Auf institutioneller Ebene gab es in den letzten Jahrzehnten jedoch nur wenig Veränderungen. Deshalb stösst die vom Milizgedanken geprägte Wettbewerbskommission (WEKO) zunehmend an Grenzen. Da in der WEKO auch Interessenvertreter arbeiten, gab es Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörde. In einem Bericht über den Zustand der Wettbewerbsaufsicht hatte der Bundesrat letztes Jahr festgehalten, dass die Aufgabenteilung zwischen dem WEKO-Sekretariat und der eigentlichen WEKO unklar sei.
Neu zu schaffendes Bundeswettbewerbsgericht
Um diese Probleme anzugehen, schlägt der Bundesrat nun eine Neustrukturierung vor. In Zukunft soll die Wettbewerbsbehörde nur noch die Untersuchungen führen und danach einen Antrag an das neu zu schaffende Bundeswettbewerbsgericht stellen. Dieses Gericht soll aus vier hauptamtlichen und einem Pool von nebenamtlichen Richtern bestehen. Alle Richterinnen und Richter müssen gemäss der Vorlage des Bundesrates «hohen Anforderungen an die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Interessen genügen».
«Spezialisten für Wettbewerbsrecht fallen nicht vom Himmel»
Aymo Brunetti, Direktor für Wirtschaftspolitik des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), macht sich jedoch keine Illusionen. Spezialisten für Wettbewerbsrecht würden nicht vom Himmel fallen und seien oft an Firmen gebunden, sagte er in einem Hintergrundgespräch letzten Montag. Ausgeschlossen wird aber, dass wie heute Abgesandte von Wirtschaftsverbänden und Arbeitnehmerorganisationen Einsitz in dem Entscheidgremium nehmen. Die nötigen Erfahrungen aus der Wirtschaft sollen die nebenamtlichen Richterinnen und Richter einbringen.
Pool-Lösung
Alle sollen vom Parlament gewählt werden. Die Entscheide sollen von jeweils zwei hauptamtlichen und drei nebenamtlichen Richterinnen gefällt werden. Diese Pool-Lösung erleichtert die Umsetzung der Ausstands-Regeln. Der Bundesrat war in seinem Bericht zum Schluss gekommen, dass er an den bestehenden Konzepten und Instrumentarien (direkte Sanktionen, Bonusregel, Hausdurchsuchungen und Widerspruchsverfahren) grundsätzlich festhalten will. Gewisse Mängel hatte er aber nicht nur in institutionellen Fragen geortet. Er schlägt auch eine Reihe materieller Änderungen vor, mit denen das Wettbewerbsprinzip gestärkt werden soll.
Möglichkeit zu kartellrechtlichen Zivilklagen
So sollen künftig die Konsumenten und die öffentliche Hand kartellrechtliche Zivilklagen einreichen dürfen, wenn sie sich durch Wettbewerbsbehinderungen benachteiligt fühlen. Vereinfachen will der Bundesrat die Fusionskontrolle. Es geht darum, Doppelspurigkeiten bei grenzüberschreitenden Fusionen zu vermeiden. Dazu schlägt der Bundesrat vor, durch die Schweizer Behörde keine Beurteilung mehr vornehmen zu lassen, wenn es um international abgegrenzte Märkte geht und wenn bereits EU-Behörden eine Untersuchung führen.
Zwei Varianten zur Fusionsprüfung
Bei der eigentlichen Fusionsprüfung schlägt der Bundesrat zwei Varianten vor. Mit dem ersten Vorschlag würde die Schweiz den EU-Standard übernehmen. Dabi würde die Schweiz auch die sogenannte Effizienzverteidigung einführen. Demnach sollen auch Fusionen bewilligt werden können, die zu eingeschränktem Wettbewerb führen. Die Firmen müssen aber darlegen, dass die Fusion zu hinreichend grossen Synergieeffekten führt. Bei Variante zwei würde die Behörde bereits eingreifen, wenn eine marktbeherrschende Situation eintritt und nicht erst wenn die Möglichkeit besteht, dass der Wettbewerb durch eine Fusion komplett ausgeschaltet wird.
Kürzere Fristen
Bei der Behandlung sogenannter vertikaler Vereinbarungen soll die Einzelfallanalyse ermöglichen, dass Markabschottungen zwar verhindert werden, aber gleichzeitig volkswirtschaftlich sinnvolle Vertriebsvereinbarungen durch Firmen umgesetzt werden können. Eine Beschleunigung der Verfahren verspricht sich die Regierung von einem verbesserten Widerspruchsverfahren. Es ermöglicht den Firmen, frühzeitig Klarheit darüber zu schaffen, ob etwa eine Übernahme einer anderen Firma kartellrechtlich relevant ist. Künftig soll die Wettbewerbsbehörde nur noch zwei Monate Zeit haben, um gegen ein Vorhaben Widerspruch zu erheben. Bislang beträgt die Frist fünf Monate. (awp/mc/ps/22)