Präsident der Bankiervereinigung kritisiert Bundesrat Merz
«Ich hatte in den letzten vier Monaten keine Zeit, an ihn heranzukommen. Es gab keinen Termin», sagte Mirabaud. Dies sei «bedauerlich, und es trifft mich». Die Verwaltung beschliesse mehr und mehr alleine, ohne die betroffenen Verbände zu konsultieren.
«Finanzminister ist ein Vollzeitjob!»
Die Ursachen für den Zeitmangel des Finanzministers liegen für Mirabaud im System. Der Bundersat müsse von Routinearbeiten entlastet werden. Er mache zu viel. «Man kann nicht Präsident des Landes sein, gleichzeitig als Finanzminister amtieren und noch persönlich jede Schule eröffnen. Finanzminister ist ein Vollzeitjob!», erklärte Mirabaud. Dabei wäre Merz ein wichtiger Ansprechspartner für die Bankiervereinigung, «aber wenn er die ganze Zeit anderes macht, hat er keine Zeit für uns».
Kritik an Verhandlungsführung
Doch Mirabaud stört sich nicht nur am vollen Terminkalender des Finanzminsters. Er kritisiert auch die Verhandlungsführung. So habe die Bankiervereinigung eine Strategie, um das Bankgeheimnis zu retten. Und einen Teil davon habe sie bekannt gemacht. Der andere aber sei geheim. «Würden wir alles öffentlich machen, würde das unsere Verhandlungsposition schwächen. Das kritisiere ich bei unserem Finanzminister. Er breitet alle Ideen öffentlich aus, und wenn er in der Schweiz einen Konsens gefunden hat, geht er damit in Verhandlungen mit dem Ausland. Das ist die falsche Strategie. Man darf nie vorhersagen, wie weit man zu gehen bereit ist».
Abgeltungssteuer wird zum Thema
Nebst den Verhandlungen über die Doppelbesteuerungsabkommen bringt der Präsident der Bankiervereinigung die Idee einer Abgeltungssteuer ins Spiel. «Das wird die aktuelle Frage für die nächsten Monate sein», kündigte er an. Auch die «NZZ am Sonntag» berichtet von der Abgeltungssteuer, die Teil des von der Bankiervereinigung ausgearbeiteten Projekts «Rubik» sei. Die Abgeltungssteuer wurde demnach auch im Eidg. Finanzdepartement (EFD) diskutiert. Sprecher Roland Meier bestätigte dies gegenüber der SDA. Das Thema käme an einer der nächsten Bundesratssitzungen zur Sprache.
Fall UBS: Bundesrat hat das Beste daraus gemacht
Nebst der harten Kritik – auch an den Institutionen, die nicht krisentauglich seien – formuliert Mirabaud in der Zeitung «Sonntag» aber auch lobende Worte an den Bundesrat. Im Fall UBS und der Steueraffäre mit den USA habe er «das Beste daraus gemacht». Die Verhandlungs-Situation sei schwierig gewesen, weil die UBS anerkannt hätte, dass sie sich illegal verhalten hätte. Die Schweiz hatte sich dann Mitte August mit den USA auf einen Vergleich geeinigt. Dabei verzichten die USA auf die Durchsetzung der Zivilklage, welche die Offenlegung der Identität von 52’000 UBS-Kontoinhabern verlangte. Im Gegenzug bearbeitet die Schweiz innerst eines Jahres ein rund 4450 Konten betreffendes neues Amtshilfegesuch der USA.
Druck auf die Schweiz wird zunehmen
Für Mirabaud ist klar, dass der Druck auf die Schweiz nach diesem Vergleich zunehmen wird. Doch erwarte er, dass es keinen «ähnlich gravierenden Fall» wie jenen der UBS mehr gebe. Druck gebe es aber trotzdem aus zwei Gründen: «Erstens hat jedes Land gesehen, dass die Schweiz mit den Amerikanern verhandeln musste, was die Sache erschwert hat. Zweitens ist es in Zeiten der Krise und höherer Staatsdefizite populär, das Geld bei den vermeintlichen Steuerhinterziehern zu holen». Dies sei einfacher, als das eigene Steuersystem zu reformieren.
Auch im Fall von Frankreich geht es gemäss dem noch bis Mitte September amtierenden Bankiervereinigungs-Präsidenten um Druck. Der französische Haushaltsminister Eric Woerth hatte vergangene Woche gesagt, er verfüge über eine Liste mit 3000 Namen von Franzosen, die insgesamt 3 Mrd EUR in der Schweiz angelegt hätten. «Ich bin überzeugt: Weder eine Schweizer Bank hat der französischen Regierung Daten geliefert noch eine französische Bank mit einer Schweizer Niederlassung», sagte dazu Mirabaud. Bei den Namen könnte es sich um französische Grenzgänger handeln, die in Genf arbeiten und in der Schweiz Steuern zahlen. Solche Dokumente prüfe Frankreich schon seit längerem. «Ich gehe davon aus, dass der Budgetminister die Strategie verfolgt, um jene Bankkunden zu beunruhigen, die zu beunruhigen sind». (awp/mc/pg/04)