von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Kamm, die Messe Schweiz hat im ersten Halbjahr ein gutes Ergebnis vorgelegt, Umsatz und Reingewinn blieben aber hinter der Vorjahresperiode zurück. Woran lags?
René Kamm: Der direkte Vergleich zum Vorjahr ist nur bedingt zulässig, da das Veranstaltungsprogramm nicht in jedem Jahr dieselben Messen beinhaltet. So fehlt im ersten Semester 2006 unter anderem die Swissbau, welche im Zweijahresrhythmus durchgeführt wird und das Semesterergebnis 2005 massgeblich beeinflusste. Auf der anderen Seite haben die ertragsstarken Messen im ersten Semester jeweils einen äusserst positiven Einfluss auf das Halbjahresergebnis. Erfreulicherweise konnten alle Eigenmessen über Budget abgeschlossen werden. Insgesamt sind wir mit dem Semesterergebnis deshalb sehr zufrieden.
Üblicherweise ist das Veranstaltungsprogramm im zweiten Semester schwächer als im ersten Halbjahr. Was für Erwartungen haben Sie für das Gesamtjahr 2006?
Zum üblicherweise schwächeren Veranstaltungsprogramm im zweiten Halbjahr kommt hinzu, dass in den Sommermonaten Juli und August sowie im Dezember aus einleuchtenden Gründen praktisch keine Veranstaltungen stattfinden ? das zweite Semester ist also sozusagen nur ein Quartal. Wir erwarten für 2006 einen Ertrag, der über CHF 200 Mio. und damit deutlich über dem Ergebnis 2004 liegen wird.
Wie stark können Sie mit der Messe Schweiz von der boomenden Weltwirtschaft profitieren?
Messen und Events sind in der Tat auch ? allerdings nicht nur ? von den konjunkturellen Entwicklungen abhängig. Leider wirken sich positive konjunkturelle Entwicklungen oft nicht so schnell und so stark aus, wie dies bei negativen Tendenzen der Fall ist. Insbesondere in den Luxussegmenten, in denen wir mit unseren Messen BASELWORLD, Art Basel und Art Basel Miami Beach die international führenden Veranstaltungen in unserem Portfolio haben, profitieren wir aber stark von der boomenden Wirtschaft und dem stabilen Wachstum in diesen Marktsegmenten.
Welche Messe-Höhepunkte stehen in den kommenden Monaten auf dem Programm?
Neben unseren jährlich stattfindenden Messen ? insbesondere den bereits erwähnten Messen in den Bereichen Uhren/Schmuck und Kunst sowie den Publikumsmessen ? stehen im nächsten Jahr untern anderem die beiden grossen Fachmessen Swissbau und Igeho sowie die ebenfalls nicht in jedem Jahr stattfindenden Industriefachmessen Ineltec, go und Ilmac auf dem Programm. Wir werden im nächsten Jahr also ein sehr dichtes Messeprogramm haben.
Die Art Basel Miami Beach hat sich in kurzer Zeit als wichtigste Veranstaltung für moderne Kunst auf den amerikanischen Kontinenten etabliert. (René Kamm, CEO Messe Schweiz)
Die BASELWORLD für Uhren und Schmuck ist sicherlich die wichtigste der von Ihnen veranstalteten Messen. Welche Messen besitzen ebenfalls eine starke internationale Ausstrahlung?
Dies gilt vor allem für unsere beiden international führenden Kunstmessen Art Basel und Art Basel Miami Beach. Aber auch zahlreiche Fachmessen wie die Igeho oder wie die Swisstech haben zumindest in Europa eine gewisse Ausstrahlung. Erwähnenswert ist zudem unsere Gartenmesse Giardina, deren Konzept in einem Joint Venture mit einem deutschen Messeveranstalter nach Deutschland «exportiert» worden ist, wo bereits zweimal die GiardinaKARLSRUHE stattgefunden hat und nächstes Jahr die GiardinaHAMBURG ihre Premiere haben wird.
Mit der «Art Basel Miami Beach» ist der Messe Schweiz ein Grosserfolg gelungen. Welchen Status hat diese Veranstaltung, die vom 7. bis 10. Dezember 2006 zum sechsten fünften Mal über die Bühne geht, erreicht?
Die Art Basel Miami Beach hat sich in kurzer Zeit als wichtigste Veranstaltung für moderne Kunst auf den amerikanischen Kontinenten etabliert. Und sie ist weltweit hinter der Art Basel die zweitwichtigste Messe für moderne Kunst.
Sind weitere Ausland-Projekte geplant?
Ausland-Projekte wie die Art Basel Miami Beach oder die Giardina sind eine von mehreren Möglichkeiten, wie wir unser Eigenmessenportfolio weiter stärken wollen. Wir wollen diesbezügliche Opportunitäten in Zukunft vermehrt prüfen und ? wenn sie innerhalb der Gesamtstrategie sinnvoll sind ? auch wahrnehmen. Wir haben da ein paar Ideen, an denen wir arbeiten, die aber noch nicht kommunizierbar sind.
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Die Messe Schweiz beteiligt sich per 1. Januar 2007 mit 40 Prozent an der Standbaufirma Expomobilia AG. Welche Faktoren haben den Ausschlag für dieses Engagement gegeben?
Unser Ziel ist es, eines der führenden internationalen Live-Marketing-Unternehmen zu werden. Nach der Übernahme der Winkler Veranstaltungstechnik AG im Sommer 2005 will die Messe Schweiz mit der Beteiligung an der Firma Expomobilia AG ihre Geschäftstätigkeit innerhalb der Veranstaltungs-Services angebotsspezifisch sowie geografisch ? das heisst international ? weiter ausbauen. Mit der Diversifikation in diese messenahen, aber standortunabhängigen Geschäftsbereiche werden neue Ertragsquellen erschlossen, welche unter anderem auch mithelfen, das Kerngeschäft der Veranstaltung unserer Eigenmessen langfristig zu sichern. Gleichzeitig können wir den Anteil an der Wertschöpfungskette in unserem Kerngeschäft weiter erhöhen.
Ist der Prozess des Umbaus der Messe Schweiz von einer auf das Vermietgeschäft konzentrierten Organisation zu einer Marketing-Organisation abgeschlossen?
Der Change Prozess vom Selbstverständnis einer «Immobilien- und Messeabwicklungs-Gesellschaft» hin zu einem Unternehmen, das effektive und effiziente Marketing-Plattformen und -Lösungen entwickelt und anbietet, ist schon sehr weit gediehen. Die von uns angestrebte Positionierung als ein international führendes Live-Marketing-Unternehmen verlangt, dass wir uns ständig verbessern, daher ist dieser Prozess nie abgeschlossen.
Die Messe Schweiz ist die einzige Messegesellschaft, deren Geschäftstätigkeit primär auf die Veranstaltertätigkeit sowie nun auch auf die Bereiche der Veranstaltungs-Services ausgerichtet ist. (René Kamm, CEO Messe Schweiz)
Wie beurteilen Sie generell die Situation der Messewirtschaft in der Schweiz?
Messen haben in der Schweiz ? ähnlich wie in Deutschland ? eine lange Tradition und eine wichtige Stellung im Marketing-Mix. Die föderalistisch strukturierte Messelandschaft ist jedoch in erster Linie von Infrastruktur-Betreiber-Gesellschaften und lokalen/regionalen Veranstaltungen geprägt. Die Messe Schweiz ist die einzige Messegesellschaft, deren Geschäftstätigkeit primär auf die Veranstaltertätigkeit sowie nun auch auf die Bereiche der Veranstaltungs-Services ausgerichtet ist. Sie ist auch die einzige Messegesellschaft in der Schweiz, die konsequent eine stärkere Internationalität anstrebt ? einerseits mit der Durchführung von international führenden Veranstaltungen an den eigenen oder fremden Standorten, anderseits mit dem Angebot im Service-Bereich im internationalen Event-Markt. Dieser Strategie der Messe Schweiz liegen die Tatsachen zugrunde, dass der Messemarkt in der Schweiz gesättigt ist und mit der stagnierenden ? oder gar schrumpfenden ? Bedeutung der Schweiz als Absatzmarkt auch der Messeplatz Schweiz relativ wenig Wachstumspotenzial hat.
Was spricht für die Schweiz als Messestandort?
Der Standort Schweiz bietet ? für internationale Veranstaltungen ? zweifellos ein paar grosse Vorzüge: Politische Stabilität, Sicherheit, gut ausgebaute Infrastruktur und so weiter. Im globalen Standortwettbewerb, der letztlich in erster Linie durch Produktions- und Absatzmärkte bestimmt wird, hat es die Schweiz jedoch zunehmend schwerer, sich gegen Standorte in Amerika oder Asien zu behaupten. Obwohl der Standort bei der Durchführung natürlich eine wichtige Rolle spielt, darf aber nicht vergessen werden, dass für den Erfolg einer Messe letztlich andere Faktoren entscheidend sind: der Stellenwert der Veranstaltung innerhalb der Branche und die Tatsache, dass die Aussteller und Besucher mit ihrer Messebeteiligung ihre Marketing-Ziele erreichen.
Herr Kamm, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Der 46-jährige René Kamm ist Vorsitzender der Gruppenleitung der MCH Messe Schweiz (Holding) AG und Leiter des Geschäftsbereichs Weltmessen.
Ausbildung:
- Holbein Gymnasium Basel, Matura Typus D
- Universitätsabschluss: Uni Basel, Lic.rer.pol
- Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch
Wichtigste berufliche Etappen:
- 4 Jahre Unilever Schweiz (Product-/Marketing Management «Catering» und später «Retail»)
- 4 Jahre Tag Heuer (Directeur de Marchés Mittel- und Nordeuropa, Südamerika, Duty Free international)
- 3 Jahre Artime Spa. (Mitglied der internationalen Geschäftsleitung mit Sitz in Mailand und Lugano und Geschäftsführer Deutschland, Düsseldorf)
- Seit 1. Juni 1999 bei der Messe Basel (seit 2001 Messe Schweiz); Mitglied der Gruppenleitung und Leiter des Geschäftsbereichs «Weltmessen».
- Seit 1. Januar 2003 Vorsitzender der Gruppenleitung der MCH Messe Schweiz (Holding) AG
Zum Unternehmen:
Die Messe Schweiz ist eines der führenden Live-Marketing-Unternehmen in Europa. Sie ist 2001 durch den Zusammenschluss der früheren Messegesellschaften in Basel und Zürich gegründet worden. Seit 1. Juli 2005 gehört zudem die Winkler Veranstaltungstechnik AG in Wohlen (AG) zur Unternehmensgruppe. Die MCH Messe Schweiz (Holding) AG ist eine Aktiengesellschaft mit Beteiligung von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Zürich sowie die Stadt Zürich halten zusammen 49 % des Aktienkapitals von CHF 48 Mio. und sind entsprechend im Verwaltungsrat vertreten. Die Holdinggesellschaft ist am Nebensegment der SWX Swiss Exchange kotiert. Die Messe Schweiz hat in den Jahren 2001 bis 2004 durchschnittlich einen Umsatz von CHF 184 Mio., einen Cash flow von CHF 32.8 Mio. und einen Gruppengewinn von CHF 5.6 Mio. erwirtschaftet. Bei der Messe Schweiz arbeiten insgesamt rund 350 festangestellte Mitarbeiter/innen sowie zirka 1’000 Teilzeitbeschäftigte und Aushilfen.