktöffnungskonzept des Bundesrats knapp unterstützt. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die vollständige Marktöffnung ein Jahr nach Inkrafttreten des revidierten Postgesetzes zu beschliessen und diesen Entscheid dem fakultativen Referendum zu unterstellen.


Abbau der Dienstleistungen befürchtet
Im Nationalrat setzte sich nun eine Allianz aus SP, Grünen und CVP durch. Diese Parteien stehen der Liberalisierung aus ideologischen und regionalpolitischen Gründen kritisch gegenüber. Sie befürchten, dass die vollständige Marktöffnung zu einem Abbau der Dienstleistungen und zu höheren Preisen für die Privatkunden führt. Vergeblich plädierten Vertreter der SVP und der FDP für mehr Markt. Auch sie argumentierten ideologisch. Sie versprechen sich von einer Marktöffnung tiefere Preise. Ausserdem gelte es, in Europa nicht isoliert dazustehen. In der EU sollen die Postmärkte Anfang 2011 vollständig geöffnet werden.


Bundesrat soll nach drei Jahren über die Bücher
Sollte der Ständerat, der der Marktöffnung knapp mit 20 zu 19 zugestimmt hat, dem Nationalrat in der zweiten Beratung folgen, fällt die vollständige Liberalisierung dennoch nicht ausser Rang und Traktanden. Der Bundesrat soll drei Jahre nach Inkrafttreten des revidierten Postgesetzes einen Bericht über die erwarteten Auswirkungen einer vollständigen Marktöffnung vorlegen und Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.


NR hält an flächendeckenden Grundversorgung fest
Bereits letzte Woche hatte der Nationalrat im Rahmen des Postgesetzes, den Grundversorgungsauftrag der Post beschlossen. Er will an der flächendeckenden Grundversorgung festhalten. In der Gesamtabstimmung hiess die grosse Kammer das Postgesetz mit 152 gegen 26 Stimmen bei 10 Enthaltungen gut. Im Anschluss daran nahm der Nationalrat die Beratungen zum Postorganisationsgesetz auf, die er noch am Mittwochmorgen abschliessen will. 


Nationalrat will keine Postbank
Postfinance soll weiterhin keine Hypotheken und Kredite unter dem eigenen Namen vergeben dürfen. Der Nationalrat hat sich wie schon der Ständerat dagegen ausgesprochen, Postfinance zu einer Postbank auszubauen. Der Entscheid fiel mit 101 zu 67 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Nach Ansicht der SVP, der FDP und der CVP besteht kein Bedarf an einer weiteren Bank im Kreditgeschäft. Eine Postbank sei aber auch aus ordnungspolitischen Gründen nicht angezeigt. Der Staat solle nicht mit einer eigenen Bank am Markt tätig sein.


Stärkere Post durch stärkere PostFinance?  
Eine Postbank könne nur ins Auge gefasst werden, wenn sie vollständig privatisiert und auf eine Staatsgarantie verzichten würde. Die bürgerlichen Parteien warnten auch vor den Risiken, mit denen die Führung einer Bank verbunden wäre. Die Linke hingegen sieht in einer Postbank eine Garantie dafür, dass die Post den Grundversorgungsauftrag langfristig finanzieren kann. Die Stärkung der Postfinance führe zu einer Stärkung der Post insgesamt. Es würde auch den Bankenplatz stärken, da den Banken neue Konkurrenz erwachsen würde. Ausserdem wäre ein neuer Akteur im Kreditwesen gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen ein Segen. Auch volkswirtschaftlich mache eine Postbank Sinn, da sie nicht mehr gezwungen wäre, Milliarden im Ausland anzulegen. Mit den gleichen Argumenten hatte sich auch der Bundesrat gegen eine Postbank ausgesprochen. Der scheidende SP-Bundesrat Moritz Leuenberger liess aber seine Sympathien für das linke Anliegen durchblicken.


Post soll in spezialgesetzliche AG umgewandelt werden
Weiter beschloss der Nationalrat mit 126 gegen 52 Stimmen, dem Ständerat zu folgen und die Post von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft umzuwandeln. Mit 122 zu 64 Stimmen sprach sich der Nationalrat dagegen aus, dass der Bund alleiniger Aktionär der Post sein soll. Er soll lediglich über die Aktienmehrheit verfügen – wie der Bundesrat es vorgeschlagen hatte. Bei der Postfinance möchte der Nationalrat den Handlungsspielraum nicht zu stark einschränken: Er ist dagegen, dass die Post über sämtliche Stimmen und Aktien der Finanzdienstleistungs-Tochter verfügen muss. Diese Entscheide fielen im Rahmen der Debatte über die Neugestaltung des Postmarktes. Der Nationalrat beschloss bereits im Verlaufe des Mittwochmorgens, auf die vollständige Öffnung des Postmarktes zu verzichten. Die Debatte wird am Mittwoch abgeschlossen. (awp/mc/ps/10) 

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