Nach Einschätzung der «Basler Zeitung» haben die oft kritisierten Krisenmanager Hans-Rudolf Merz, Micheline Calmy-Rey und Eveline Widmer-Schlumpf im Vergleich mit den USA «enormes Verhandlungsgeschick bewiesen». Auch der «Tages-Anzeiger» erteilt den drei Bundesräten und insbesondere den Spezialisten ihrer Departemente ein «dickes Lob». Die Ehre gebühre den Staatsdienern, welche die von den UBS-Bankern verursachte Krise nun gelöst hätten. «Einen Bonus werden sie dafür nicht erhalten.»
Vertrag nur auf den ersten Blick vorteilhaft
Für die «Neue Zürcher Zeitung» ist der ausgehandelte Staatsvertrag jedoch nur auf den ersten Blick vorteilhaft. So glimpflich, wie es zunächst scheinen möge, sei die Schweiz nicht davongekommen, kommentiert die Zeitung. Einerseits sei der Schweizer Rechtsrahmen durch den Fall UBS bereits vor Monaten stark beschädigt worden. Als Folge sei die Revision vieler Doppelbesteuerungsabkommen eingeleitet worden. «Auch die USA werden künftig stärkeren Zugriff auf den Schweizer Finanzplatz haben.»
«Scheinsieg» der Schweiz
Andererseits seien die Kriterien zum Herausfiltern von «Steuerverdächtigen» aus UBS-Daten wohl doch grosszügiger als bisher bei Amtshilfeverfahren üblich, schreibt die «NZZ». Auch die beiden Westschweizer Zeitungen «La Tribune de Genève» und «24 Heures» sprechen bloss von einem «Scheinsieg» der Schweiz. Der Ausblick fällt deshalb bei mehreren Kommentatoren düster aus. Merz› Beteuerung, das Bankgeheimnis bleibe gewahrt, stimme nicht, urteilt der «Blick». «Andere Staaten werden zu Recht von uns fordern: Schaut doch mal, ob auch welche von uns dabei sind! Und schaut auch gleich bei den anderen Banken!»
Präzedenzfall geschaffen
Auch «Le Temps» ist der Meinung, der Vergleich mit den USA habe einen Präzedenzfall geschaffen, der nun auch anderen Schweizer Banken gefährlich werden könne. Denjenigen Institutionen, die ihren Kunden ebenfalls Steuerflucht ermöglicht hätten, schlage nun «die Stunde der Wahrheit». Für die «Südostschweiz» ist davon auszugehen, dass im Zuge der neuen Doppelbesteuerungsabkommen, deren Inhalt noch nicht bekannt ist, Steuerhinterziehung generell nicht mehr als Kavaliersdelikt betrachtet werde. «Damit aber wäre der letzte Sargnagel eingeschlagen.» Für den Bundesrat sei die Arbeit deshalb noch nicht getan. Es gelte jetzt, für einen sauberen Finanzplatz zu sorgen.
Schweiz soll UBS Rechnung stellen
Nicht zuletzt rufen die Kommentatoren in Erinnerung, dass der Einsatz der Schweiz für die UBS nicht umsonst war. «Es wäre fatal, wenn der scheinbar günstige Ausgang der Auseinandersetzung Schweiz – USA – UBS verschleiern würde, welch hohe Kosten die UBS der Schweiz aufgebürdet hat», schreibt die «NZZ». Sowohl das Westschweizer Blatt «Le Matin» wie auch die «Basler Zeitung» und die «Neue Luzerner Zeitung» fordern, dass die UBS die 40 Millionen Franken zurückzahlt, die der Aufwand für den Vergleich die Schweiz kostete. Ausserdem müsse sich die Bank künftig strikt ans Gesetz halten, verlangt die «BaZ»: «Steuerhinterziehung ist kein taugliches Geschäftsmodell.»
Internationale Presse: «Und jetzt der Rest der Schweiz»
Während der Bundesrat den Vergleich mit den USA im Fall UBS als diplomatischen Erfolg wertet, ist der Tenor in der internationaler Presse ein anderer. «Und jetzt der Rest der Schweiz», titelt die «Süddeutsche Zeitung» am Donnerstag. «Auf die Kapitulation der UBS folgt womöglich nur ein kurzer Frieden», schreibt das Blatt. Auch andere Schweizer Banken liefen nun Gefahr, am «Pranger Washingtons zu enden».
«Tiefer Einschnitt» in das Bankgeheimnis
«Die USA verkünden Sieg im Steuerstreit mit der UBS», titelt die «Financial Times» in ihrer Online-Ausgabe. Das «Wall Street Journal» und die «New York Times» werten das Abkommen als «bedeutenden Riss im Schweizer Bankgeheimnis». Die Schweizer Regierung habe zwar ein insgesamt respektables Verhandlungsergebnis erzielt, schreibt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Dennoch sei das Abkommen ein «tiefer Einschnitt» in das Bankgeheimnis, das nun «weiter durchlöchert werde».
18 Mrd. Dollar auf den 4’450 Konten?
Der Vergleich mit der Schweiz sei ein «bedeutender Schritt zur Lüftung des Schleiers des Bankgeheimnisses und im Kampf gegen die Offshore-Steuerflucht», zitierten mehrere internationale Zeitungen den Chefkommissar der US-Steuerbehörde, Douglas Shulman. Dieser beziffert den Betrag der 4’450 Konten von amerikanischen UBS-Kunden, welche nun überprüft werden, auf ursprünglich 18 Milliarden Dollar. Die IRS werde auch nach dem UBS-Vergleich im Kampf gegen die Steuerflucht nicht Halt machen und Betrüger auch an die abgelegensten und geheimsten Orte der Welt verfolgen.
Die Angst geht um
Die IRS habe einen «Triumph» erzielt und «Europas mächtigste Bank in die Knie gezwungen», schreibt der britische «Guardian». Nun wachse in der Schweiz die Angst, dass auch andere Banken und Schweizer Anwälte wegen Behilfe zur Steuerflucht in den USA der Prozess gemacht werden könnte. Es werde erwartet, dass die UBS-Kundeninformationen, welche innerhalb eines Jahres an die US-Behörden übermittelt würden, und die Selbstanzeigen von amerikanischen Bürgern, Namen von weiteren Finanzinstituten und Steuerberatern offenbarten. Dies könnte schliesslich auch den deutschen und französischen Steuerbehörden einen Steilpass geben, um verstärkt gegen Steuerbetrüger vorzugehen.
Dabei stünden auch komplexe Steuerkonstrukte in der Karibik, Panama, Luxemburg, Singapur oder den englischen Kanalinseln im Visier der Ermittler, schreibt die «New York Times». (awp/mc/ps/01)